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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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B. Das Pflanzenornament in der griechischeu Kunst.

Nach dem eben Gesagten steht zu erwarten, dass die rhodische
Dekorationskunst von dem specifisch griechischen Motiv der Wellen-
ranke bereits umfassenderen Gebrauch gemacht hat. In der That lassen
sich mehrfache Beispiele dafür nachweisen.

Von fortlaufenden Wellenranken sind mir drei Beispiele aus
rhodisch-klazomenischem Gebiet bekannt geworden. Das erste findet
sich an einem Terracotta-Ziegel aus Kameiros, Fig. 7476), und ist merk-
würdigerweise eckig gebrochen. Auf den ersten Blick wähnt man einen
Mäander zu sehen, aber während dieser letztere in seiner typischen

[Abbildung] Fig. 74.

Scherbe von einem rhodischen Teller.

Form stets einseitig (egyptisch) ist, laufen die rhombenartigen Ein-
rollungen in Fig. 74 bald von unten nach oben und bald umgekehrt,
wie es eben das Charakteristicum der fortlaufenden Wellenranke
(Fig. 50) bildet. Den rankenartigen Charakter vervollständigen zum
Üeberflusse die kleinen Einrollungen, die sich unten an die grösseren
zweigartig anschliessen. Um diese ganz vereinzelte eckige Bildung zu
erklären, wird man geneigt sein, den Einfluss des geometrischen Stils
heranzuziehen, der die Transponirung des ursprünglich aus der Kreis-
form construirten Motivs in's Eckige verursacht haben mochte.

Haben wir es in Fig. 74 mit einer blossen Ranke ohne alle weitere
pflanzliche Zuthat zu thun, so tritt uns auf der Vase, Fig. 75, (Salzmann

76) Salzmann Taf. 29.
B. Das Pflanzenornament in der griechischeu Kunst.

Nach dem eben Gesagten steht zu erwarten, dass die rhodische
Dekorationskunst von dem specifisch griechischen Motiv der Wellen-
ranke bereits umfassenderen Gebrauch gemacht hat. In der That lassen
sich mehrfache Beispiele dafür nachweisen.

Von fortlaufenden Wellenranken sind mir drei Beispiele aus
rhodisch-klazomenischem Gebiet bekannt geworden. Das erste findet
sich an einem Terracotta-Ziegel aus Kameiros, Fig. 7476), und ist merk-
würdigerweise eckig gebrochen. Auf den ersten Blick wähnt man einen
Mäander zu sehen, aber während dieser letztere in seiner typischen

[Abbildung] Fig. 74.

Scherbe von einem rhodischen Teller.

Form stets einseitig (egyptisch) ist, laufen die rhombenartigen Ein-
rollungen in Fig. 74 bald von unten nach oben und bald umgekehrt,
wie es eben das Charakteristicum der fortlaufenden Wellenranke
(Fig. 50) bildet. Den rankenartigen Charakter vervollständigen zum
Üeberflusse die kleinen Einrollungen, die sich unten an die grösseren
zweigartig anschliessen. Um diese ganz vereinzelte eckige Bildung zu
erklären, wird man geneigt sein, den Einfluss des geometrischen Stils
heranzuziehen, der die Transponirung des ursprünglich aus der Kreis-
form construirten Motivs in’s Eckige verursacht haben mochte.

Haben wir es in Fig. 74 mit einer blossen Ranke ohne alle weitere
pflanzliche Zuthat zu thun, so tritt uns auf der Vase, Fig. 75, (Salzmann

76) Salzmann Taf. 29.
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[166/0192] B. Das Pflanzenornament in der griechischeu Kunst. Nach dem eben Gesagten steht zu erwarten, dass die rhodische Dekorationskunst von dem specifisch griechischen Motiv der Wellen- ranke bereits umfassenderen Gebrauch gemacht hat. In der That lassen sich mehrfache Beispiele dafür nachweisen. Von fortlaufenden Wellenranken sind mir drei Beispiele aus rhodisch-klazomenischem Gebiet bekannt geworden. Das erste findet sich an einem Terracotta-Ziegel aus Kameiros, Fig. 74 76), und ist merk- würdigerweise eckig gebrochen. Auf den ersten Blick wähnt man einen Mäander zu sehen, aber während dieser letztere in seiner typischen [Abbildung Fig. 74. Scherbe von einem rhodischen Teller.] Form stets einseitig (egyptisch) ist, laufen die rhombenartigen Ein- rollungen in Fig. 74 bald von unten nach oben und bald umgekehrt, wie es eben das Charakteristicum der fortlaufenden Wellenranke (Fig. 50) bildet. Den rankenartigen Charakter vervollständigen zum Üeberflusse die kleinen Einrollungen, die sich unten an die grösseren zweigartig anschliessen. Um diese ganz vereinzelte eckige Bildung zu erklären, wird man geneigt sein, den Einfluss des geometrischen Stils heranzuziehen, der die Transponirung des ursprünglich aus der Kreis- form construirten Motivs in’s Eckige verursacht haben mochte. Haben wir es in Fig. 74 mit einer blossen Ranke ohne alle weitere pflanzliche Zuthat zu thun, so tritt uns auf der Vase, Fig. 75, (Salzmann 76) Salzmann Taf. 29.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/192>, abgerufen am 19.05.2024.