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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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(etwa 40%) kommen im Handel unter dem Namen Formalin und Formol vor. Diese Lösungen machen riechendes Fleisch, faulenden Harn, Exkremente u. s. w. nahezu geruchlos, sind sehr wirksam und sind vielfach als Desinfektionsmittel vorgeschrieben.

Der Geruch nach Formaldehyd in desinfizierten Wagen verliert sich binnen 12 bis 14 Stunden. Nach Ablauf von 24 Stunden können die Wagen mit den empfindlichsten Waren wieder beladen werden.

Um es als Streupulver zu benutzen, läßt man es von Kieselgur aufsaugen (Formalith).

Sapoformal, Formochlorol, Glykoformal sind Formaldehydpräparate.

Lysoform, eine Formaldehyd enthaltende Kaliseifenlösung, ist ungiftig, nicht ätzend und beseitigt sofort jeden üblen Geruch. In Wasser gelöst (2-3%) gibt es eine milchartige Flüssigkeit, die als unschädliches aber zuverlässiges Desinfektionsmittel bezeichnet werden kann. Die Lösungen sind jedesmal frisch zu bereiten.

Autan ist ein pulverförmiges Gemisch von polymerisiertem Formaldehyd und Barium superoxyd. Es hat die Eigenschaft, beim Übergießen mit wenig Wasser fast augenblicklich unter starker Wärmeentwicklung reichliche Mengen von Formaldehyd- und Wasserdämpfen zu entwickeln.

Zur D. von Aborten wird auch der bei der Fabrikation von Torfstreu abfallende und gesiebte Torfmull verwendet, der infolge seines hohen Gehaltes an Huminsäure stark antiseptisch wirkt.

Ganz nutzlos, ja sogar schädlich sind Räucherungen mit wohlriechenden Stoffen. Der Anwendung der Desinfektionsmittel soll in allen Fällen ein gründliches Reinigungsverfahren und bei Wagen auch eine teilweise Austrocknung vorangehen, um das Eindringen der Desinfektionsmittel in die Fugen zu ermöglichen.

Es sind durch viele Versuche Beweise dafür erbracht, wie viel die bloße Reinigung durch mechanische Entfernung der Keime zu leisten vermag und kann ohne Zweifel, wo es sich um die Tötung leicht zerstörbarer Infektionsstoffe handelt, schon durch gründliche Reinigung, verbunden mit Benutzung einer Sodalösung vielfach der angestrebte Zweck erreicht werden.

Im allgemeinen wird unter normalen Verhältnissen, d. h. bei Beförderung von gesunden Tieren nach gründlicher Entfernung des Streues und des Düngers aus den Wagen in den meisten Staaten die sorgfältige Waschung des Wagens (sowohl innen als auch außen) mit heißem Wasser unter Zusatz von Soda allenfalls noch ein Kalken der Innenwände als zweckentsprechende D. angesehen.

In außerordentlichen Fällen, d. h. bei der Beförderung von verseuchten oder seuchenverdächtigen Tieren sind verschiedene Desinfektionsmethoden (verschärfte oder strenge Desinfektion) in Anwendung und sind auch zahlreiche Versuche mit den verschiedenen Desinfektionsmitteln zur Vernichtung der pathogenen Bakterien und Sporen, insbesonderes der Milzbrandsporen vorgenommen worden. Auf Grund der praktischen Versuche in der Desinfektionsanstalt Kaiser-Ebersdorf bei Wien empfiehlt Prof. Dr. Schnürer der tierärztlichen Hochschule in Wien (Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere, Berlin 1905, Heft 1) nachfolgendes einfache und wirksame Desinfektionsverfahren für verseuchte Wagen:

