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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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Auch in Österreich sind Entstaubungsanlagen im Betriebe, und ist außerdem die Behandlung von Teppichen, Vorhängen, Oberzügen bei Polsterungen, Polstern, Reiseutensilien, zurückgelassener Wäsche, Kleidern u. s. w. in gewissen Fällen mit Wasserdampf oder Formaldehyddämpfen vorgeschrieben.

Das Handelsministerium hat mit Erlaß Z. 4271 vom 7. März 1889, einen besonderen Desinfektionskasten (s. Desinfektionsapparate) als Norm vorgeschrieben, in den Dampf mit einer Spannung von 2-3 Atm. (120-130° C) mindestens 30 Minuten lang eingeleitet wird, gemessen von dem Zeitpunkte, wo der ausströmende Dampf eine Temperatur von 100° C hat.

Das nicht herausnehmbare Wageninnere wird mittels eines eigenen Sprayapparates (s. S. 283) mit heißen Formaldehyddämpfen behandelt.

Für die Desinfektionsarbeiter sind Zwilchkleider und Überkleider aus Kautschuk vorgeschrieben. Bei der Arbeit haben die Desinfektionsarbeiter jedesmal, bevor die Gegenstände aus dem Desinfektionskasten genommen werden, ihre Hände mit 5%iger Karbolsäurelösung oder Karbolseifenlösung oder 3%iger Lysollösung zu waschen, ebenso die Kleider nach dem Gebrauch.

II. Desinfektionsmittel. Die Zahl der empfohlenen und angewendeten Desinfektionsmittel ist eine sehr große, die Wirksamkeit eine äußerst verschiedene. Im allgemeinen ist zu beachten, daß auch das beste Mittel unwirksam ist, wenn es nicht in ausreichender Menge und während der zur Wirkung nötigen Zeit angewendet wird, und daß alle chemischen Mittel nur für einen gewissen Zeitraum und nur da wirken, wo sie den zu desinfizierenden Gegenstand gehörig berühren oder durchdringen. Letzteres gilt insbesondere für die verschärfte D. der Viehwagen, da die pathogenen Bakterien und die Sporen sich in organischen Substanzen (den tierischen Auswurfstoffen) eingebettet vorfinden. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Bakterien in ihrem Verhalten gegenüber chemischen Stoffen sehr voneinander abweichen und gegen ein- und dasselbe Desinfektionsmittel ungleichen Widerstand an den Tag legen, daher je nach den einzelnen Infektionskrankheiten verschiedene Mittel angewendet werden müssen. Es handelt sich ferner darum, die Wahl des Desinfektionsmittels und seiner Anwendungsweise so zu treffen, daß die D. mit tunlichster Vermeidung einer Beschädigung der zu desinfizierenden Gegenstände vorgenommen werden kann.

Kälte ist kein Desinfektionsmittel, sie hemmt nur die Entwicklung der Bakterien.

Die hauptsächlich zur D. angewendeten Mittel sind folgende:

Heißes Wasser. Es ist erwiesen, daß viele Ansteckungskeime durch nur kurze Zeit anhaltende Siedehitze nicht getötet werden und ist daher eine D. nur dann als vollständig zu betrachten, wenn die zu behandelnden Gegenstände mehrere Stunden in Wasser gekocht werden. Zusätze von Soda oder Pottasche steigern die Wirkung schon dadurch, daß sie die Siedetemperatur erhöhen. Das Abwaschen mit heißem Wasser, das dabei nicht mehr die Siedehitze haben kann, hat nur die Wirkung, daß es Schmutz und damit Ansteckungskeime entfernt; durch Soda und Pottasche wird die auflösende Wirkung dabei erheblich erhöht. Werden solche Abwaschungen recht gründlich ausgeführt und wird reichlich Wasser nachgespült, so ist in vielen Fällen die Wirkung ausreichend. Unzureichend erscheint aber ein einfaches Ausspritzen oder Bespritzen mit einem Strahl heißen Wassers, auch wenn es aus einem Dampfkessel unter hohem Druck ausströmt und an der Ausflußöffnung eine sehr hohe Temperatur hat. Durch die schnelle Dampfentwicklung kühlt sich der Wasserstrahl so sehr ab, daß er schon in kurzer Entfernung eine Temperatur weit unter dem Siedepunkt hat.

