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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912.

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Belieben der Eisenbahnen gestellt wird. Die Ausgabe der B. erfolgt daher häufig gleichzeitig mit der Ausgabe der Aktien (shares). Wenn, wie dies insbesondere bei den Überlandbahnen vorgekommen ist, B. erst nach Fertigstellung gewisser Strecken ausgegeben werden dürfen, so läßt sich die Bahn, vielfach um das Baukapital zu beschaffen, Vorschüsse auf die demnächst auszugebenden B. leisten, die später durch die B. selbst gedeckt werden. Da das Aktienkapital nur in den seltensten Fällen voll eingezahlt wurde, ja selbst die Zeichnung oft nur eine Scheinhandlung war, so wurden früher die meisten größeren Eisenbahnen der Vereinigten Staaten mit B. gebaut, und diese gewährten, da ihnen kein wirkliches Aktienkapital zur Seite stand, insbesondere bei neuen Bahnen nicht entfernt dieselbe Sicherheit wie die Prioritätsobligationen europäischer Privatbahnen; sie sind, obgleich formell Schuldverschreibungen, sachlich nicht viel anderes, als Aktien mit fester Dividende, nur stehen den Besitzern der B. die Befugnisse der Aktionäre, bei der Verwaltung der Bahnen mitzuwirken, nicht zu. Die Folge davon ist, daß die Personen, die finanziell an dem Unternehmen am wenigsten beteiligt sind, über Verwaltung und Betrieb zu bestimmen haben, und daß die eigentlichen Geldgeber von ihnen vollständig abhängig sind. Wenn es einer Bahn schlecht geht, so tragen die Aktionäre kein Bedenken, die Einstellung der Zahlungen zu veranlassen, weil sie dabei wenig oder nichts verlieren und kein Interesse daran haben, daß die Bondsbesitzer Opfer bringen müssen. Dieser Mißstand ist von den Eisenbahnaufsichtsbehörden erkannt, und auf seine Beseitigung suchen sie, zum Teil unter Mitwirkung der in gesunder Lage befindlichen Eisenbahnen, in der Weise hinzuwirken, daß neue Eisenbahnen oder solche, die zur Erweiterung ihrer Netze neue Gelder aufnehmen müssen, in größerem Umfang Aktien und wenige B. ausgeben. Dahin gehende Vorschläge werden neuerdings von der vom Präsidenten Taft im Jahre 1910 eingesetzten besonderen Untersuchungskommission (Railroad Securities Commission) in ihrem im November 1911 erstatteten Berichte gemacht. Für das gesamte Anlagekapital der Eisenbahnen zeigte sich bisher noch kein rechter Erfolg dieser Bestrebungen. Während im Jahr 1897 das Gesamtanlagekapital von 10.625,008.074 $ aus 5.364,642.255 $ Aktien und 5.270,365.819 $ Schuldverschreibungen bestand, d. h. das Verhältnis der Aktien zu den Schuldverschreibungen sich auf 50·46 zu 49·56% stellte, bestand im Jahr 1909 das Anlagekapital von 17.487,868.935 $ aus 7.686,278.545 $ Aktien und 9.801,590.390 $ Obligationen, und das Verhältnis dieser Werte stellte sich auf 43·95 zu 56·05%.

Man unterscheidet verschiedene Arten von B., hauptsächlich danach, welches Objekt für die Sicherheit der B. haftet. Zunächst Consolidated oder general mortgage bonds, division bonds und extension bonds, je nachdem das ganze Unternehmen oder eine Teilstrecke oder eine Neubaustrecke haftet. Fernerhin: Equipement bonds, auch Car trust certificates, für die das rollende Material, oder ein Teil des Materials (nur die Wagen, darunter wieder die Personenwagen oder Güterwagen oder alle Wagen) haften. Diese B. werden vielfach an die Wagenbaugesellschaften als Zahlung für die Betriebsmittel begeben. Ferner gibt es Landgrant bonds, für die die den Bahnen gehörigen Ländereien haften, Collateral trust bonds, die die Eisenbahnen ausstellen, die Werte (Aktien oder Obligationen) anderer Unternehmungen besitzen, Prior lien bonds, die den Vorzug vor allen B. besitzen und vielfach dann ausgegeben werden, wenn sich die Eisenbahnen in finanziellen Verlegenheiten befinden und sich nur dadurch Geld schaffen können, daß sie ihren neuen Gläubigern mit Zustimmung der alten Wertpapiere erteilen, die eine denkbar große Sicherheit gewähren. Weiterhin kommen vor sog. Income bonds, für die lediglich die Reineinnahmen der Bahn verpfändet werden, die also eigentlich keine Obligationen sind, sondern deren Zinsen eine Art Vorzugsdividende darstellen. Die Bemühungen der Aufsichtsbehörden, diese letzteren, höchst eigenartigen Schuldverschreibungen allmählich zu beseitigen, sind von nur geringem Erfolg gewesen. Insbesondere in Jahren finanziellen Niedergangs werden sie immer wieder vermehrt.