"Der Wagen wird zuerst mechanisch mit Besen von dem gröbsten Schmutze (Mist, Streu u. s. w.) gereinigt, sodann die Reinigung mit Dampf oder heißem Preßwasser bis zum Verschwinden makroskopisch sichtbaren Schmutzes fortgesetzt. Nun werden die Wagen eine halbe Stunde bis zur oberflächlichen Abtrocknung stehen gelassen und dann wird zur D. geschritten. In größeren Stationen, in denen stets mehrere Wagen behandelt werden müssen, sollen auch mehrere Wagen zu gleicher Zeit vorgenommen werden, indem jeder Wagen bei geschlossener Tür und geschlossenen Fenstern von der andern offenen Tür aus mit je 15 l 1% Formaldehyds (21/2 l 4% handelsübliche Formaldehydlösung auf 100 l Wasser) bespritzt wird. Sofort nach Beendigung der Arbeit an einem Wagen wird die Türe geschlossen und der Arbeiter geht zum zweiten Wagen. Nachdem die Wagenkolonne auf der einen Seite bespritzt ist, setzt der Arbeiter die Bespritzung auf der andern Seite abermals mit etwa 15 l für jeden Wagen fort. Wenn das Spritzrohr ungefähr 30 cm vor der Drüse unter einem Winkel von beiläufig 100° abgebogen ist, macht es gar keine Schwierigkeit, selbst die dem Arbeiter zugekehrte Längswand des Wagens zum größten Teil mit dem Strahl zu treffen, so daß tatsächlich fast jede Wagenwand bei jedem Turnus mindestens zweimal übergangen wird.

Sodann bleiben sämtliche Wagen mindestens eine halbe Stunde bei geschlossenen Türen und Fenstern stehen, worauf beim ersten und dann auch bei den übrigen Wagen genau derselbe Vorgang wiederholt wird."

Diese Art der D. ist bei Außentemperaturen über 12° C absolut sicher und hätte nur bei niedrigeren Temperaturen eine Erwärmung des Wagens mit Dampf (10 Minuten lang) stattzufinden.

III. Gesetzliche Bestimmungen über die D. in den einzelnen Ländern. In bezug auf D. gelten in den einzelnen Staaten folgende Bestimmungen:

Deutschland. Nach der, in Ausführung des Gesetzes vom 25. Februar 1876 erlassenen Kundmachung des Reichskanzlers vom 16. und 17. Juli 1904, und den vom Bundesrate erlassenen Vorschriften über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Beförderung von Tieren und fäulnisfähigen Stoffen auf Eisenbahnen, gültig vom 1. August 1907, muß der eigentlichen D. der Wagen stets eine gründliche Reinigung - Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers, der Reste von Anbindesträngen u. s. w. sowie ein gründliches Abwaschen mit heißem Wasser und Auskratzen der in die Wagenfugen eingedrungenen Schmutzteile mit eisernen Geräten vorangehen. Wo heißes Wasser nicht in genügender Menge zu beschaffen ist, darf auch unter Druck ausströmendes, kaltes Wasser verwendet werden; jedoch muß vorher zur Aufweichung des anhaftenden

(etwa 40%) kommen im Handel unter dem Namen Formalin und Formol vor. Diese Lösungen machen riechendes Fleisch, faulenden Harn, Exkremente u. s. w. nahezu geruchlos, sind sehr wirksam und sind vielfach als Desinfektionsmittel vorgeschrieben.

Der Geruch nach Formaldehyd in desinfizierten Wagen verliert sich binnen 12 bis 14 Stunden. Nach Ablauf von 24 Stunden können die Wagen mit den empfindlichsten Waren wieder beladen werden.

Um es als Streupulver zu benutzen, läßt man es von Kieselgur aufsaugen (Formalith).

Sapoformal, Formochlorol, Glykoformal sind Formaldehydpräparate.

Lysoform, eine Formaldehyd enthaltende Kaliseifenlösung, ist ungiftig, nicht ätzend und beseitigt sofort jeden üblen Geruch. In Wasser gelöst (2–3%) gibt es eine milchartige Flüssigkeit, die als unschädliches aber zuverlässiges Desinfektionsmittel bezeichnet werden kann. Die Lösungen sind jedesmal frisch zu bereiten.

Autan ist ein pulverförmiges Gemisch von polymerisiertem Formaldehyd und Barium superoxyd. Es hat die Eigenschaft, beim Übergießen mit wenig Wasser fast augenblicklich unter starker Wärmeentwicklung reichliche Mengen von Formaldehyd- und Wasserdämpfen zu entwickeln.

