Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150.

Bild:
<< vorherige Seite
Ueber
die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.

Von
B. Riemann.


Aus dem Nachlass des Verfassers mitgetheilt durch R. Dedekind1).


Plan der Untersuchung.

Bekanntlich setzt die Geometrie sowohl den Begriff des Raumes, als
die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Raume als etwas
Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen, wäh-
rend die wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen auftreten.
Das Verhältniss dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man
sieht weder ein, ob und in wie weit ihre Verbindung nothwendig, noch
a priori, ob sie möglich ist.

Diese Dunkelheit wurde auch von Euklid bis auf Legendre,
um den berühmtesten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen,
weder von den Mathematikern, noch von den Philosophen, welche sich
damit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin,
dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen, unter wel-
chem die Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb. Ich
habe mir daher zunächst die Aufgabe gestellt, den Begriff einer mehrfach
ausgedehnten Grösse aus allgemeinen Grössenbegriffen zu construiren.
Es wird daraus hervorgehen, dass eine mehrfach ausgedehnte Grösse ver-

1) Diese Abhandlung ist am 10. Juni 1854 von dem Verfasser bei dem zum
Zweck seiner Habilitation veranstalteten Colloquium mit der philosophischen Facultät
zu Göttingen vorgelesen worden. Hieraus erklärt sich die Form der Darstellung,
in welcher die analytischen Untersuchungen nur angedeutet werden konnten; in
einem besonderen Aufsatze gedenke ich demnächst auf dieselben zurückzukommen.
Braunschweig, im Juli 1867. R. Dedekind.
Ueber
die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.

Von
B. Riemann.


Aus dem Nachlass des Verfassers mitgetheilt durch R. Dedekind1).


Plan der Untersuchung.

Bekanntlich setzt die Geometrie sowohl den Begriff des Raumes, als
die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Raume als etwas
Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen, wäh-
rend die wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen auftreten.
Das Verhältniss dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man
sieht weder ein, ob und in wie weit ihre Verbindung nothwendig, noch
a priori, ob sie möglich ist.

Diese Dunkelheit wurde auch von Euklid bis auf Legendre,
um den berühmtesten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen,
weder von den Mathematikern, noch von den Philosophen, welche sich
damit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin,
dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen, unter wel-
chem die Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb. Ich
habe mir daher zunächst die Aufgabe gestellt, den Begriff einer mehrfach
ausgedehnten Grösse aus allgemeinen Grössenbegriffen zu construiren.
Es wird daraus hervorgehen, dass eine mehrfach ausgedehnte Grösse ver-

1) Diese Abhandlung ist am 10. Juni 1854 von dem Verfasser bei dem zum
Zweck seiner Habilitation veranstalteten Colloquium mit der philosophischen Facultät
zu Göttingen vorgelesen worden. Hieraus erklärt sich die Form der Darstellung,
in welcher die analytischen Untersuchungen nur angedeutet werden konnten; in
einem besonderen Aufsatze gedenke ich demnächst auf dieselben zurückzukommen.
Braunschweig, im Juli 1867. R. Dedekind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0008" n="[133]"/>
      <div n="1">
        <head>Ueber<lb/><hi rendition="#b">die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen.</hi></head><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">Von<lb/>
B. <hi rendition="#g">Riemann</hi>.</hi> </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p> <hi rendition="#c">Aus dem Nachlass des Verfassers mitgetheilt durch R. <hi rendition="#g">Dedekind</hi><note place="foot" n="1)">Diese Abhandlung ist am 10. Juni 1854 von dem Verfasser bei dem zum<lb/>
Zweck seiner Habilitation veranstalteten Colloquium mit der philosophischen Facultät<lb/>
zu Göttingen vorgelesen worden. Hieraus erklärt sich die Form der Darstellung,<lb/>
in welcher die analytischen Untersuchungen nur angedeutet werden konnten; in<lb/>
einem besonderen Aufsatze gedenke ich demnächst auf dieselben zurückzukommen.<lb/>
Braunschweig, im Juli 1867. R. <hi rendition="#g">Dedekind</hi>.</note>.</hi> </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Plan der Untersuchung</hi>.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">B</hi>ekanntlich setzt die Geometrie sowohl den Begriff des Raumes, als<lb/>
die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Raume als etwas<lb/>
Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen, wäh-<lb/>
rend die wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen auftreten.<lb/>
Das Verhältniss dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man<lb/>
sieht weder ein, ob und in wie weit ihre Verbindung nothwendig, noch<lb/>
a priori, ob sie möglich ist.</p><lb/>
          <p>Diese Dunkelheit wurde auch von <hi rendition="#g">Euklid</hi> bis auf <hi rendition="#g">Legendre,</hi><lb/>
um den berühmtesten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen,<lb/>
weder von den Mathematikern, noch von den Philosophen, welche sich<lb/>
damit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin,<lb/>
dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen, unter wel-<lb/>
chem die Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb. Ich<lb/>
habe mir daher zunächst die Aufgabe gestellt, den Begriff einer mehrfach<lb/>
ausgedehnten Grösse aus allgemeinen Grössenbegriffen zu construiren.<lb/>
Es wird daraus hervorgehen, dass eine mehrfach ausgedehnte Grösse ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[133]/0008] Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. Von B. Riemann. Aus dem Nachlass des Verfassers mitgetheilt durch R. Dedekind 1). Plan der Untersuchung. Bekanntlich setzt die Geometrie sowohl den Begriff des Raumes, als die ersten Grundbegriffe für die Constructionen im Raume als etwas Gegebenes voraus. Sie giebt von ihnen nur Nominaldefinitionen, wäh- rend die wesentlichen Bestimmungen in Form von Axiomen auftreten. Das Verhältniss dieser Voraussetzungen bleibt dabei im Dunkeln; man sieht weder ein, ob und in wie weit ihre Verbindung nothwendig, noch a priori, ob sie möglich ist. Diese Dunkelheit wurde auch von Euklid bis auf Legendre, um den berühmtesten neueren Bearbeiter der Geometrie zu nennen, weder von den Mathematikern, noch von den Philosophen, welche sich damit beschäftigten, gehoben. Es hatte dies seinen Grund wohl darin, dass der allgemeine Begriff mehrfach ausgedehnter Grössen, unter wel- chem die Raumgrössen enthalten sind, ganz unbearbeitet blieb. Ich habe mir daher zunächst die Aufgabe gestellt, den Begriff einer mehrfach ausgedehnten Grösse aus allgemeinen Grössenbegriffen zu construiren. Es wird daraus hervorgehen, dass eine mehrfach ausgedehnte Grösse ver- 1) Diese Abhandlung ist am 10. Juni 1854 von dem Verfasser bei dem zum Zweck seiner Habilitation veranstalteten Colloquium mit der philosophischen Facultät zu Göttingen vorgelesen worden. Hieraus erklärt sich die Form der Darstellung, in welcher die analytischen Untersuchungen nur angedeutet werden konnten; in einem besonderen Aufsatze gedenke ich demnächst auf dieselben zurückzukommen. Braunschweig, im Juli 1867. R. Dedekind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/riemann_hypothesen_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/riemann_hypothesen_1867/8
Zitationshilfe: Riemann, Bernhard: Ueber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen. In: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 13 (1868), S. 133-150, hier S. [133]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riemann_hypothesen_1867/8>, abgerufen am 21.11.2024.