Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.Die Anfänge des Pflanzenornaments etc. Strauch, oder selbst als niedriges Zierblumengewächs, sondern vielmehrderen einzelne Theile, Blüthe oder Blatt, die man zu Symbolen ver- wendet hat. Wir werden sehen, dass solche Theile schon in den ältesten Denkmälern der egyptischen Kunst mehrfach bis zur Unkennt- lichkeit stilisirt gewesen sind; trotz ihrer Verwendung in gegenständ- lichem Sinne trugen sie somit bereits damals in sich den sicheren Keim späterer ornamentaler Bedeutung und Fortbildung. Der künstlerisch wichtigste, weil vollendetste Theil eines Pflanzen- Ein sehr wichtiges Element in der Pflanzendarstellung, insbesondere Unsere Aufgabe wird es also sein innerhalb eines jeden Stiles den Die Anfänge des Pflanzenornaments etc. Strauch, oder selbst als niedriges Zierblumengewächs, sondern vielmehrderen einzelne Theile, Blüthe oder Blatt, die man zu Symbolen ver- wendet hat. Wir werden sehen, dass solche Theile schon in den ältesten Denkmälern der egyptischen Kunst mehrfach bis zur Unkennt- lichkeit stilisirt gewesen sind; trotz ihrer Verwendung in gegenständ- lichem Sinne trugen sie somit bereits damals in sich den sicheren Keim späterer ornamentaler Bedeutung und Fortbildung. Der künstlerisch wichtigste, weil vollendetste Theil eines Pflanzen- Ein sehr wichtiges Element in der Pflanzendarstellung, insbesondere Unsere Aufgabe wird es also sein innerhalb eines jeden Stiles den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="46"/><fw place="top" type="header">Die Anfänge des Pflanzenornaments etc.</fw><lb/> Strauch, oder selbst als niedriges Zierblumengewächs, sondern vielmehr<lb/> deren einzelne Theile, Blüthe oder Blatt, die man zu Symbolen ver-<lb/> wendet hat. Wir werden sehen, dass solche Theile schon in den<lb/> ältesten Denkmälern der egyptischen Kunst mehrfach bis zur Unkennt-<lb/> lichkeit stilisirt gewesen sind; trotz ihrer Verwendung in gegenständ-<lb/> lichem Sinne trugen sie somit bereits damals in sich den sicheren Keim<lb/> späterer ornamentaler Bedeutung und Fortbildung.</p><lb/> <p>Der künstlerisch wichtigste, weil vollendetste Theil eines Pflanzen-<lb/> gebildes ist die <hi rendition="#i">Blüthe</hi> mit ihrer farbenprächtigen Krone, die sich in<lb/> der Regel aus dem Kelche strahlenförmig entwickelt. Die Vorstufe zur<lb/> Blüthe bildet die in der Regel spitz zulaufende und darum zur Bekrö-<lb/> nung geeignete <hi rendition="#i">Knospe</hi>; der dritte wichtige Theil ist das <hi rendition="#i">Blatt</hi>. Die<lb/><hi rendition="#i">Frucht</hi> tritt dagegen im ältesten Symbolismus und daher auch in der<lb/> ältesten Ornamentik merklich zurück; die nächstliegende Erklärung für<lb/> diese bemerkenswerthe Thatsache mag zum Theil vielleicht darin zu<lb/> suchen sein, dass die Frucht wegen ihrer wenig gegliederten, oft<lb/> asymmetrischen Form sich der künstlerischen Nachbildung nicht sonder-<lb/> lich empfahl.</p><lb/> <p>Ein sehr wichtiges Element in der Pflanzendarstellung, insbesondere<lb/> mit Rücksicht auf die spätere ornamentale Entwicklung, ist endlich der<lb/><hi rendition="#i">Stiel</hi>. Durch den Stiel wird es nämlich erst möglich die einzelnen<lb/> Blüthen, Knospen und Blätter untereinander in Verbindung zu setzen;<lb/> diese Verbindung ist aber hinwiederum die Vorbedingung für eine<lb/> zusammenhängende Ausfüllung sei es bandartiger Streifen, sei es decken-<lb/> artiger Flächenfelder mit vegetabilischen Motiven. Der Stiel tritt uns<lb/> nun in der altegyptischen Kunst überwiegend nicht als ein der Wirklich-<lb/> keit nachgezeichnetes Gebilde, sondern als ein lineares, geometrisches<lb/> Element entgegen. Dadurch war er von vornherein befähigt, alle die<lb/> geschwungenen und gerollten Formen anzunehmen, die den rein geo-<lb/> metrischen, aus Curven gebildeten Configurationen zu Grunde liegen.<lb/> Hiernach erscheint der Stiel als ein ganz besonders wichtiger Faktor<lb/> für die zunehmend ornamentale Ausgestaltung der ursprünglich gegen-<lb/> ständlich-symbolischen Pflanzenmotive. So werden wir frühzeitig in<lb/> der altegyptischen Kunst Verbindungen von Blüthen und Blättern<lb/> mittels der Stiele beobachten können, wie sie in der Natur an den<lb/> betreffenden Pflanzen keineswegs vorkommen, und nur als eine Ver-<lb/> quickung geometrischer Kunstformen mit vegetabilisch-gegenständlichen<lb/> aufgefasst werden können.</p><lb/> <p>Unsere Aufgabe wird es also sein innerhalb eines jeden Stiles den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0072]
Die Anfänge des Pflanzenornaments etc.
