de ich dich mehr von meiner Meynung in diesem Stücke wissen lassen.
Wenn du haben wolltest, daß deine Wünsche, die arme Fräulein zu deinem Vortheil zu gewin- nen, für Ernst angesehen würden: so wird ge- wiß dein leichtfertiges und kurzweiliges Bezeigen in Smithens Hause, wenn sie es höret, ein sol- ches Ansehen haben, das sich damit vortrefflich räumet. Nicht wahr? - - Es wird sie in der That in ihrer Meynung bestärken, daß eine Per- son von ihrer ernsthaften und gottseligen Gemüths- art mehr das Grab, als einen solchen Ehegat- ten zu wünschen habe, der weder zu ernsthafter Ueberlegung noch zu einem Gefühl der Regungen des Gewissens aufgelegt ist, ob er gleich eben aus einer gefährlichen, wenigstens einer heftigen Krank- heit aufgekommen, wie du wirklich erst eben da- von genesen bist.
Jch bin um die arme Fräulein, die ohne al- len Schutz ist, über die Maßen bekümmert. Sie war am Sonnabend so ausnehmend matt und schwach, daß ich nicht vor sie kommen konnte, mit ihr zu reden. Und dennoch wird sie aus ihrer Wohnung getrieben: da es sich besser für ihren Zustand schickte, im Bette zu bleiben. Dieß ist eine solche Probe der Grausamkeit, daß nur der- jenige sich derselben schuldig machen könnte, der mit einem solchen Engel so zu verfahren im Stan- de wäre, als du mit ihr umgegangen bist.
Kannst du selbst bey reifer Ueberlegung sa- gen, daß es nicht das Ansehen einer gottlosen und
ver-
de ich dich mehr von meiner Meynung in dieſem Stuͤcke wiſſen laſſen.
Wenn du haben wollteſt, daß deine Wuͤnſche, die arme Fraͤulein zu deinem Vortheil zu gewin- nen, fuͤr Ernſt angeſehen wuͤrden: ſo wird ge- wiß dein leichtfertiges und kurzweiliges Bezeigen in Smithens Hauſe, wenn ſie es hoͤret, ein ſol- ches Anſehen haben, das ſich damit vortrefflich raͤumet. Nicht wahr? ‒ ‒ Es wird ſie in der That in ihrer Meynung beſtaͤrken, daß eine Per- ſon von ihrer ernſthaften und gottſeligen Gemuͤths- art mehr das Grab, als einen ſolchen Ehegat- ten zu wuͤnſchen habe, der weder zu ernſthafter Ueberlegung noch zu einem Gefuͤhl der Regungen des Gewiſſens aufgelegt iſt, ob er gleich eben aus einer gefaͤhrlichen, wenigſtens einer heftigen Krank- heit aufgekommen, wie du wirklich erſt eben da- von geneſen biſt.
Jch bin um die arme Fraͤulein, die ohne al- len Schutz iſt, uͤber die Maßen bekuͤmmert. Sie war am Sonnabend ſo ausnehmend matt und ſchwach, daß ich nicht vor ſie kommen konnte, mit ihr zu reden. Und dennoch wird ſie aus ihrer Wohnung getrieben: da es ſich beſſer fuͤr ihren Zuſtand ſchickte, im Bette zu bleiben. Dieß iſt eine ſolche Probe der Grauſamkeit, daß nur der- jenige ſich derſelben ſchuldig machen koͤnnte, der mit einem ſolchen Engel ſo zu verfahren im Stan- de waͤre, als du mit ihr umgegangen biſt.
Kannſt du ſelbſt bey reifer Ueberlegung ſa- gen, daß es nicht das Anſehen einer gottloſen und
ver-
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de ich dich mehr von meiner Meynung in dieſem
Stuͤcke wiſſen laſſen.
Wenn du haben wollteſt, daß deine Wuͤnſche,
die arme Fraͤulein zu deinem Vortheil zu gewin-
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wiß dein leichtfertiges und kurzweiliges Bezeigen
in Smithens Hauſe, wenn ſie es hoͤret, ein ſol-
ches Anſehen haben, das ſich damit vortrefflich
raͤumet. Nicht wahr? ‒ ‒ Es wird ſie in der
That in ihrer Meynung beſtaͤrken, daß eine Per-
ſon von ihrer ernſthaften und gottſeligen Gemuͤths-
art mehr das Grab, als einen ſolchen Ehegat-
ten zu wuͤnſchen habe, der weder zu ernſthafter
Ueberlegung noch zu einem Gefuͤhl der Regungen
des Gewiſſens aufgelegt iſt, ob er gleich eben aus
einer gefaͤhrlichen, wenigſtens einer heftigen Krank-
heit aufgekommen, wie du wirklich erſt eben da-
von geneſen biſt.
Jch bin um die arme Fraͤulein, die ohne al-
len Schutz iſt, uͤber die Maßen bekuͤmmert. Sie
war am Sonnabend ſo ausnehmend matt und
ſchwach, daß ich nicht vor ſie kommen konnte, mit
ihr zu reden. Und dennoch wird ſie aus ihrer
Wohnung getrieben: da es ſich beſſer fuͤr ihren
Zuſtand ſchickte, im Bette zu bleiben. Dieß iſt
eine ſolche Probe der Grauſamkeit, daß nur der-
jenige ſich derſelben ſchuldig machen koͤnnte, der
mit einem ſolchen Engel ſo zu verfahren im Stan-
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Kannſt du ſelbſt bey reifer Ueberlegung ſa-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/8>, abgerufen am 21.11.2024.
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