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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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1. Egyptisches.

Es obliegt uns nunmehr die Art und Weise festzustellen, in welcher
die erörterten pflanzlichen Einzelmotive unter einander in Ver-
bindung gebracht
worden sind, sobald die Aufgabe herantrat, mit
denselben, sei es bandartige Streifen, sei es grössere Flächen zu verzieren.
Ueberaus häufig begegnet da die Verbindungslosigkeit, die einfache
Nebeneinanderreihung wobei das künstlerische Motiv in der Alternirung
von Blüthen und Knospen (Fig. 11), grossen ausladenden Fächern und
kleinen spitz zulaufenden Zwischengliedern gelegen war. Solchermaassen
gereihte Lotusblüthen und Knospen (oder Palmetten) eigneten sich wohl
zur Verzierung eines fortlaufenden Bandes, etwa eines Gesimses, eines
Frieses, einer Bordüre, minder dagegen zur Musterung einer grösseren
Fläche, was schon durch die einseitige Richtung der Einzelmotive er-
schwert wurde. Dagegen liess sich die Auskunft finden, dass man zwei

[Abbildung] Fig. 21.

Bordüre mit gegenübergestellten Reihen von Palmetten und Profil-Lotusblüthen.

solche Reihungen einander gegenüberstellte, so dass die eine Reihe
in die Zwischenräume der anderen gegenüberstehenden zahnartig ein-
griff. Die einseitige Richtung wurde dadurch paralysirt, und man
konnte durch beliebige Wiederholung des Streifens eine beliebig grosse
Fläche verzieren, ohne nach einer Richtung hin zu verstossen (Fig. 21).
Im Grunde genommen kam man aber auch damit über eine blosse
Streifenmusterung nicht hinaus.

Bei der einfachen verbindungslosen Reihung ist nun die Kunst des
Neuen Reiches von Egypten nicht stehen geblieben: sie hat auch die
einzelnen Pflanzenmotive unter einander durch Bogenlinien verbunden.
Betrachten wir den Bordürestreifen Fig. 2230a). Wir sehen da Lotus-
blüthen abwechselnd einmal mit Lotusknospen, das anderemal mit pal-
mettenfächerartigen Varianten des Lotusprofils, wie sie die frei und

30a) Nach Prisse a. a. O. Couronnements et frises fleuronnees No. 6.
5*
1. Egyptisches.

Es obliegt uns nunmehr die Art und Weise festzustellen, in welcher
die erörterten pflanzlichen Einzelmotive unter einander in Ver-
bindung gebracht
worden sind, sobald die Aufgabe herantrat, mit
denselben, sei es bandartige Streifen, sei es grössere Flächen zu verzieren.
Ueberaus häufig begegnet da die Verbindungslosigkeit, die einfache
Nebeneinanderreihung wobei das künstlerische Motiv in der Alternirung
von Blüthen und Knospen (Fig. 11), grossen ausladenden Fächern und
kleinen spitz zulaufenden Zwischengliedern gelegen war. Solchermaassen
gereihte Lotusblüthen und Knospen (oder Palmetten) eigneten sich wohl
zur Verzierung eines fortlaufenden Bandes, etwa eines Gesimses, eines
Frieses, einer Bordüre, minder dagegen zur Musterung einer grösseren
Fläche, was schon durch die einseitige Richtung der Einzelmotive er-
schwert wurde. Dagegen liess sich die Auskunft finden, dass man zwei

[Abbildung] Fig. 21.

Bordüre mit gegenübergestellten Reihen von Palmetten und Profil-Lotusblüthen.

solche Reihungen einander gegenüberstellte, so dass die eine Reihe
in die Zwischenräume der anderen gegenüberstehenden zahnartig ein-
griff. Die einseitige Richtung wurde dadurch paralysirt, und man
konnte durch beliebige Wiederholung des Streifens eine beliebig grosse
Fläche verzieren, ohne nach einer Richtung hin zu verstossen (Fig. 21).
Im Grunde genommen kam man aber auch damit über eine blosse
Streifenmusterung nicht hinaus.

Bei der einfachen verbindungslosen Reihung ist nun die Kunst des
Neuen Reiches von Egypten nicht stehen geblieben: sie hat auch die
einzelnen Pflanzenmotive unter einander durch Bogenlinien verbunden.
Betrachten wir den Bordürestreifen Fig. 2230a). Wir sehen da Lotus-
blüthen abwechselnd einmal mit Lotusknospen, das anderemal mit pal-
mettenfächerartigen Varianten des Lotusprofils, wie sie die frei und

30a) Nach Prisse a. a. O. Couronnements et frises fleuronnées No. 6.
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[67/0093] 1. Egyptisches. Es obliegt uns nunmehr die Art und Weise festzustellen, in welcher die erörterten pflanzlichen Einzelmotive unter einander in Ver- bindung gebracht worden sind, sobald die Aufgabe herantrat, mit denselben, sei es bandartige Streifen, sei es grössere Flächen zu verzieren. Ueberaus häufig begegnet da die Verbindungslosigkeit, die einfache Nebeneinanderreihung wobei das künstlerische Motiv in der Alternirung von Blüthen und Knospen (Fig. 11), grossen ausladenden Fächern und kleinen spitz zulaufenden Zwischengliedern gelegen war. Solchermaassen gereihte Lotusblüthen und Knospen (oder Palmetten) eigneten sich wohl zur Verzierung eines fortlaufenden Bandes, etwa eines Gesimses, eines Frieses, einer Bordüre, minder dagegen zur Musterung einer grösseren Fläche, was schon durch die einseitige Richtung der Einzelmotive er- schwert wurde. Dagegen liess sich die Auskunft finden, dass man zwei [Abbildung Fig. 21. Bordüre mit gegenübergestellten Reihen von Palmetten und Profil-Lotusblüthen.] solche Reihungen einander gegenüberstellte, so dass die eine Reihe in die Zwischenräume der anderen gegenüberstehenden zahnartig ein- griff. Die einseitige Richtung wurde dadurch paralysirt, und man konnte durch beliebige Wiederholung des Streifens eine beliebig grosse Fläche verzieren, ohne nach einer Richtung hin zu verstossen (Fig. 21). Im Grunde genommen kam man aber auch damit über eine blosse Streifenmusterung nicht hinaus. Bei der einfachen verbindungslosen Reihung ist nun die Kunst des Neuen Reiches von Egypten nicht stehen geblieben: sie hat auch die einzelnen Pflanzenmotive unter einander durch Bogenlinien verbunden. Betrachten wir den Bordürestreifen Fig. 22 30a). Wir sehen da Lotus- blüthen abwechselnd einmal mit Lotusknospen, das anderemal mit pal- mettenfächerartigen Varianten des Lotusprofils, wie sie die frei und 30a) Nach Prisse a. a. O. Couronnements et frises fleuronnées No. 6. 5*

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/93>, abgerufen am 23.11.2024.