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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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Je mehr Aehnlichkeit das Bild mit dem
Abgebildeten hat, je besser ist das Bild.

Dieses Bild von dem Hahn, geliebte Kin-
der! war mit Farben gemahlt, und also war
es ein Bild für die Augen. Aber, wenn ich
euch diesen Hahn mit Worten beschreibe, daß
ihr die Aehnlichkeit meiner Beschreibung mit
dem wirklichen Hahne findet; so ist dieß ein
Bild für die Ohren, oder ein Bild in der
Rede.

Lieben Kinder! unsere Sprache ist voller
Beschreibungen und Bilder. Wer gut be-
schreibt, den versteht ein jeder leicht.

Nicht alles, was man für gut und nütz-
lich ansieht und hält, ist darum immer würk-
lich gut. -- Itzt, und wenn ihr größer wer-
det, so wirds oft geschehen, daß euch Dinge
vorkommen, die euch gut scheinen, aber euch
doch nicht gut sind.

Z. E. Manches Kind kann denken: Heute
ist schön Wetter, wenn du doch die Stunde
spielen könntest, anstatt in die Schule zu gehen,
das wäre gut für dich. --

Es ist ihm aber nicht gut, sondern schäd-
lich; den es gewöhnt sich zum Ungehorsam
gegen die gemachte Ordnung, und will, als
ein unwissendes Kind, schon besser wissen,
was ihm gut ist, als seine Vorgesetzten.

We

Je mehr Aehnlichkeit das Bild mit dem
Abgebildeten hat, je beſſer iſt das Bild.

Dieſes Bild von dem Hahn, geliebte Kin-
der! war mit Farben gemahlt, und alſo war
es ein Bild fuͤr die Augen. Aber, wenn ich
euch dieſen Hahn mit Worten beſchreibe, daß
ihr die Aehnlichkeit meiner Beſchreibung mit
dem wirklichen Hahne findet; ſo iſt dieß ein
Bild fuͤr die Ohren, oder ein Bild in der
Rede.

Lieben Kinder! unſere Sprache iſt voller
Beſchreibungen und Bilder. Wer gut be-
ſchreibt, den verſteht ein jeder leicht.

Nicht alles, was man fuͤr gut und nuͤtz-
lich anſieht und haͤlt, iſt darum immer wuͤrk-
lich gut. — Itzt, und wenn ihr groͤßer wer-
det, ſo wirds oft geſchehen, daß euch Dinge
vorkommen, die euch gut ſcheinen, aber euch
doch nicht gut ſind.

Z. E. Manches Kind kann denken: Heute
iſt ſchoͤn Wetter, wenn du doch die Stunde
ſpielen koͤnnteſt, anſtatt in die Schule zu gehen,
das waͤre gut fuͤr dich. —

Es iſt ihm aber nicht gut, ſondern ſchaͤd-
lich; den es gewoͤhnt ſich zum Ungehorſam
gegen die gemachte Ordnung, und will, als
ein unwiſſendes Kind, ſchon beſſer wiſſen,
was ihm gut iſt, als ſeine Vorgeſetzten.

We
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[6/0028] Je mehr Aehnlichkeit das Bild mit dem Abgebildeten hat, je beſſer iſt das Bild. Dieſes Bild von dem Hahn, geliebte Kin- der! war mit Farben gemahlt, und alſo war es ein Bild fuͤr die Augen. Aber, wenn ich euch dieſen Hahn mit Worten beſchreibe, daß ihr die Aehnlichkeit meiner Beſchreibung mit dem wirklichen Hahne findet; ſo iſt dieß ein Bild fuͤr die Ohren, oder ein Bild in der Rede. Lieben Kinder! unſere Sprache iſt voller Beſchreibungen und Bilder. Wer gut be- ſchreibt, den verſteht ein jeder leicht. Nicht alles, was man fuͤr gut und nuͤtz- lich anſieht und haͤlt, iſt darum immer wuͤrk- lich gut. — Itzt, und wenn ihr groͤßer wer- det, ſo wirds oft geſchehen, daß euch Dinge vorkommen, die euch gut ſcheinen, aber euch doch nicht gut ſind. Z. E. Manches Kind kann denken: Heute iſt ſchoͤn Wetter, wenn du doch die Stunde ſpielen koͤnnteſt, anſtatt in die Schule zu gehen, das waͤre gut fuͤr dich. — Es iſt ihm aber nicht gut, ſondern ſchaͤd- lich; den es gewoͤhnt ſich zum Ungehorſam gegen die gemachte Ordnung, und will, als ein unwiſſendes Kind, ſchon beſſer wiſſen, was ihm gut iſt, als ſeine Vorgeſetzten. We

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/28>, abgerufen am 26.04.2024.