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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments.
halben, also kelchförmigen, zuerst versucht worden ist. Es würde dies
mit den Wahrnehmungen Furtwängler's stimmen, der das früheste Auf-
treten des Akanthus an Grabstelen gleich der karystischen (Sammlung
Sabouroff, Skulpt. Taf. VI) und der venetianischen (ebenda S. 7) beob-
achtet haben will, -- in beiden Fällen als Akanthuskelch genau in der
Weise wie an Fig. 113, d. h. als gerippter Kelch für übersteigende glatte
Kelche oder Blätter.

Die Ornamentik des Erechtheion ist allem Anscheine nach für
die primitive Entwicklung des Akanthus von grösster Bedeutung ge-

[Abbildung] Fig. 116.

Von einem Pilasterkapitäl der östlichen Vorhalle des Erechtheions.

wesen. Wo dieser letztere auftritt, an den Säulenhälsen am Architrav,
an den Thüreinrahmungen: überall zeigt er leise Variirungen, deren
jede eine gesonderte Besprechung verdiente, und die sich sämmtlich im
Sinne des Gesagten erklären lassen. Nur eine Variante (Fig. 116)34)
will ich hier im Besonderen erwähnen, da dieselbe eine überaus be-
deutsame Erscheinung bildet. Die Lotusblüthe zeigt hier nicht nur
den akanthisirenden Profilkelch aus zwei Blättern, wie in Fig. 113,
sondern unter diesem noch einen anderen aus drei Akanthusblättern
gebildeten perspektivischen Kelch. Die offenbar perspektivische
Projektion
ist es, die das Motiv so bemerkenswerth macht in der

34) Quast, Erechtheion I. 6, 1.

9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments.
halben, also kelchförmigen, zuerst versucht worden ist. Es würde dies
mit den Wahrnehmungen Furtwängler’s stimmen, der das früheste Auf-
treten des Akanthus an Grabstelen gleich der karystischen (Sammlung
Sabouroff, Skulpt. Taf. VI) und der venetianischen (ebenda S. 7) beob-
achtet haben will, — in beiden Fällen als Akanthuskelch genau in der
Weise wie an Fig. 113, d. h. als gerippter Kelch für übersteigende glatte
Kelche oder Blätter.

Die Ornamentik des Erechtheion ist allem Anscheine nach für
die primitive Entwicklung des Akanthus von grösster Bedeutung ge-

[Abbildung] Fig. 116.

Von einem Pilasterkapitäl der östlichen Vorhalle des Erechtheions.

wesen. Wo dieser letztere auftritt, an den Säulenhälsen am Architrav,
an den Thüreinrahmungen: überall zeigt er leise Variirungen, deren
jede eine gesonderte Besprechung verdiente, und die sich sämmtlich im
Sinne des Gesagten erklären lassen. Nur eine Variante (Fig. 116)34)
will ich hier im Besonderen erwähnen, da dieselbe eine überaus be-
deutsame Erscheinung bildet. Die Lotusblüthe zeigt hier nicht nur
den akanthisirenden Profilkelch aus zwei Blättern, wie in Fig. 113,
sondern unter diesem noch einen anderen aus drei Akanthusblättern
gebildeten perspektivischen Kelch. Die offenbar perspektivische
Projektion
ist es, die das Motiv so bemerkenswerth macht in der

34) Quast, Erechtheion I. 6, 1.
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[223/0249] 9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments. halben, also kelchförmigen, zuerst versucht worden ist. Es würde dies mit den Wahrnehmungen Furtwängler’s stimmen, der das früheste Auf- treten des Akanthus an Grabstelen gleich der karystischen (Sammlung Sabouroff, Skulpt. Taf. VI) und der venetianischen (ebenda S. 7) beob- achtet haben will, — in beiden Fällen als Akanthuskelch genau in der Weise wie an Fig. 113, d. h. als gerippter Kelch für übersteigende glatte Kelche oder Blätter. Die Ornamentik des Erechtheion ist allem Anscheine nach für die primitive Entwicklung des Akanthus von grösster Bedeutung ge- [Abbildung Fig. 116. Von einem Pilasterkapitäl der östlichen Vorhalle des Erechtheions.] wesen. Wo dieser letztere auftritt, an den Säulenhälsen am Architrav, an den Thüreinrahmungen: überall zeigt er leise Variirungen, deren jede eine gesonderte Besprechung verdiente, und die sich sämmtlich im Sinne des Gesagten erklären lassen. Nur eine Variante (Fig. 116) 34) will ich hier im Besonderen erwähnen, da dieselbe eine überaus be- deutsame Erscheinung bildet. Die Lotusblüthe zeigt hier nicht nur den akanthisirenden Profilkelch aus zwei Blättern, wie in Fig. 113, sondern unter diesem noch einen anderen aus drei Akanthusblättern gebildeten perspektivischen Kelch. Die offenbar perspektivische Projektion ist es, die das Motiv so bemerkenswerth macht in der 34) Quast, Erechtheion I. 6, 1.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/249>, abgerufen am 04.12.2024.