Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150.B. RIEMANN, namentlich für die Behandlung der mehrwerthigen analytischen Functionenein Bedürfniss geworden, und der Mangel derselben ist wohl eine Haupt- ursache, dass der berühmte Abel'sche Satz und die Leistungen von La- grange, Pfaff, Jacobi für die allgemeine Theorie der Differentialglei- chungen so lange unfruchtbar geblieben sind. Für den gegenwärtigen Zweck genügt es, aus diesem allgemeinen Theile der Lehre von den aus- gedehnten Grössen, wo weiter nichts vorausgesetzt wird, als was in dem Begriffe derselben schon enthalten ist, zwei Punkte hervorzuheben, wovon der erste die Erzeugung des Begriffs einer mehrfach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit, der zweite die Zurückführung der Ortsbestimmungen in einer gegebenen Mannigfaltigkeit auf Quantitätsbestimmungen betrifft und das wesentliche Kennzeichen einer nfachen Ausdehnung deutlich machen wird. §. 2. Geht man bei einem Begriffe, dessen Bestimmungsweisen eine ste- B. RIEMANN, namentlich für die Behandlung der mehrwerthigen analytischen Functionenein Bedürfniss geworden, und der Mangel derselben ist wohl eine Haupt- ursache, dass der berühmte Abel’sche Satz und die Leistungen von La- grange, Pfaff, Jacobi für die allgemeine Theorie der Differentialglei- chungen so lange unfruchtbar geblieben sind. Für den gegenwärtigen Zweck genügt es, aus diesem allgemeinen Theile der Lehre von den aus- gedehnten Grössen, wo weiter nichts vorausgesetzt wird, als was in dem Begriffe derselben schon enthalten ist, zwei Punkte hervorzuheben, wovon der erste die Erzeugung des Begriffs einer mehrfach ausgedehnten Man- nigfaltigkeit, der zweite die Zurückführung der Ortsbestimmungen in einer gegebenen Mannigfaltigkeit auf Quantitätsbestimmungen betrifft und das wesentliche Kennzeichen einer nfachen Ausdehnung deutlich machen wird. §. 2. Geht man bei einem Begriffe, dessen Bestimmungsweisen eine ste- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="136"/><fw place="top" type="header">B. <hi rendition="#g">RIEMANN,</hi></fw><lb/> namentlich für die Behandlung der mehrwerthigen analytischen Functionen<lb/> ein Bedürfniss geworden, und der Mangel derselben ist wohl eine Haupt-<lb/> ursache, dass der berühmte <hi rendition="#g">Abel</hi>’sche Satz und die Leistungen von <hi rendition="#g">La-<lb/> grange, Pfaff, Jacobi</hi> für die allgemeine Theorie der Differentialglei-<lb/> chungen so lange unfruchtbar geblieben sind. Für den gegenwärtigen<lb/> Zweck genügt es, aus diesem allgemeinen Theile der Lehre von den aus-<lb/> gedehnten Grössen, wo weiter nichts vorausgesetzt wird, als was in dem<lb/> Begriffe derselben schon enthalten ist, zwei Punkte hervorzuheben, wovon<lb/> der erste die Erzeugung des Begriffs einer mehrfach ausgedehnten Man-<lb/> nigfaltigkeit, der zweite die Zurückführung der Ortsbestimmungen in einer<lb/> gegebenen Mannigfaltigkeit auf Quantitätsbestimmungen betrifft und das<lb/> wesentliche Kennzeichen einer <hi rendition="#i">n</hi>fachen Ausdehnung deutlich machen wird.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 2.