Man unterscheidet zuweilen First, Second u. s. w. mortgage bonds. In welchem Sicherheitsverhältnis die verschiedenen Arten und Klassen der B. stehen, ist aus den Schuldurkunden selbst festzustellen. Der bloße Name First mortgage bond besagt nicht, daß eine derartige erste Priorität den unbedingten Vorrang vor einer anderen Hypothek hat.

Die B. werden auch öfter auf eine bestimmte Zeitdauer (20, 30, 40 Jahre) ausgestellt, nach der sie zum Nennwert oder mit einem Kursaufschlag zurückgezahlt werden müssen. Ihre Zinsen und mitunter auch die Rückzahlung des Kapitals ist von der Regierung des Bundesstaats oder eines Einzelstaats, oder auch einer anderen Eisenbahngesellschaft zuweilen gewährleistet. Eine bundesstaatliche Zinsbürgschaft war beispielsweise auf 30 Jahre für die zweite Klasse der B. der beiden ältesten Überlandbahnen

Belieben der Eisenbahnen gestellt wird. Die Ausgabe der B. erfolgt daher häufig gleichzeitig mit der Ausgabe der Aktien (shares). Wenn, wie dies insbesondere bei den Überlandbahnen vorgekommen ist, B. erst nach Fertigstellung gewisser Strecken ausgegeben werden dürfen, so läßt sich die Bahn, vielfach um das Baukapital zu beschaffen, Vorschüsse auf die demnächst auszugebenden B. leisten, die später durch die B. selbst gedeckt werden. Da das Aktienkapital nur in den seltensten Fällen voll eingezahlt wurde, ja selbst die Zeichnung oft nur eine Scheinhandlung war, so wurden früher die meisten größeren Eisenbahnen der Vereinigten Staaten mit B. gebaut, und diese gewährten, da ihnen kein wirkliches Aktienkapital zur Seite stand, insbesondere bei neuen Bahnen nicht entfernt dieselbe Sicherheit wie die Prioritätsobligationen europäischer Privatbahnen; sie sind, obgleich formell Schuldverschreibungen, sachlich nicht viel anderes, als Aktien mit fester Dividende, nur stehen den Besitzern der B. die Befugnisse der Aktionäre, bei der Verwaltung der Bahnen mitzuwirken, nicht zu. Die Folge davon ist, daß die Personen, die finanziell an dem Unternehmen am wenigsten beteiligt sind, über Verwaltung und Betrieb zu bestimmen haben, und daß die eigentlichen Geldgeber von ihnen vollständig abhängig sind. Wenn es einer Bahn schlecht geht, so tragen die Aktionäre kein Bedenken, die Einstellung der Zahlungen zu veranlassen, weil sie dabei wenig oder nichts verlieren und kein Interesse daran haben, daß die Bondsbesitzer Opfer bringen müssen. Dieser Mißstand ist von den Eisenbahnaufsichtsbehörden erkannt, und auf seine Beseitigung suchen sie, zum Teil unter Mitwirkung der in gesunder Lage befindlichen Eisenbahnen, in der Weise hinzuwirken, daß neue Eisenbahnen oder solche, die zur Erweiterung ihrer Netze neue Gelder aufnehmen müssen, in größerem Umfang Aktien und wenige B. ausgeben. Dahin gehende Vorschläge werden neuerdings von der vom Präsidenten Taft im Jahre 1910 eingesetzten besonderen Untersuchungskommission (Railroad Securities Commission) in ihrem im November 1911 erstatteten Berichte gemacht. Für das gesamte Anlagekapital der Eisenbahnen zeigte sich bisher noch kein rechter Erfolg dieser Bestrebungen. Während im Jahr 1897 das Gesamtanlagekapital von 10.625,008.074 $ aus 5.364,642.255 $ Aktien und 5.270,365.819 $ Schuldverschreibungen bestand, d. h. das Verhältnis der Aktien zu den Schuldverschreibungen sich auf 50·46 zu 49·56% stellte, bestand im Jahr 1909 das Anlagekapital von 17.487,868.935 $ aus 7.686,278.545 $ Aktien und 9.801,590.390 $ Obligationen, und das Verhältnis dieser Werte stellte sich auf 43·95 zu 56·05%.