Wasserdampf. Wenn die zu desinfizierenden Gegenstände längere Zeit hochgespannten Wasserdämpfen ausgesetzt werden, was nur in einem fest verschlossenen Gefäß geschehen kann, so ist jedenfalls die Wirkung eine vollkommene, und haben zahlreiche Versuche ergeben, daß durch eine solche D. mit Wasserdampf von mindestens 100° Temperatur alle Krankheitskeime getötet werden; dagegen muß ein Strahl von gesättigtem Dampf als noch unwirksamer als ein solcher von heißem Wasser bezeichnet werden, weil der Dampf schon auf sehr kurze Entfernungen von der Ausströmungsöffnung sich zu Wasserbläschen verdichtet, die nicht mehr die erforderliche Wärme haben.

Bei der D. von Viehwagen, insbesonders von Güterwagen, kann der Dampf nur als vorzügliches Reinigungsmittel angesehen werden, da in verhältnismäßig kurzer Zeit der vom größten Schmutze durch Besen gereinigte Wagen auch von sämtlichen makroskopisch sichtbaren Schmutzteilen vollständig befreit wird. Praktische Versuche haben gezeigt, daß ein auf 4-5 Atm. gespannter Dampf (151·3-158·3° C) bei seinem Austritt aus einer Düse infolge Abnahme des Druckes, Kondensation und direkter Abkühlung sofort seine hohe Temperatur verliert und im Wagen bei 17° C Außentemperatur bloß 22° G Wärme vorhanden ist.

Heiße Luft. Die D. mittels heißer Luft ist nur wirksam, wenn die Temperatur sehr hoch steigt und der zu desinfizierende Gegenstand genügend lange der Hitze ausgesetzt wird. Von vielen Ärzten wird eine Wärme von 204° C für notwendig gehalten, um alle Keime zu töten. Diese Temperatur ist nur in besonders dazu gebauten Öfen zu erreichen, wie solche auch vielfach zur D. von Kleidern, Wäsche, Betten u. dgl. benutzt werden. Da diese Gegenstände sehr schlechte Wärmeleiter sind, so muß die Hitze so lange einwirken, bis alle Teile gleichmäßig erwärmt sind und durch einige Zeit der hohen Temperatur ausgesetzt waren.

Chemikalien:

Karbolsäurelösungen. Die Karbolsäure, auch Phenol und Steinkohlenkreosot genannt, wird durch Destillation aus dem Steinkohlenteer gewonnen und ist giftig. Zur D. wird das schwere Steinkohlenteeröl mit einem Gehalt von 10 bis 25% Karbolsäure als sog. rohe Karbolsäure verwendet. Diese ist eine braune Flüssigkeit von durchdringend brenzlichem, lange anhaltendem Geruch. Zur besseren Verteilung verwendet man sie sehr verdünnt (in 5%igen Lösungen) oder in Verbindung mit pulverförmigen

Auch in Österreich sind Entstaubungsanlagen im Betriebe, und ist außerdem die Behandlung von Teppichen, Vorhängen, Oberzügen bei Polsterungen, Polstern, Reiseutensilien, zurückgelassener Wäsche, Kleidern u. s. w. in gewissen Fällen mit Wasserdampf oder Formaldehyddämpfen vorgeschrieben.

Das Handelsministerium hat mit Erlaß Z. 4271 vom 7. März 1889, einen besonderen Desinfektionskasten (s. Desinfektionsapparate) als Norm vorgeschrieben, in den Dampf mit einer Spannung von 2–3 Atm. (120–130° C) mindestens 30 Minuten lang eingeleitet wird, gemessen von dem Zeitpunkte, wo der ausströmende Dampf eine Temperatur von 100° C hat.

Das nicht herausnehmbare Wageninnere wird mittels eines eigenen Sprayapparates (s. S. 283) mit heißen Formaldehyddämpfen behandelt.

Für die Desinfektionsarbeiter sind Zwilchkleider und Überkleider aus Kautschuk vorgeschrieben. Bei der Arbeit haben die Desinfektionsarbeiter jedesmal, bevor die Gegenstände aus dem Desinfektionskasten genommen werden, ihre Hände mit 5%iger Karbolsäurelösung oder Karbolseifenlösung oder 3%iger Lysollösung zu waschen, ebenso die Kleider nach dem Gebrauch.