</head><lb/> <p>Geht man bei einem Begriffe, dessen Bestimmungsweisen eine ste-<lb/> tige Mannigfaltigkeit bilden, von einer Bestimmungsweise auf eine be-<lb/> stimmte Art zu einer andern über, so bilden die durchlaufenen Bestim-<lb/> mungsweisen eine einfach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, deren wesent-<lb/> liches Kennzeichen ist, dass in ihr von einem Punkte nur nach zwei<lb/> Seiten, vorwärts oder rückwärts, ein stetiger Fortgang möglich ist. Denkt<lb/> man sich nun, dass diese Mannigfaltigkeit wieder in eine andere, völlig<lb/> verschiedene, übergeht, und zwar wieder auf bestimmte Art, d. h. so,<lb/> dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der andern übergeht, so bil-<lb/> den sämmtliche so erhaltene Bestimmungsweisen eine zweifach ausgedehnte<lb/> Mannigfaltigkeit. In ähnlicher Weise erhält man eine dreifach ausge-<lb/> dehnte Mannigfaltigkeit, wenn man sich vorstellt, dass eine zweifach aus-<lb/> gedehnte in eine völlig verschiedene auf bestimmte Art übergeht, und es<lb/> ist leicht zu sehen, wie man diese Construction fortsetzen kann. Wenn<lb/> man, anstatt den Begriff als bestimmbar, seinen Gegenstand als verän-<lb/> derlich betrachtet, so kann diese Construction bezeichnet werden als eine<lb/> Zusammensetzung einer Veränderlichkeit von <hi rendition="#i">n</hi> + 1 Dimensionen aus<lb/> einer Veränderlichkeit von <hi rendition="#i">n</hi> Dimensionen und aus einer Veränderlichkeit<lb/> von einer Dimension.</p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0011]
B. RIEMANN,
namentlich für die Behandlung der mehrwerthigen analytischen Functionen
ein Bedürfniss geworden, und der Mangel derselben ist wohl eine Haupt-
ursache, dass der berühmte Abel’sche Satz und die Leistungen von La-
grange, Pfaff, Jacobi für die allgemeine Theorie der Differentialglei-
chungen so lange unfruchtbar geblieben sind. Für den gegenwärtigen
Zweck genügt es, aus diesem allgemeinen Theile der Lehre von den aus-
gedehnten Grössen, wo weiter nichts vorausgesetzt wird, als was in dem
Begriffe derselben schon enthalten ist, zwei Punkte hervorzuheben, wovon
der erste die Erzeugung des Begriffs einer mehrfach ausgedehnten Man-
nigfaltigkeit, der zweite die Zurückführung der Ortsbestimmungen in einer
gegebenen Mannigfaltigkeit auf Quantitätsbestimmungen betrifft und das
wesentliche Kennzeichen einer nfachen Ausdehnung deutlich machen wird.
§. 2.
Geht man bei einem Begriffe, dessen Bestimmungsweisen eine ste-
tige Mannigfaltigkeit bilden, von einer Bestimmungsweise auf eine be-
stimmte Art zu einer andern über, so bilden die durchlaufenen Bestim-
mungsweisen eine einfach ausgedehnte Mannigfaltigkeit, deren wesent-
liches Kennzeichen ist, dass in ihr von einem Punkte nur nach zwei
Seiten, vorwärts oder rückwärts, ein stetiger Fortgang möglich ist. Denkt
man sich nun, dass diese Mannigfaltigkeit wieder in eine andere, völlig
verschiedene, übergeht, und zwar wieder auf bestimmte Art, d. h. so,
dass jeder Punkt in einen bestimmten Punkt der andern übergeht, so bil-
den sämmtliche so erhaltene Bestimmungsweisen eine zweifach ausgedehnte
Mannigfaltigkeit. In ähnlicher Weise erhält man eine dreifach ausge-
dehnte Mannigfaltigkeit, wenn man sich vorstellt, dass eine zweifach aus-
gedehnte in eine völlig verschiedene auf bestimmte Art übergeht, und es
ist leicht zu sehen, wie man diese Construction fortsetzen kann. Wenn
man, anstatt den Begriff als bestimmbar, seinen Gegenstand als verän-
derlich betrachtet, so kann diese Construction bezeichnet werden als eine
Zusammensetzung einer Veränderlichkeit von n + 1 Dimensionen aus
einer Veränderlichkeit von n Dimensionen und aus einer Veränderlichkeit
von einer Dimension.
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