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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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einzelnen Arbeiten nicht zu schätzen vermochte; weil man ferner fürchtete, daß die Betriebsicherheit dadurch gefährdet werden könne. Nur bei einzelnen Stations- und Abfertigungsarbeiten fand der Akkord größere Verbreitung, am meisten beim Verladen und Entladen der Stückgüter, weniger bei den Verschiebearbeiten, bei denen Prämien für besondere Leistungen vorkommen. Dagegen werden weniger wichtige Arbeiten vielfach an Unternehmer oder Bahnbedienstete verdungen. Die An- und Abfuhr der Güter wird in größeren Städten an Unternehmer (Rollfuhrunternehmer, Güterbeförderer) zu bestimmten Preisen vergeben, hauptsächlich um eine Stauung der Güter in den Schuppen zu vermeiden, die sich leicht ergibt, wenn die einzelnen Empfänger die Güter nicht sofort beziehen. Die Abfertigung und Besorgung des Gepäcks (Verwiegen, Bekleben, Verladen u. dgl. m.) wurde bestellten Unternehmern oder Bahnbediensteten verdungen. Verschiedene kleinere Arbeiten, wie das Reinigen der Diensträume, das Waschen der Handtücher werden meist verdungen, u. zw., wo es sich um umfangreiche Arbeiten handelt, an besondere Unternehmer, sonst meist an Frauen und Witwen von Bahnarbeitern. Ein Teil dieser Arbeiten ist bei den meisten Bahnverwaltungen des VDEV. verdungen; in manchen Fällen haben die Staatsbahnverwaltungen die bei den ehemaligen Privatbahnen bestandene Verdingung gewisser Arbeiten an eigene Bedienstete aufgegeben; dies geschah jedoch nicht so sehr aus wirtschaftlichen Gründen, als vielmehr deshalb, weil die besonderen sozialpolitischen Anforderungen, die an Staatsbetriebe gestellt werden, dies rätlich erscheinen ließen.

Eine umfassende Anwendung der Akkordarbeit war bei der Rheinischen Eisenbahn eingeführt, wobei man nach vielerlei Versuchen zu einem wirtschaftlich brauchbaren Systeme des A. gelangte. Im Jahre 1866 wurde nach Fenten ein Prämienakkordsystem für Wagenbewegung auf dem Zentral-Güterbahnhof Köln eingeführt. Es wurden aus den bisherigen Kosten an Maschinen (75 M. per Tag), Verschiebern, Pferden und Wagenschiebern die Kosten jeder Wagenbewegung auf 40 Pf. für den beladenen Wagen ermittelt und angenommen, daß der leere Wagen die Hälfte des beladenen koste. Jeder Wagen wurde sowohl in Ankunft als im Abgang in Anrechnung gebracht. Als zulässige Ausgabe wurde für den beladenen Wagen 36·7 Pf., für den leeren 15 Pf. bestimmt. Von dem nach Abzug der Maschinenkosten und Löhne verbleibenden Reste wurden 40% an das Personal verteilt, 10% fielen in den Reservefonds für Ausfälle, Beschädigungen u. s. w. und 50% erhielt die Eisenbahn. Der Akkord wurde 1871 eingestellt, jedoch 1874 mit anderen Sätzen wieder aufgenommen. Gleichzeitig wurden in Köln auch Ladeprämien eingeführt. Die zulässige Ausgabe wurde mit 35 Pf. für eine Tonne Stückgutbewegung festgesetzt, wobei nur die Arbeiter, nicht die Beamten (Lademeister) eingerechnet wurden. Das Ladegut wurde einmal, das Umladegut doppelt in Anrechnung gebracht. Von den nach Abzug der Arbeitslöhne sich ergebenden Beträgen wurden 40% unter das Personal verteilt. Durch die gesteigerten Löhne und veränderten Arbeiterverhältnisse stieg in wenigen Jahren der Preis für die Güterbewegung von 35 Pf. auf 90 Pf., der Gewinnanteil von 40 auf 60%. Diese Akkorde fanden auf verschiedenen Stationen Nachahmung, häufig aber mit schlechterem Erfolg, da man bei der Feststellung der Akkordpreise die örtlichen Verhältnisse nicht genügend berücksichtigte. 1869 wurde in Köln eine Wagenausnutzungsprämie für eine durchschnittlich 30% übersteigende Ausnutzung der Tragfähigkeit der Stückgutwagen eingeführt. Von 1866-1869 erwuchs der Rheinischen Eisenbahn auf dem Zentral-Güterbahnhofe ein Reingewinn von 85.791 M. An Prämien waren gezahlt 65.190 M. Die Wagenausnutzung steigerte sich in kurzer Zeit von 30 auf 50% der Tragfähigkeit. Durch die hohen Prämien stellte sich der Lohn der Güterladearbeiter dem Lohn der industriellen Arbeiter annähernd gleich. Es bildete sich ein fester geschulter Arbeiterstamm, der befähigt und gewillt war, so gut als möglich zu arbeiten und Ladefehler, Beschädigungen u. s. w. zu vermeiden.