Man unterscheidet verschiedene Arten von B., hauptsächlich danach, welches Objekt für die Sicherheit der B. haftet. Zunächst Consolidated oder general mortgage bonds, division bonds und extension bonds, je nachdem das ganze Unternehmen oder eine Teilstrecke oder eine Neubaustrecke haftet. Fernerhin: Equipement bonds, auch Car trust certificates, für die das rollende Material, oder ein Teil des Materials (nur die Wagen, darunter wieder die Personenwagen oder Güterwagen oder alle Wagen) haften. Diese B. werden vielfach an die Wagenbaugesellschaften als Zahlung für die Betriebsmittel begeben. Ferner gibt es Landgrant bonds, für die die den Bahnen gehörigen Ländereien haften, Collateral trust bonds, die die Eisenbahnen ausstellen, die Werte (Aktien oder Obligationen) anderer Unternehmungen besitzen, Prior lien bonds, die den Vorzug vor allen B. besitzen und vielfach dann ausgegeben werden, wenn sich die Eisenbahnen in finanziellen Verlegenheiten befinden und sich nur dadurch Geld schaffen können, daß sie ihren neuen Gläubigern mit Zustimmung der alten Wertpapiere erteilen, die eine denkbar große Sicherheit gewähren. Weiterhin kommen vor sog. Income bonds, für die lediglich die Reineinnahmen der Bahn verpfändet werden, die also eigentlich keine Obligationen sind, sondern deren Zinsen eine Art Vorzugsdividende darstellen. Die Bemühungen der Aufsichtsbehörden, diese letzteren, höchst eigenartigen Schuldverschreibungen allmählich zu beseitigen, sind von nur geringem Erfolg gewesen. Insbesondere in Jahren finanziellen Niedergangs werden sie immer wieder vermehrt.

Man unterscheidet zuweilen First, Second u. s. w. mortgage bonds. In welchem Sicherheitsverhältnis die verschiedenen Arten und Klassen der B. stehen, ist aus den Schuldurkunden selbst festzustellen. Der bloße Name First mortgage bond besagt nicht, daß eine derartige erste Priorität den unbedingten Vorrang vor einer anderen Hypothek hat.

Die B. werden auch öfter auf eine bestimmte Zeitdauer (20, 30, 40 Jahre) ausgestellt, nach der sie zum Nennwert oder mit einem Kursaufschlag zurückgezahlt werden müssen. Ihre Zinsen und mitunter auch die Rückzahlung des Kapitals ist von der Regierung des Bundesstaats oder eines Einzelstaats, oder auch einer anderen Eisenbahngesellschaft zuweilen gewährleistet. Eine bundesstaatliche Zinsbürgschaft war beispielsweise auf 30 Jahre für die zweite Klasse der B. der beiden ältesten Überlandbahnen

