Richter, Christoph Philipp: Spectaculum Historicum. Historisches Schauspiel. Jena, 1661.LVIII. Wunderbarer Eckel vor der Speise. IM Jahr 1595. ist aus dem Hertzogthum Gülich ein Mägdlein etwa von vierzehen Jahren gen Cöln am Rhein gebracht worden: Dieselbe ward auf dem grossen Platze / im Gast-Hoffe zum weissen Pferde/ als ein sonderbahres Wunder/ denen jenigen / die sie begehreten/ gezeiget. Ihre Eltern sageten/ wie daß sie nunmehr drey gantzer Jahr ohne Essen und Trincken gelebet hätte: Welches sie auch mit glaubwürdigen Zeugnüssen beweiseten. Ich habe sie fleissig beschauet/ und ihren gantzen Leib von der Scheidel biß auf die Fußsohlen wohl betrachtet. Sie hatte ein trauriges und Melancholisches Angesichte/ war fleischig gnug / ausgenommen der Bauch/ der sahe aus/ als wenn er am Rückgrad hienge: Die Leber und andere Eingeweide kunte man leichtlich unterscheiden/ wenn man ihr LVIII. Wunderbarer Eckel vor der Speise. IM Jahr 1595. ist aus dem Hertzogthum Gülich ein Mägdlein etwa von vierzehen Jahren gen Cöln am Rhein gebracht worden: Dieselbe ward auf dem grossen Platze / im Gast-Hoffe zum weissen Pferde/ als ein sonderbahres Wunder/ denen jenigen / die sie begehreten/ gezeiget. Ihre Eltern sageten/ wie daß sie nunmehr drey gantzer Jahr ohne Essen und Trincken gelebet hätte: Welches sie auch mit glaubwürdigen Zeugnüssen beweiseten. Ich habe sie fleissig beschauet/ und ihren gantzen Leib von der Scheidel biß auf die Fußsohlen wohl betrachtet. Sie hatte ein trauriges und Melancholisches Angesichte/ war fleischig gnug / ausgenommen der Bauch/ der sahe aus/ als wenn er am Rückgrad hienge: Die Leber und andere Eingeweide kunte man leichtlich unterscheiden/ wenn man ihr <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0519" n="495"/> <p>LVIII.</p> <p>Wunderbarer Eckel vor der Speise.</p> <p>IM Jahr 1595. ist aus dem Hertzogthum Gülich ein Mägdlein etwa von vierzehen Jahren gen Cöln am Rhein gebracht worden: Dieselbe ward auf dem grossen Platze / im Gast-Hoffe zum weissen Pferde/ als ein sonderbahres Wunder/ denen jenigen / die sie begehreten/ gezeiget.</p> <p>Ihre Eltern sageten/ wie daß sie nunmehr drey gantzer Jahr ohne Essen und Trincken gelebet hätte: Welches sie auch mit glaubwürdigen Zeugnüssen beweiseten.</p> <p>Ich habe sie fleissig beschauet/ und ihren gantzen Leib von der Scheidel biß auf die Fußsohlen wohl betrachtet.</p> <p>Sie hatte ein trauriges und Melancholisches Angesichte/ war fleischig gnug / ausgenommen der Bauch/ der sahe aus/ als wenn er am Rückgrad hienge: Die Leber und andere Eingeweide kunte man leichtlich unterscheiden/ wenn man ihr </p> </div> </body> </text> </TEI> [495/0519]
LVIII.
Wunderbarer Eckel vor der Speise.
IM Jahr 1595. ist aus dem Hertzogthum Gülich ein Mägdlein etwa von vierzehen Jahren gen Cöln am Rhein gebracht worden: Dieselbe ward auf dem grossen Platze / im Gast-Hoffe zum weissen Pferde/ als ein sonderbahres Wunder/ denen jenigen / die sie begehreten/ gezeiget.
Ihre Eltern sageten/ wie daß sie nunmehr drey gantzer Jahr ohne Essen und Trincken gelebet hätte: Welches sie auch mit glaubwürdigen Zeugnüssen beweiseten.
Ich habe sie fleissig beschauet/ und ihren gantzen Leib von der Scheidel biß auf die Fußsohlen wohl betrachtet.
Sie hatte ein trauriges und Melancholisches Angesichte/ war fleischig gnug / ausgenommen der Bauch/ der sahe aus/ als wenn er am Rückgrad hienge: Die Leber und andere Eingeweide kunte man leichtlich unterscheiden/ wenn man ihr
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