II. Desinfektionsmittel. Die Zahl der empfohlenen und angewendeten Desinfektionsmittel ist eine sehr große, die Wirksamkeit eine äußerst verschiedene. Im allgemeinen ist zu beachten, daß auch das beste Mittel unwirksam ist, wenn es nicht in ausreichender Menge und während der zur Wirkung nötigen Zeit angewendet wird, und daß alle chemischen Mittel nur für einen gewissen Zeitraum und nur da wirken, wo sie den zu desinfizierenden Gegenstand gehörig berühren oder durchdringen. Letzteres gilt insbesondere für die verschärfte D. der Viehwagen, da die pathogenen Bakterien und die Sporen sich in organischen Substanzen (den tierischen Auswurfstoffen) eingebettet vorfinden. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Bakterien in ihrem Verhalten gegenüber chemischen Stoffen sehr voneinander abweichen und gegen ein- und dasselbe Desinfektionsmittel ungleichen Widerstand an den Tag legen, daher je nach den einzelnen Infektionskrankheiten verschiedene Mittel angewendet werden müssen. Es handelt sich ferner darum, die Wahl des Desinfektionsmittels und seiner Anwendungsweise so zu treffen, daß die D. mit tunlichster Vermeidung einer Beschädigung der zu desinfizierenden Gegenstände vorgenommen werden kann.

Kälte ist kein Desinfektionsmittel, sie hemmt nur die Entwicklung der Bakterien.

Die hauptsächlich zur D. angewendeten Mittel sind folgende:

Heißes Wasser. Es ist erwiesen, daß viele Ansteckungskeime durch nur kurze Zeit anhaltende Siedehitze nicht getötet werden und ist daher eine D. nur dann als vollständig zu betrachten, wenn die zu behandelnden Gegenstände mehrere Stunden in Wasser gekocht werden. Zusätze von Soda oder Pottasche steigern die Wirkung schon dadurch, daß sie die Siedetemperatur erhöhen. Das Abwaschen mit heißem Wasser, das dabei nicht mehr die Siedehitze haben kann, hat nur die Wirkung, daß es Schmutz und damit Ansteckungskeime entfernt; durch Soda und Pottasche wird die auflösende Wirkung dabei erheblich erhöht. Werden solche Abwaschungen recht gründlich ausgeführt und wird reichlich Wasser nachgespült, so ist in vielen Fällen die Wirkung ausreichend. Unzureichend erscheint aber ein einfaches Ausspritzen oder Bespritzen mit einem Strahl heißen Wassers, auch wenn es aus einem Dampfkessel unter hohem Druck ausströmt und an der Ausflußöffnung eine sehr hohe Temperatur hat. Durch die schnelle Dampfentwicklung kühlt sich der Wasserstrahl so sehr ab, daß er schon in kurzer Entfernung eine Temperatur weit unter dem Siedepunkt hat.

Wasserdampf. Wenn die zu desinfizierenden Gegenstände längere Zeit hochgespannten Wasserdämpfen ausgesetzt werden, was nur in einem fest verschlossenen Gefäß geschehen kann, so ist jedenfalls die Wirkung eine vollkommene, und haben zahlreiche Versuche ergeben, daß durch eine solche D. mit Wasserdampf von mindestens 100° Temperatur alle Krankheitskeime getötet werden; dagegen muß ein Strahl von gesättigtem Dampf als noch unwirksamer als ein solcher von heißem Wasser bezeichnet werden, weil der Dampf schon auf sehr kurze Entfernungen von der Ausströmungsöffnung sich zu Wasserbläschen verdichtet, die nicht mehr die erforderliche Wärme haben.

Bei der D. von Viehwagen, insbesonders von Güterwagen, kann der Dampf nur als vorzügliches Reinigungsmittel angesehen werden, da in verhältnismäßig kurzer Zeit der vom größten Schmutze durch Besen gereinigte Wagen auch von sämtlichen makroskopisch sichtbaren Schmutzteilen vollständig befreit wird. Praktische Versuche haben gezeigt, daß ein auf 4–5 Atm. gespannter Dampf (151·3–158·3° C) bei seinem Austritt aus einer Düse infolge Abnahme des Druckes, Kondensation und direkter Abkühlung sofort seine hohe Temperatur verliert und im Wagen bei 17° C Außentemperatur bloß 22° G Wärme vorhanden ist.