Strauch, oder selbst als niedriges Zierblumengewächs, sondern vielmehr
deren einzelne Theile, Blüthe oder Blatt, die man zu Symbolen ver-
wendet hat. Wir werden sehen, dass solche Theile schon in den
ältesten Denkmälern der egyptischen Kunst mehrfach bis zur Unkennt-
lichkeit stilisirt gewesen sind; trotz ihrer Verwendung in gegenständ-
lichem Sinne trugen sie somit bereits damals in sich den sicheren Keim
späterer ornamentaler Bedeutung und Fortbildung.
Der künstlerisch wichtigste, weil vollendetste Theil eines Pflanzen-
gebildes ist die Blüthe mit ihrer farbenprächtigen Krone, die sich in
der Regel aus dem Kelche strahlenförmig entwickelt. Die Vorstufe zur
Blüthe bildet die in der Regel spitz zulaufende und darum zur Bekrö-
nung geeignete Knospe; der dritte wichtige Theil ist das Blatt. Die
Frucht tritt dagegen im ältesten Symbolismus und daher auch in der
ältesten Ornamentik merklich zurück; die nächstliegende Erklärung für
diese bemerkenswerthe Thatsache mag zum Theil vielleicht darin zu
suchen sein, dass die Frucht wegen ihrer wenig gegliederten, oft
asymmetrischen Form sich der künstlerischen Nachbildung nicht sonder-
lich empfahl.
Ein sehr wichtiges Element in der Pflanzendarstellung, insbesondere
mit Rücksicht auf die spätere ornamentale Entwicklung, ist endlich der
Stiel. Durch den Stiel wird es nämlich erst möglich die einzelnen
Blüthen, Knospen und Blätter untereinander in Verbindung zu setzen;
diese Verbindung ist aber hinwiederum die Vorbedingung für eine
zusammenhängende Ausfüllung sei es bandartiger Streifen, sei es decken-
artiger Flächenfelder mit vegetabilischen Motiven. Der Stiel tritt uns
nun in der altegyptischen Kunst überwiegend nicht als ein der Wirklich-
keit nachgezeichnetes Gebilde, sondern als ein lineares, geometrisches
Element entgegen. Dadurch war er von vornherein befähigt, alle die
geschwungenen und gerollten Formen anzunehmen, die den rein geo-
metrischen, aus Curven gebildeten Configurationen zu Grunde liegen.
Hiernach erscheint der Stiel als ein ganz besonders wichtiger Faktor
für die zunehmend ornamentale Ausgestaltung der ursprünglich gegen-
ständlich-symbolischen Pflanzenmotive. So werden wir frühzeitig in
der altegyptischen Kunst Verbindungen von Blüthen und Blättern
mittels der Stiele beobachten können, wie sie in der Natur an den
betreffenden Pflanzen keineswegs vorkommen, und nur als eine Ver-
quickung geometrischer Kunstformen mit vegetabilisch-gegenständlichen
aufgefasst werden können.
Unsere Aufgabe wird es also sein innerhalb eines jeden Stiles den
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