Schüsse kann dienen, um eine Schwierigkeit aufzulösen, wodurch verschiedene Autores, welche über die gemeine Lehre der Artillerie geschrieben haben, sind veranlasset worden, auf eine ganz ausserordentliche und ungereimte Meynung zu verfallen. Diese Schwierigkeit, wovon ich rede, bestehet in dem sogenannten Kernschuß, oder der Weite, durch welche die Kugel sich nach einer geraden Linie, wie man sich die Sache vorzustellen pflegt, bewe- gen soll. Unser Anderson hatte durch viele Versuche befunden, daß die Bahn der Kugeln und Bomben im ersten Anfang ihrer Bewe- gung nicht so viel gekrümmet war, als dieselbe nach den Grundsätzen des Galilaei, wenn man mit denselben die Weite des Schusses in Ver- gleichung ziehet, hätte seyn sollen. Um nun diesen Umstand nach seiner Theorie zu erklä- ren, so hat er geglaubt, daß bey einem jeglichen Schusse die Kugel durch eine gewisse Weite von der Mündung des Stücks in einer geraden Linie fortgehe, und daß die Kraft der Schwehre auf dieselbe inzwischen keine Würkung habe. Durch dieses Mittel dachte er die Lehre von der parabolischen Bewegung zu retten, und stimm- te zugleich der gemeinen Meynung, welche die practischen Scribenten überhaupt hierüber gegeben, bey. Wenn man aber gleich diese Beobachtung auf keine bessere Art erklären könnte, so würde doch, verhoffentlich nicht nö-
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Eulers erläuterteArtillerie. M m
Schuͤſſe kann dienen, um eine Schwierigkeit aufzuloͤſen, wodurch verſchiedene Autores, welche uͤber die gemeine Lehre der Artillerie geſchrieben haben, ſind veranlaſſet worden, auf eine ganz auſſerordentliche und ungereimte Meynung zu verfallen. Dieſe Schwierigkeit, wovon ich rede, beſtehet in dem ſogenannten Kernſchuß, oder der Weite, durch welche die Kugel ſich nach einer geraden Linie, wie man ſich die Sache vorzuſtellen pflegt, bewe- gen ſoll. Unſer Anderſon hatte durch viele Verſuche befunden, daß die Bahn der Kugeln und Bomben im erſten Anfang ihrer Bewe- gung nicht ſo viel gekruͤmmet war, als dieſelbe nach den Grundſaͤtzen des Galilæi, wenn man mit denſelben die Weite des Schuſſes in Ver- gleichung ziehet, haͤtte ſeyn ſollen. Um nun dieſen Umſtand nach ſeiner Theorie zu erklaͤ- ren, ſo hat er geglaubt, daß bey einem jeglichen Schuſſe die Kugel durch eine gewiſſe Weite von der Muͤndung des Stuͤcks in einer geraden Linie fortgehe, und daß die Kraft der Schwehre auf dieſelbe inzwiſchen keine Wuͤrkung habe. Durch dieſes Mittel dachte er die Lehre von der paraboliſchen Bewegung zu retten, und ſtimm- te zugleich der gemeinen Meynung, welche die practiſchen Scribenten uͤberhaupt hieruͤber gegeben, bey. Wenn man aber gleich dieſe Beobachtung auf keine beſſere Art erklaͤren koͤnnte, ſo wuͤrde doch, verhoffentlich nicht noͤ-
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Eulers erlaͤuterteArtillerie. M m
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Schuͤſſe kann dienen, um eine Schwierigkeit
aufzuloͤſen, wodurch verſchiedene Autores,
welche uͤber die gemeine Lehre der Artillerie
geſchrieben haben, ſind veranlaſſet worden, auf
eine ganz auſſerordentliche und ungereimte
Meynung zu verfallen. Dieſe Schwierigkeit,
wovon ich rede, beſtehet in dem ſogenannten
Kernſchuß, oder der Weite, durch welche
die Kugel ſich nach einer geraden Linie,
wie man ſich die Sache vorzuſtellen pflegt, bewe-
gen ſoll. Unſer Anderſon hatte durch viele
Verſuche befunden, daß die Bahn der Kugeln
und Bomben im erſten Anfang ihrer Bewe-
gung nicht ſo viel gekruͤmmet war, als dieſelbe
nach den Grundſaͤtzen des Galilæi, wenn man
mit denſelben die Weite des Schuſſes in Ver-
gleichung ziehet, haͤtte ſeyn ſollen. Um nun
dieſen Umſtand nach ſeiner Theorie zu erklaͤ-
ren, ſo hat er geglaubt, daß bey einem jeglichen
Schuſſe die Kugel durch eine gewiſſe Weite
von der Muͤndung des Stuͤcks in einer geraden
Linie fortgehe, und daß die Kraft der Schwehre
auf dieſelbe inzwiſchen keine Wuͤrkung habe.
Durch dieſes Mittel dachte er die Lehre von der
paraboliſchen Bewegung zu retten, und ſtimm-
te zugleich der gemeinen Meynung, welche die
practiſchen Scribenten uͤberhaupt hieruͤber
gegeben, bey. Wenn man aber gleich dieſe
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Robins, Benjamin: Neue Grundsätze der Artillerie. Übers. v. Leonhard Euler. Berlin, 1745, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robins_artillerie_1745/565>, abgerufen am 24.11.2024.
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