Diesen Vorteilen stellten sich folgende Nachteile gegenüber: Neben den Akkordarbeiten wurden Arbeiten im Taglohne ausgeführt, wodurch die Kontrolle über die Verwendung der Arbeiter unmöglich wurde. Ferner waren die Beamten an den Prämien beteiligt, aber ihre Gehälter kamen nicht auf den Akkord in Anrechnung. Dies führte zu dem Streben, Arbeiter durch Beamte (Lademeister, Aufseher etc.) zu ersetzen, so daß trotz der durch Verminderung der Arbeiterzahl scheinbar sich ergebenden Minderausgabe die Arbeiten teurer wurden. Der Hauptfehler aber lag darin, daß die Akkordsätze nicht nach einer Arbeitsleistung berechnet waren, die man billigerweise zu fordern berechtigt war, sondern daß die Sätze sich nach den bisherigen Ausgaben richteten. Bei der Wagenbewegung war irrtümlich angenommen, daß die Kosten im Verhältnis zur Wagenzahl steigen und fallen. Weiter war die Verteilung des Gewinnes für die Bediensteten schwer verständlich, was zu Mißtrauen Veranlassung gab.

Für ein brauchbares Akkordwesen ergaben sich nach Fenten folgende Grundsätze:

1. Die Akkordsätze müssen den billigen Anforderungen an die Leistungen der Arbeitskräfte entsprechen. Nur über das Maß billiger Anforderungen hinausgehende Leistungen dürfen prämiiert werden. 2. Die Akkordarbeit muß den Vorteil der Eisenbahn und jenen des Publikums gleichmäßig wahren. 3. Es darf unter keinen Umständen Taglohn und Akkord nebeneinander laufen. 4. Die Aufstellung der Leistungen und die Berechnung des Gewinnanteiles muß den Bediensteten verständlich sein. 5. Die Abrechnung muß in kurzen (monatlichen) Zeiträumen geschehen, damit das Interesse an der Arbeit stets rege gehalten werde. 6. Die Verrechnung muß einfach und sicher sein.

Die Akkordsätze wurden nun in der Weise ermittelt, daß man die Zeitwerte für die verschiedenen Arbeiten den örtlichen Verhältnissen entsprechend feststellte und den örtlichen Gehalt- und Lohnverhältnissen entsprechend in Geldwerte umsetzte. Taglohnarbeit neben Akkordarbeit war vermieden. Für die Folgen der Fehler und Versäumnisse hatte die Station aufzukommen. Die Rechnungen wurden monatlich durch die Station vorgelegt und noch im Laufe des Monats die Überschüsse ausbezahlt.

