saß, leichtlich Sprachen zu lernen; daß sie mit großer Fertigkeit beydes Jtaliänisch und Franzö- sisch las, und auch beydes sprechen konnte, ob sie gleich dazu nicht sehr geneigt war, welches Sie die Güte haben werden einen Fehler an ihr zu nennen; imgleichen daß sie angefangen hatte, sich auf das Lateinische zu legen.
Allein Sie werden vor allen nicht vergessen anzumerken, daß aller ihrer Wissenschaften unge- achtet sie doch eine vortreffliche Haushälterinn und Wirthinn gewesen ist. Und diese Eigen- schaften, müssen Sie gedenken, war sie insonder- heit geneigt allen ihren Gespielinnen im Lesen und Schreiben einzuschärfen. Denn es war eine Grundregel bey ihr, "daß ein Frauenzimmer, "welches das Nützliche und Zierliche, wodurch "ihr eignes Geschlecht sich unterscheidet, des- "wegen versäumet, damit es die Wissenschaften, "welche nach der gemeinen Meynung dem an- "dern Geschlechte eigentlich zustehen, erlangen "möge, sich durch dasjenige, was sie verabsäu- "met, mehr Verachtung zuziehet, als sie durch "das, was sie erlanget, Ansehen gewinnet.
"Es mag sich also unser Geschlecht, pflegte "sie daher zu sagen, nach der Fertigkeit in allem "dem, was an dem andern Geschlechte vortreff- "lich ist und zu dem ihrigen sich nicht übel schickt, "bemühen: allein ohne dadurch etwas zu verlie- "ren, das an ihrem eignen Geschlechte rühmlich "ist."
Viel-
ſaß, leichtlich Sprachen zu lernen; daß ſie mit großer Fertigkeit beydes Jtaliaͤniſch und Franzoͤ- ſiſch las, und auch beydes ſprechen konnte, ob ſie gleich dazu nicht ſehr geneigt war, welches Sie die Guͤte haben werden einen Fehler an ihr zu nennen; imgleichen daß ſie angefangen hatte, ſich auf das Lateiniſche zu legen.
Allein Sie werden vor allen nicht vergeſſen anzumerken, daß aller ihrer Wiſſenſchaften unge- achtet ſie doch eine vortreffliche Haushaͤlterinn und Wirthinn geweſen iſt. Und dieſe Eigen- ſchaften, muͤſſen Sie gedenken, war ſie inſonder- heit geneigt allen ihren Geſpielinnen im Leſen und Schreiben einzuſchaͤrfen. Denn es war eine Grundregel bey ihr, „daß ein Frauenzimmer, „welches das Nuͤtzliche und Zierliche, wodurch „ihr eignes Geſchlecht ſich unterſcheidet, des- „wegen verſaͤumet, damit es die Wiſſenſchaften, „welche nach der gemeinen Meynung dem an- „dern Geſchlechte eigentlich zuſtehen, erlangen „moͤge, ſich durch dasjenige, was ſie verabſaͤu- „met, mehr Verachtung zuziehet, als ſie durch „das, was ſie erlanget, Anſehen gewinnet.
„Es mag ſich alſo unſer Geſchlecht, pflegte „ſie daher zu ſagen, nach der Fertigkeit in allem „dem, was an dem andern Geſchlechte vortreff- „lich iſt und zu dem ihrigen ſich nicht uͤbel ſchickt, „bemuͤhen: allein ohne dadurch etwas zu verlie- „ren, das an ihrem eignen Geſchlechte ruͤhmlich „iſt.“
Viel-
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ſaß, leichtlich Sprachen zu lernen; daß ſie mit
großer Fertigkeit beydes Jtaliaͤniſch und Franzoͤ-
ſiſch las, und auch beydes ſprechen konnte, ob ſie
gleich dazu nicht ſehr geneigt war, welches Sie
die Guͤte haben werden einen Fehler an ihr zu
nennen; imgleichen daß ſie angefangen hatte, ſich
auf das Lateiniſche zu legen.
Allein Sie werden vor allen nicht vergeſſen
anzumerken, daß aller ihrer Wiſſenſchaften unge-
achtet ſie doch eine vortreffliche Haushaͤlterinn
und Wirthinn geweſen iſt. Und dieſe Eigen-
ſchaften, muͤſſen Sie gedenken, war ſie inſonder-
heit geneigt allen ihren Geſpielinnen im Leſen und
Schreiben einzuſchaͤrfen. Denn es war eine
Grundregel bey ihr, „daß ein Frauenzimmer,
„welches das Nuͤtzliche und Zierliche, wodurch
„ihr eignes Geſchlecht ſich unterſcheidet, des-
„wegen verſaͤumet, damit es die Wiſſenſchaften,
„welche nach der gemeinen Meynung dem an-
„dern Geſchlechte eigentlich zuſtehen, erlangen
„moͤge, ſich durch dasjenige, was ſie verabſaͤu-
„met, mehr Verachtung zuziehet, als ſie durch
„das, was ſie erlanget, Anſehen gewinnet.
„Es mag ſich alſo unſer Geſchlecht, pflegte
„ſie daher zu ſagen, nach der Fertigkeit in allem
„dem, was an dem andern Geſchlechte vortreff-
„lich iſt und zu dem ihrigen ſich nicht uͤbel ſchickt,
„bemuͤhen: allein ohne dadurch etwas zu verlie-
„ren, das an ihrem eignen Geſchlechte ruͤhmlich
„iſt.“
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/817>, abgerufen am 26.11.2024.
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