Heiße Luft. Die D. mittels heißer Luft ist nur wirksam, wenn die Temperatur sehr hoch steigt und der zu desinfizierende Gegenstand genügend lange der Hitze ausgesetzt wird. Von vielen Ärzten wird eine Wärme von 204° C für notwendig gehalten, um alle Keime zu töten. Diese Temperatur ist nur in besonders dazu gebauten Öfen zu erreichen, wie solche auch vielfach zur D. von Kleidern, Wäsche, Betten u. dgl. benutzt werden. Da diese Gegenstände sehr schlechte Wärmeleiter sind, so muß die Hitze so lange einwirken, bis alle Teile gleichmäßig erwärmt sind und durch einige Zeit der hohen Temperatur ausgesetzt waren.

Chemikalien:

Karbolsäurelösungen. Die Karbolsäure, auch Phenol und Steinkohlenkreosot genannt, wird durch Destillation aus dem Steinkohlenteer gewonnen und ist giftig. Zur D. wird das schwere Steinkohlenteeröl mit einem Gehalt von 10 bis 25% Karbolsäure als sog. rohe Karbolsäure verwendet. Diese ist eine braune Flüssigkeit von durchdringend brenzlichem, lange anhaltendem Geruch. Zur besseren Verteilung verwendet man sie sehr verdünnt (in 5%igen Lösungen) oder in Verbindung mit pulverförmigen