Dieses Akkordsystem hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dagegen wurden hauptsächlich folgende Gründe laut:

einzelnen Arbeiten nicht zu schätzen vermochte; weil man ferner fürchtete, daß die Betriebsicherheit dadurch gefährdet werden könne. Nur bei einzelnen Stations- und Abfertigungsarbeiten fand der Akkord größere Verbreitung, am meisten beim Verladen und Entladen der Stückgüter, weniger bei den Verschiebearbeiten, bei denen Prämien für besondere Leistungen vorkommen. Dagegen werden weniger wichtige Arbeiten vielfach an Unternehmer oder Bahnbedienstete verdungen. Die An- und Abfuhr der Güter wird in größeren Städten an Unternehmer (Rollfuhrunternehmer, Güterbeförderer) zu bestimmten Preisen vergeben, hauptsächlich um eine Stauung der Güter in den Schuppen zu vermeiden, die sich leicht ergibt, wenn die einzelnen Empfänger die Güter nicht sofort beziehen. Die Abfertigung und Besorgung des Gepäcks (Verwiegen, Bekleben, Verladen u. dgl. m.) wurde bestellten Unternehmern oder Bahnbediensteten verdungen. Verschiedene kleinere Arbeiten, wie das Reinigen der Diensträume, das Waschen der Handtücher werden meist verdungen, u. zw., wo es sich um umfangreiche Arbeiten handelt, an besondere Unternehmer, sonst meist an Frauen und Witwen von Bahnarbeitern. Ein Teil dieser Arbeiten ist bei den meisten Bahnverwaltungen des VDEV. verdungen; in manchen Fällen haben die Staatsbahnverwaltungen die bei den ehemaligen Privatbahnen bestandene Verdingung gewisser Arbeiten an eigene Bedienstete aufgegeben; dies geschah jedoch nicht so sehr aus wirtschaftlichen Gründen, als vielmehr deshalb, weil die besonderen sozialpolitischen Anforderungen, die an Staatsbetriebe gestellt werden, dies rätlich erscheinen ließen.

Eine umfassende Anwendung der Akkordarbeit war bei der Rheinischen Eisenbahn eingeführt, wobei man nach vielerlei Versuchen zu einem wirtschaftlich brauchbaren Systeme des A. gelangte. Im Jahre 1866 wurde nach Fenten ein Prämienakkordsystem für Wagenbewegung auf dem Zentral-Güterbahnhof Köln eingeführt. Es wurden aus den bisherigen Kosten an Maschinen (75 M. per Tag), Verschiebern, Pferden und Wagenschiebern die Kosten jeder Wagenbewegung auf 40 Pf. für den beladenen Wagen ermittelt und angenommen, daß der leere Wagen die Hälfte des beladenen koste. Jeder Wagen wurde sowohl in Ankunft als im Abgang in Anrechnung gebracht. Als zulässige Ausgabe wurde für den beladenen Wagen 36·7 Pf., für den leeren 15 Pf. bestimmt. Von dem nach Abzug der Maschinenkosten und Löhne verbleibenden Reste wurden 40% an das Personal verteilt, 10% fielen in den Reservefonds für Ausfälle, Beschädigungen u. s. w. und 50% erhielt die Eisenbahn. Der Akkord wurde 1871 eingestellt, jedoch 1874 mit anderen Sätzen wieder aufgenommen. Gleichzeitig wurden in Köln auch Ladeprämien eingeführt. Die zulässige Ausgabe wurde mit 35 Pf. für eine Tonne Stückgutbewegung festgesetzt, wobei nur die Arbeiter, nicht die Beamten (Lademeister) eingerechnet wurden. Das Ladegut wurde einmal, das Umladegut doppelt in Anrechnung gebracht. Von den nach Abzug der Arbeitslöhne sich ergebenden Beträgen wurden 40% unter das Personal verteilt. Durch die gesteigerten Löhne und veränderten Arbeiterverhältnisse stieg in wenigen Jahren der Preis für die Güterbewegung von 35 Pf. auf 90 Pf., der Gewinnanteil von 40 auf 60%. Diese Akkorde fanden auf verschiedenen Stationen Nachahmung, häufig aber mit schlechterem Erfolg, da man bei der Feststellung der Akkordpreise die örtlichen Verhältnisse nicht genügend berücksichtigte. 1869 wurde in Köln eine Wagenausnutzungsprämie für eine durchschnittlich 30% übersteigende Ausnutzung der Tragfähigkeit der Stückgutwagen eingeführt. Von 1866–1869 erwuchs der Rheinischen Eisenbahn auf dem Zentral-Güterbahnhofe ein Reingewinn von 85.791 M. An Prämien waren gezahlt 65.190 M. Die Wagenausnutzung steigerte sich in kurzer Zeit von 30 auf 50% der Tragfähigkeit. Durch die hohen Prämien stellte sich der Lohn der Güterladearbeiter dem Lohn der industriellen Arbeiter annähernd gleich. Es bildete sich ein fester geschulter Arbeiterstamm, der befähigt und gewillt war, so gut als möglich zu arbeiten und Ladefehler, Beschädigungen u. s. w. zu vermeiden.