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Belieben der Eisenbahnen gestellt wird. Die Ausgabe der B. erfolgt daher häufig gleichzeitig mit der Ausgabe der Aktien (shares). Wenn, wie dies insbesondere bei den Überlandbahnen vorgekommen ist, B. erst nach Fertigstellung gewisser Strecken ausgegeben werden dürfen, so läßt sich die Bahn, vielfach um das Baukapital zu beschaffen, Vorschüsse auf die demnächst auszugebenden B. leisten, die später durch die B. selbst gedeckt werden. Da das Aktienkapital nur in den seltensten Fällen voll eingezahlt wurde, ja selbst die Zeichnung oft nur eine Scheinhandlung war, so wurden früher die meisten größeren Eisenbahnen der Vereinigten Staaten mit B. gebaut, und diese gewährten, da ihnen kein wirkliches Aktienkapital zur Seite stand, insbesondere bei neuen Bahnen nicht entfernt dieselbe Sicherheit wie die Prioritätsobligationen europäischer Privatbahnen; sie sind, obgleich formell Schuldverschreibungen, sachlich nicht viel anderes, als Aktien mit fester Dividende, nur stehen den Besitzern der B. die Befugnisse der Aktionäre, bei der Verwaltung der Bahnen mitzuwirken, nicht zu. Die Folge davon ist, daß die Personen, die finanziell an dem Unternehmen am wenigsten beteiligt sind, über Verwaltung und Betrieb zu bestimmen haben, und daß die eigentlichen Geldgeber von ihnen vollständig abhängig sind. Wenn es einer Bahn schlecht geht, so tragen die Aktionäre kein Bedenken, die Einstellung der Zahlungen zu veranlassen, weil sie dabei wenig oder nichts verlieren und kein Interesse daran haben, daß die Bondsbesitzer Opfer bringen müssen. Dieser Mißstand ist von den Eisenbahnaufsichtsbehörden erkannt, und auf seine Beseitigung suchen sie, zum Teil unter Mitwirkung der in gesunder Lage befindlichen Eisenbahnen, in der Weise hinzuwirken, daß neue Eisenbahnen oder solche, die zur Erweiterung ihrer Netze neue Gelder aufnehmen müssen, in größerem Umfang Aktien und wenige B. ausgeben. Dahin gehende Vorschläge werden neuerdings von der vom Präsidenten Taft im Jahre 1910 eingesetzten besonderen Untersuchungskommission (Railroad Securities Commission) in ihrem im November 1911 erstatteten Berichte gemacht. Für das gesamte Anlagekapital der Eisenbahnen zeigte sich bisher noch kein rechter Erfolg dieser Bestrebungen. Während im Jahr 1897 das Gesamtanlagekapital von 10.625,008.074 <hi rendition="#i">$</hi> aus 5.364,642.255 <hi rendition="#i">$</hi> Aktien und 5.270,365.819 <hi rendition="#i">$</hi> Schuldverschreibungen bestand, d. h. das Verhältnis der Aktien zu den Schuldverschreibungen sich auf 50·46 zu 49·56<hi rendition="#i">%</hi> stellte, bestand im Jahr 1909 das Anlagekapital von 17.487,868.935 <hi rendition="#i">$</hi> aus 7.686,278.545 <hi rendition="#i">$</hi> Aktien und 9.801,590.390 <hi rendition="#i">$</hi> Obligationen, und das Verhältnis dieser Werte stellte sich auf 43·95 zu 56·05<hi rendition="#i">%.</hi></p><lb/>
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[459/0471] Belieben der Eisenbahnen gestellt wird. Die Ausgabe der B. erfolgt daher häufig gleichzeitig mit der Ausgabe der Aktien (shares). Wenn, wie dies insbesondere bei den Überlandbahnen vorgekommen ist, B. erst nach Fertigstellung gewisser Strecken ausgegeben werden dürfen, so läßt sich die Bahn, vielfach um das Baukapital zu beschaffen, Vorschüsse auf die demnächst auszugebenden B. leisten, die später durch die B. selbst gedeckt werden. Da das Aktienkapital nur in den seltensten Fällen voll eingezahlt wurde, ja selbst die Zeichnung oft nur eine Scheinhandlung war, so wurden früher die meisten größeren Eisenbahnen der Vereinigten Staaten mit B. gebaut, und diese gewährten, da ihnen kein wirkliches Aktienkapital zur Seite stand, insbesondere bei neuen Bahnen nicht entfernt dieselbe Sicherheit wie die Prioritätsobligationen europäischer Privatbahnen; sie sind, obgleich formell Schuldverschreibungen, sachlich nicht viel anderes, als Aktien mit fester Dividende, nur stehen den Besitzern der B. die Befugnisse der Aktionäre, bei der Verwaltung der Bahnen mitzuwirken, nicht zu. Die Folge davon ist, daß die Personen, die