seine Finger zum Schreiben zu zwingen, und ihn auf eine Sache zu bringen, an die er sich zu glei- cher Zeit, mehr als einmal entschloß, nicht zu ge- denken.
Es ist auch eben so wunderlich, daß er in ei- nem oder zween Tagen mehr, da kein neuer Grund vorfällt, seine Gesinnung so vollkommen ändern, oder, sein Gemüth, sollte ich vielmehr sa- gen, so vollkommen durch frohe Hoffnungen und aufgehende Aussichten in die Zukunft erleuchtet sehen sollte, daß er sich dessen schäme, was er ge- schrieben hatte.
Denn da ich eine Abschrift von meinem Brie- fe wieder durchgelesen, die mir von ungefähr in der Hand meiner Base Charlotte, welche ihn oh- ne mein Wissen abgeschrieben hatte, in die Hände gefallen ist: so finde ich, daß es ein solcher Brief ist, den sich ein Feind zu sehen freuen würde.
So viel weiß ich, daß wenn ich nur noch eine Woche in dem Zustande geblieben wäre, worinn ich mich befand, als ich den letzten Theil desselben schrieb: so würde ich in der nächstfolgenden ein- gesperrt gewesen seyn und im Stroh gelegen ha- ben. Denn ich besinne mich, daß mich alle mei- ne Krankheit mit unwiderstehlicher Gewalt wie- der überfiel - - und dieß Trotz aller in Wasser gekochten Habergrütze und magern Suppen.
Jch gestehe, daß ich über die mir fehlgeschla- gene Hoffnung, die Hoffnung, in welcher dieß be- wundernswürdige Frauenzimmer ein so seltsames Vergnügen gefunden hat, mich zu betrügen, noch
aus-
ſeine Finger zum Schreiben zu zwingen, und ihn auf eine Sache zu bringen, an die er ſich zu glei- cher Zeit, mehr als einmal entſchloß, nicht zu ge- denken.
Es iſt auch eben ſo wunderlich, daß er in ei- nem oder zween Tagen mehr, da kein neuer Grund vorfaͤllt, ſeine Geſinnung ſo vollkommen aͤndern, oder, ſein Gemuͤth, ſollte ich vielmehr ſa- gen, ſo vollkommen durch frohe Hoffnungen und aufgehende Ausſichten in die Zukunft erleuchtet ſehen ſollte, daß er ſich deſſen ſchaͤme, was er ge- ſchrieben hatte.
Denn da ich eine Abſchrift von meinem Brie- fe wieder durchgeleſen, die mir von ungefaͤhr in der Hand meiner Baſe Charlotte, welche ihn oh- ne mein Wiſſen abgeſchrieben hatte, in die Haͤnde gefallen iſt: ſo finde ich, daß es ein ſolcher Brief iſt, den ſich ein Feind zu ſehen freuen wuͤrde.
So viel weiß ich, daß wenn ich nur noch eine Woche in dem Zuſtande geblieben waͤre, worinn ich mich befand, als ich den letzten Theil deſſelben ſchrieb: ſo wuͤrde ich in der naͤchſtfolgenden ein- geſperrt geweſen ſeyn und im Stroh gelegen ha- ben. Denn ich beſinne mich, daß mich alle mei- ne Krankheit mit unwiderſtehlicher Gewalt wie- der uͤberfiel ‒ ‒ und dieß Trotz aller in Waſſer gekochten Habergruͤtze und magern Suppen.
Jch geſtehe, daß ich uͤber die mir fehlgeſchla- gene Hoffnung, die Hoffnung, in welcher dieß be- wundernswuͤrdige Frauenzimmer ein ſo ſeltſames Vergnuͤgen gefunden hat, mich zu betruͤgen, noch
aus-
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ſeine Finger zum Schreiben zu zwingen, und ihn
auf eine Sache zu bringen, an die er ſich zu glei-
cher Zeit, mehr als einmal entſchloß, nicht zu ge-
denken.
Es iſt auch eben ſo wunderlich, daß er in ei-
nem oder zween Tagen mehr, da kein neuer
Grund vorfaͤllt, ſeine Geſinnung ſo vollkommen
aͤndern, oder, ſein Gemuͤth, ſollte ich vielmehr ſa-
gen, ſo vollkommen durch frohe Hoffnungen und
aufgehende Ausſichten in die Zukunft erleuchtet
ſehen ſollte, daß er ſich deſſen ſchaͤme, was er ge-
ſchrieben hatte.
Denn da ich eine Abſchrift von meinem Brie-
fe wieder durchgeleſen, die mir von ungefaͤhr in
der Hand meiner Baſe Charlotte, welche ihn oh-
ne mein Wiſſen abgeſchrieben hatte, in die Haͤnde
gefallen iſt: ſo finde ich, daß es ein ſolcher Brief
iſt, den ſich ein Feind zu ſehen freuen wuͤrde.
So viel weiß ich, daß wenn ich nur noch eine
Woche in dem Zuſtande geblieben waͤre, worinn
ich mich befand, als ich den letzten Theil deſſelben
ſchrieb: ſo wuͤrde ich in der naͤchſtfolgenden ein-
geſperrt geweſen ſeyn und im Stroh gelegen ha-
ben. Denn ich beſinne mich, daß mich alle mei-
ne Krankheit mit unwiderſtehlicher Gewalt wie-
der uͤberfiel ‒ ‒ und dieß Trotz aller in Waſſer
gekochten Habergruͤtze und magern Suppen.
Jch geſtehe, daß ich uͤber die mir fehlgeſchla-
gene Hoffnung, die Hoffnung, in welcher dieß be-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/694>, abgerufen am 22.11.2024.
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