Diesen Vorteilen stellten sich folgende Nachteile gegenüber: Neben den Akkordarbeiten wurden Arbeiten im Taglohne ausgeführt, wodurch die Kontrolle über die Verwendung der Arbeiter unmöglich wurde. Ferner waren die Beamten an den Prämien beteiligt, aber ihre Gehälter kamen nicht auf den Akkord in Anrechnung. Dies führte zu dem Streben, Arbeiter durch Beamte (Lademeister, Aufseher etc.) zu ersetzen, so daß trotz der durch Verminderung der Arbeiterzahl scheinbar sich ergebenden Minderausgabe die Arbeiten teurer wurden. Der Hauptfehler aber lag darin, daß die Akkordsätze nicht nach einer Arbeitsleistung berechnet waren, die man billigerweise zu fordern berechtigt war, sondern daß die Sätze sich nach den bisherigen Ausgaben richteten. Bei der Wagenbewegung war irrtümlich angenommen, daß die Kosten im Verhältnis zur Wagenzahl steigen und fallen. Weiter war die Verteilung des Gewinnes für die Bediensteten schwer verständlich, was zu Mißtrauen Veranlassung gab.

Für ein brauchbares Akkordwesen ergaben sich nach Fenten folgende Grundsätze:

1. Die Akkordsätze müssen den billigen Anforderungen an die Leistungen der Arbeitskräfte entsprechen. Nur über das Maß billiger Anforderungen hinausgehende Leistungen dürfen prämiiert werden. 2. Die Akkordarbeit muß den Vorteil der Eisenbahn und jenen des Publikums gleichmäßig wahren. 3. Es darf unter keinen Umständen Taglohn und Akkord nebeneinander laufen. 4. Die Aufstellung der Leistungen und die Berechnung des Gewinnanteiles muß den Bediensteten verständlich sein. 5. Die Abrechnung muß in kurzen (monatlichen) Zeiträumen geschehen, damit das Interesse an der Arbeit stets rege gehalten werde. 6. Die Verrechnung muß einfach und sicher sein.

Die Akkordsätze wurden nun in der Weise ermittelt, daß man die Zeitwerte für die verschiedenen Arbeiten den örtlichen Verhältnissen entsprechend feststellte und den örtlichen Gehalt- und Lohnverhältnissen entsprechend in Geldwerte umsetzte. Taglohnarbeit neben Akkordarbeit war vermieden. Für die Folgen der Fehler und Versäumnisse hatte die Station aufzukommen. Die Rechnungen wurden monatlich durch die Station vorgelegt und noch im Laufe des Monats die Überschüsse ausbezahlt.