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[275/0289] Auch in Österreich sind Entstaubungsanlagen im Betriebe, und ist außerdem die Behandlung von Teppichen, Vorhängen, Oberzügen bei Polsterungen, Polstern, Reiseutensilien, zurückgelassener Wäsche, Kleidern u. s. w. in gewissen Fällen mit Wasserdampf oder Formaldehyddämpfen vorgeschrieben. Das Handelsministerium hat mit Erlaß Z. 4271 vom 7. März 1889, einen besonderen Desinfektionskasten (s. Desinfektionsapparate) als Norm vorgeschrieben, in den Dampf mit einer Spannung von 2–3 Atm. (120–130° C) mindestens 30 Minuten lang eingeleitet wird, gemessen von dem Zeitpunkte, wo der ausströmende Dampf eine Temperatur von 100° C hat. Das nicht herausnehmbare Wageninnere wird mittels eines eigenen Sprayapparates (s. S. 283) mit heißen Formaldehyddämpfen behandelt. Für die Desinfektionsarbeiter sind Zwilchkleider und Überkleider aus Kautschuk vorgeschrieben. Bei der Arbeit haben die Desinfektionsarbeiter jedesmal, bevor die Gegenstände aus dem Desinfektionskasten genommen werden, ihre Hände mit 5%iger Karbolsäurelösung oder Karbolseifenlösung oder 3%iger Lysollösung zu waschen, ebenso die Kleider nach dem Gebrauch. II. Desinfektionsmittel. Die Zahl der empfohlenen und angewendeten Desinfektionsmittel ist eine sehr große, die Wirksamkeit eine äußerst verschiedene. Im allgemeinen ist zu beachten, daß auch das beste Mittel unwirksam ist, wenn es nicht in ausreichender Menge und während der zur Wirkung nötigen Zeit angewendet wird, und daß alle chemischen Mittel nur für einen gewissen Zeitraum und nur da wirken, wo sie den zu desinfizierenden Gegenstand gehörig berühren oder durchdringen. Letzteres gilt insbesondere für die verschärfte D. der Viehwagen, da die pathogenen Bakterien und die Sporen sich in organischen Substanzen (den tierischen Auswurfstoffen) eingebettet vorfinden. Auch ist zu berücksichtigen, daß die Bakterien in ihrem Verhalten gegenüber chemischen Stoffen sehr voneinander abweichen und gegen ein- und dasselbe Desinfektionsmittel ungleichen Widerstand an den Tag legen, daher je nach den einzelnen Infektionskrankheiten verschiedene Mittel angewendet werden müssen. Es handelt sich ferner darum, die Wahl des Desinfektionsmittels und seiner Anwendungsweise so zu treffen, daß die D. mit tunlichster Vermeidung einer Beschädigung der zu desinfizierenden Gegenstände vorgenommen werden kann. Kälte ist kein Desinfektionsmittel, sie hemmt nur die Entwicklung der Bakterien. Die hauptsächlich zur D. angewendeten Mittel sind folgende: Heißes Wasser. Es ist erwiesen, daß viele Ansteckungskeime durch nur kurze Zeit anhaltende Siedehitze nicht getötet werden und ist daher eine D. nur dann als vollständig zu betrachten, wenn die zu behandelnden Gegenstände mehrere Stunden in Wasser gekocht werden. Zusätze von Soda oder Pottasche steigern die Wirkung schon dadurch, daß sie die Siedetemperatur erhöhen. Das Abwaschen mit heißem Wasser, das dabei nicht mehr die Siedehitze haben kann, hat nur die Wirkung, daß es Schmutz und damit Ansteckungskeime entfernt; durch Soda und Pottasche wird die auflösende Wirkung dabei erheblich erhöht. Werden solche Abwaschungen recht gründlich ausgeführt und wird reichlich Wasser nachgespült, so ist in vielen Fällen die Wirkung ausreichend. Unzureichend erscheint aber ein einfaches Ausspritzen oder Bespritzen mit einem Strahl heißen Wassers, auch wenn es aus einem Dampfkessel unter hohem Druck ausströmt und an der Ausflußöffnung eine sehr hohe Temperatur hat. Durch die schnelle Dampfentwicklung kühlt sich der Wasserstrahl so sehr ab, daß er schon in kurzer Entfernung eine Temperatur weit unter dem Siedepunkt hat. Wasserdampf. Wenn die zu desinfizierenden Gegenstände längere Zeit hochgespannten Wasserdämpfen ausgesetzt werden, was nur in einem fest verschlossenen Gefäß geschehen kann, so ist jedenfalls die Wirkung eine vollkommene, und haben zahlreiche Versuche ergeben, daß durch eine solche D. mit Wasserdampf von mindestens 100° Temperatur alle Krankheitskeime getötet werden; dagegen muß ein Strahl von gesättigtem Dampf als noch unwirksamer als ein solcher von heißem Wasser bezeichnet werden, weil der Dampf schon auf sehr kurze Entfernungen von der Ausströmungsöffnung sich zu Wasserbläschen verdichtet, die nicht mehr die erforderliche Wärme haben. Bei der D. von Viehwagen, insbesonders von Güterwagen, kann der Dampf nur als vorzügliches Reinigungsmittel angesehen werden, da in verhältnismäßig kurzer Zeit der vom größten Schmutze durch Besen gereinigte Wagen auch von sämtlichen makroskopisch sichtbaren Schmutzteilen vollständig befreit wird. Praktische Versuche haben gezeigt, daß ein auf 4–5 Atm. gespannter Dampf (151·3–158·3° C) bei seinem Austritt aus einer Düse infolge Abnahme des Druckes, Kondensation und direkter Abkühlung sofort seine hohe Temperatur verliert und im Wagen bei 17° C Außentemperatur bloß 22° G Wärme vorhanden ist. Heiße Luft. Die D. mittels heißer Luft ist nur wirksam, wenn die Temperatur sehr hoch steigt und der zu desinfizierende Gegenstand genügend lange der Hitze ausgesetzt wird. Von vielen Ärzten wird eine Wärme von 204° C für notwendig gehalten, um alle Keime zu töten. Diese Temperatur ist nur in besonders dazu gebauten Öfen zu erreichen, wie solche auch vielfach zur D. von Kleidern, Wäsche, Betten u. dgl. benutzt werden. Da diese Gegenstände sehr schlechte Wärmeleiter sind, so muß die Hitze so lange einwirken, bis alle Teile gleichmäßig erwärmt sind und durch einige Zeit der hohen Temperatur ausgesetzt waren. Chemikalien: Karbolsäurelösungen. Die Karbolsäure, auch Phenol und Steinkohlenkreosot genannt, wird durch Destillation aus dem Steinkohlenteer gewonnen und ist giftig. Zur D. wird das schwere Steinkohlenteeröl mit einem Gehalt von 10 bis 25% Karbolsäure als sog. rohe Karbolsäure verwendet. Diese ist eine braune Flüssigkeit von durchdringend brenzlichem, lange anhaltendem Geruch. Zur besseren Verteilung verwendet man sie sehr verdünnt (in 5%igen Lösungen) oder in Verbindung mit pulverförmigen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/289>, abgerufen am 24.11.2024.