finanziell an dem Unternehmen am wenigsten beteiligt sind, über Verwaltung und Betrieb zu bestimmen haben, und daß die eigentlichen Geldgeber von ihnen vollständig abhängig sind. Wenn es einer Bahn schlecht geht, so tragen die Aktionäre kein Bedenken, die Einstellung der Zahlungen zu veranlassen, weil sie dabei wenig oder nichts verlieren und kein Interesse daran haben, daß die Bondsbesitzer Opfer bringen müssen. Dieser Mißstand ist von den Eisenbahnaufsichtsbehörden erkannt, und auf seine Beseitigung suchen sie, zum Teil unter Mitwirkung der in gesunder Lage befindlichen Eisenbahnen, in der Weise hinzuwirken, daß neue Eisenbahnen oder solche, die zur Erweiterung ihrer Netze neue Gelder aufnehmen müssen, in größerem Umfang Aktien und wenige B. ausgeben. Dahin gehende Vorschläge werden neuerdings von der vom Präsidenten Taft im Jahre 1910 eingesetzten besonderen Untersuchungskommission (Railroad Securities Commission) in ihrem im November 1911 erstatteten Berichte gemacht. Für das gesamte Anlagekapital der Eisenbahnen zeigte sich bisher noch kein rechter Erfolg dieser Bestrebungen. Während im Jahr 1897 das Gesamtanlagekapital von 10.625,008.074 $ aus 5.364,642.255 $ Aktien und 5.270,365.819 $ Schuldverschreibungen bestand, d. h. das Verhältnis der Aktien zu den Schuldverschreibungen sich auf 50·46 zu 49·56% stellte, bestand im Jahr 1909 das Anlagekapital von 17.487,868.935 $ aus 7.686,278.545 $ Aktien und 9.801,590.390 $ Obligationen, und das Verhältnis dieser Werte stellte sich auf 43·95 zu 56·05%. Man unterscheidet verschiedene Arten von B., hauptsächlich danach, welches Objekt für die Sicherheit der B. haftet. Zunächst Consolidated oder general mortgage bonds, division bonds und extension bonds, je nachdem das ganze Unternehmen oder eine Teilstrecke oder eine Neubaustrecke haftet. Fernerhin: Equipement bonds, auch Car trust certificates, für die das rollende Material, oder ein Teil des Materials (nur die Wagen, darunter wieder die Personenwagen oder Güterwagen oder alle Wagen) haften. Diese B. werden vielfach an die Wagenbaugesellschaften als Zahlung für die Betriebsmittel begeben. Ferner gibt es Landgrant bonds, für die die den Bahnen gehörigen Ländereien haften, Collateral trust bonds, die die Eisenbahnen ausstellen, die Werte (Aktien oder Obligationen) anderer Unternehmungen besitzen, Prior lien bonds, die den Vorzug vor allen B. besitzen und vielfach dann ausgegeben werden, wenn sich die Eisenbahnen in finanziellen Verlegenheiten befinden und sich nur dadurch Geld schaffen können, daß sie ihren neuen Gläubigern mit Zustimmung der alten Wertpapiere erteilen, die eine denkbar große Sicherheit gewähren. Weiterhin kommen vor sog. Income bonds, für die lediglich die Reineinnahmen der Bahn verpfändet werden, die also eigentlich keine Obligationen sind, sondern deren Zinsen eine Art Vorzugsdividende darstellen. Die Bemühungen der Aufsichtsbehörden, diese letzteren, höchst eigenartigen Schuldverschreibungen allmählich zu beseitigen, sind von nur geringem Erfolg gewesen. Insbesondere in Jahren finanziellen Niedergangs werden sie immer wieder vermehrt. Man unterscheidet zuweilen First, Second u. s. w. mortgage bonds. In welchem Sicherheitsverhältnis die verschiedenen Arten und Klassen der B. stehen, ist aus den Schuldurkunden selbst festzustellen. Der bloße Name First mortgage bond besagt nicht, daß eine derartige erste Priorität den unbedingten Vorrang vor einer anderen Hypothek hat. Die B. werden auch öfter auf eine bestimmte Zeitdauer (20, 30, 40 Jahre) ausgestellt, nach der sie zum Nennwert oder mit einem Kursaufschlag zurückgezahlt werden müssen. Ihre Zinsen und mitunter auch die Rückzahlung des Kapitals ist von der Regierung des Bundesstaats oder eines Einzelstaats, oder auch einer anderen Eisenbahngesellschaft zuweilen gewährleistet. Eine bundesstaatliche Zinsbürgschaft war beispielsweise auf 30 Jahre für die zweite Klasse der B. der beiden ältesten Überlandbahnen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, Wien, 1912, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen02_1912/471>, abgerufen am 16.07.2024.