Dieses Akkordsystem hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dagegen wurden hauptsächlich folgende Gründe laut:

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[115/0123] einzelnen Arbeiten nicht zu schätzen vermochte; weil man ferner fürchtete, daß die Betriebsicherheit dadurch gefährdet werden könne. Nur bei einzelnen Stations- und Abfertigungsarbeiten fand der Akkord größere Verbreitung, am meisten beim Verladen und Entladen der Stückgüter, weniger bei den Verschiebearbeiten, bei denen Prämien für besondere Leistungen vorkommen. Dagegen werden weniger wichtige Arbeiten vielfach an Unternehmer oder Bahnbedienstete verdungen. Die An- und Abfuhr der Güter wird in größeren Städten an Unternehmer (Rollfuhrunternehmer, Güterbeförderer) zu bestimmten Preisen vergeben, hauptsächlich um eine Stauung der Güter in den Schuppen zu vermeiden, die sich leicht ergibt, wenn die einzelnen Empfänger die Güter nicht sofort beziehen. Die Abfertigung und Besorgung des Gepäcks (Verwiegen, Bekleben, Verladen u. dgl. m.) wurde bestellten Unternehmern oder Bahnbediensteten verdungen. Verschiedene kleinere Arbeiten, wie das Reinigen der Diensträume, das Waschen der Handtücher werden meist verdungen, u. zw., wo es sich um umfangreiche Arbeiten handelt, an besondere Unternehmer, sonst meist an Frauen und Witwen von Bahnarbeitern. Ein Teil dieser Arbeiten ist bei den meisten Bahnverwaltungen des VDEV. verdungen; in manchen Fällen haben die Staatsbahnverwaltungen die bei den ehemaligen Privatbahnen bestandene Verdingung gewisser Arbeiten an eigene Bedienstete aufgegeben; dies geschah jedoch nicht so sehr aus wirtschaftlichen Gründen, als vielmehr deshalb, weil die besonderen sozialpolitischen Anforderungen, die an Staatsbetriebe gestellt werden, dies rätlich erscheinen ließen. Eine umfassende Anwendung der Akkordarbeit war bei der Rheinischen Eisenbahn eingeführt, wobei man nach vielerlei Versuchen zu einem wirtschaftlich brauchbaren Systeme des A. gelangte. Im Jahre 1866 wurde nach Fenten ein Prämienakkordsystem für Wagenbewegung auf dem Zentral-Güterbahnhof Köln eingeführt. Es wurden aus den bisherigen Kosten an Maschinen (75 M. per Tag), Verschiebern, Pferden und Wagenschiebern die Kosten jeder Wagenbewegung auf 40 Pf. für den beladenen Wagen ermittelt und angenommen, daß der leere Wagen die Hälfte des beladenen koste. Jeder Wagen wurde sowohl in Ankunft als im Abgang in Anrechnung gebracht. Als zulässige Ausgabe wurde für den beladenen Wagen 36·7 Pf., für den leeren 15 Pf. bestimmt. Von dem nach Abzug der Maschinenkosten und Löhne verbleibenden Reste wurden 40% an das Personal verteilt, 10% fielen in den Reservefonds für Ausfälle, Beschädigungen u. s. w. und 50% erhielt die Eisenbahn. Der Akkord wurde 1871 eingestellt, jedoch 1874 mit anderen Sätzen wieder aufgenommen. Gleichzeitig wurden in Köln auch Ladeprämien eingeführt. Die zulässige Ausgabe wurde mit 35 Pf. für eine Tonne Stückgutbewegung festgesetzt, wobei nur die Arbeiter, nicht die Beamten (Lademeister) eingerechnet wurden. Das Ladegut wurde einmal, das Umladegut doppelt in Anrechnung gebracht. Von den nach Abzug der Arbeitslöhne sich ergebenden Beträgen wurden 40% unter das Personal verteilt. Durch die gesteigerten Löhne und veränderten Arbeiterverhältnisse stieg in wenigen Jahren der Preis für die Güterbewegung von 35 Pf. auf 90 Pf., der Gewinnanteil von 40 auf 60%. Diese Akkorde fanden auf verschiedenen Stationen Nachahmung, häufig aber mit schlechterem Erfolg, da man bei der Feststellung der Akkordpreise die örtlichen Verhältnisse nicht genügend berücksichtigte. 1869 wurde in Köln eine Wagenausnutzungsprämie für eine durchschnittlich 30% übersteigende Ausnutzung der Tragfähigkeit der Stückgutwagen eingeführt. Von 1866–1869 erwuchs der Rheinischen Eisenbahn auf dem Zentral-Güterbahnhofe ein Reingewinn von 85.791 M. An Prämien waren gezahlt 65.190 M. Die Wagenausnutzung steigerte sich in kurzer Zeit von 30 auf 50% der Tragfähigkeit. Durch die hohen Prämien stellte sich der Lohn der Güterladearbeiter dem Lohn der industriellen Arbeiter annähernd gleich. Es bildete sich ein fester geschulter Arbeiterstamm, der befähigt und gewillt war, so gut als möglich zu arbeiten und Ladefehler, Beschädigungen u. s. w. zu vermeiden. Diesen Vorteilen stellten sich folgende Nachteile gegenüber: Neben den Akkordarbeiten wurden Arbeiten im Taglohne ausgeführt, wodurch die Kontrolle über die Verwendung der Arbeiter unmöglich wurde. Ferner waren die Beamten an den Prämien beteiligt, aber ihre Gehälter kamen nicht auf den Akkord in Anrechnung. Dies führte zu dem Streben, Arbeiter durch Beamte (Lademeister, Aufseher etc.) zu ersetzen, so daß trotz der durch Verminderung der Arbeiterzahl scheinbar sich ergebenden Minderausgabe die Arbeiten teurer wurden. Der Hauptfehler aber lag darin, daß die Akkordsätze nicht nach einer Arbeitsleistung berechnet waren, die man billigerweise zu fordern berechtigt war, sondern daß die Sätze sich nach den bisherigen Ausgaben richteten. Bei der Wagenbewegung war irrtümlich angenommen, daß die Kosten im Verhältnis zur Wagenzahl steigen und fallen. Weiter war die Verteilung des Gewinnes für die Bediensteten schwer verständlich, was zu Mißtrauen Veranlassung gab. Für ein brauchbares Akkordwesen ergaben sich nach Fenten folgende Grundsätze: 1. Die Akkordsätze müssen den billigen Anforderungen an die Leistungen der Arbeitskräfte entsprechen. Nur über das Maß billiger Anforderungen hinausgehende Leistungen dürfen prämiiert werden. 2. Die Akkordarbeit muß den Vorteil der Eisenbahn und jenen des Publikums gleichmäßig wahren. 3. Es darf unter keinen Umständen Taglohn und Akkord nebeneinander laufen. 4. Die Aufstellung der Leistungen und die Berechnung des Gewinnanteiles muß den Bediensteten verständlich sein. 5. Die Abrechnung muß in kurzen (monatlichen) Zeiträumen geschehen, damit das Interesse an der Arbeit stets rege gehalten werde. 6. Die Verrechnung muß einfach und sicher sein. Die Akkordsätze wurden nun in der Weise ermittelt, daß man die Zeitwerte für die verschiedenen Arbeiten den örtlichen Verhältnissen entsprechend feststellte und den örtlichen Gehalt- und Lohnverhältnissen entsprechend in Geldwerte umsetzte. Taglohnarbeit neben Akkordarbeit war vermieden. Für die Folgen der Fehler und Versäumnisse hatte die Station aufzukommen. Die Rechnungen wurden monatlich durch die Station vorgelegt und noch im Laufe des Monats die Überschüsse ausbezahlt. Dieses Akkordsystem hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dagegen wurden hauptsächlich folgende Gründe laut:

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/123>, abgerufen am 14.08.2024.