Zur D. von Aborten wird auch der bei der Fabrikation von Torfstreu abfallende und gesiebte Torfmull verwendet, der infolge seines hohen Gehaltes an Huminsäure stark antiseptisch wirkt.

Ganz nutzlos, ja sogar schädlich sind Räucherungen mit wohlriechenden Stoffen. Der Anwendung der Desinfektionsmittel soll in allen Fällen ein gründliches Reinigungsverfahren und bei Wagen auch eine teilweise Austrocknung vorangehen, um das Eindringen der Desinfektionsmittel in die Fugen zu ermöglichen.

Es sind durch viele Versuche Beweise dafür erbracht, wie viel die bloße Reinigung durch mechanische Entfernung der Keime zu leisten vermag und kann ohne Zweifel, wo es sich um die Tötung leicht zerstörbarer Infektionsstoffe handelt, schon durch gründliche Reinigung, verbunden mit Benutzung einer Sodalösung vielfach der angestrebte Zweck erreicht werden.

Im allgemeinen wird unter normalen Verhältnissen, d. h. bei Beförderung von gesunden Tieren nach gründlicher Entfernung des Streues und des Düngers aus den Wagen in den meisten Staaten die sorgfältige Waschung des Wagens (sowohl innen als auch außen) mit heißem Wasser unter Zusatz von Soda allenfalls noch ein Kalken der Innenwände als zweckentsprechende D. angesehen.

In außerordentlichen Fällen, d. h. bei der Beförderung von verseuchten oder seuchenverdächtigen Tieren sind verschiedene Desinfektionsmethoden (verschärfte oder strenge Desinfektion) in Anwendung und sind auch zahlreiche Versuche mit den verschiedenen Desinfektionsmitteln zur Vernichtung der pathogenen Bakterien und Sporen, insbesonderes der Milzbrandsporen vorgenommen worden. Auf Grund der praktischen Versuche in der Desinfektionsanstalt Kaiser-Ebersdorf bei Wien empfiehlt Prof. Dr. Schnürer der tierärztlichen Hochschule in Wien (Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere, Berlin 1905, Heft 1) nachfolgendes einfache und wirksame Desinfektionsverfahren für verseuchte Wagen:

„Der Wagen wird zuerst mechanisch mit Besen von dem gröbsten Schmutze (Mist, Streu u. s. w.) gereinigt, sodann die Reinigung mit Dampf oder heißem Preßwasser bis zum Verschwinden makroskopisch sichtbaren Schmutzes fortgesetzt. Nun werden die Wagen eine halbe Stunde bis zur oberflächlichen Abtrocknung stehen gelassen und dann wird zur D. geschritten. In größeren Stationen, in denen stets mehrere Wagen behandelt werden müssen, sollen auch mehrere Wagen zu gleicher Zeit vorgenommen werden, indem jeder Wagen bei geschlossener Tür und geschlossenen Fenstern von der andern offenen Tür aus mit je 15 l 1% Formaldehyds (21/2 l 4% handelsübliche Formaldehydlösung auf 100 l Wasser) bespritzt wird. Sofort nach Beendigung der Arbeit an einem Wagen wird die Türe geschlossen und der Arbeiter geht zum zweiten Wagen. Nachdem die Wagenkolonne auf der einen Seite bespritzt ist, setzt der Arbeiter die Bespritzung auf der andern Seite abermals mit etwa 15 l für jeden Wagen fort. Wenn das Spritzrohr ungefähr 30 cm vor der Drüse unter einem Winkel von beiläufig 100° abgebogen ist, macht es gar keine Schwierigkeit, selbst die dem Arbeiter zugekehrte Längswand des Wagens zum größten Teil mit dem Strahl zu treffen, so daß tatsächlich fast jede Wagenwand bei jedem Turnus mindestens zweimal übergangen wird.

Sodann bleiben sämtliche Wagen mindestens eine halbe Stunde bei geschlossenen Türen und Fenstern stehen, worauf beim ersten und dann auch bei den übrigen Wagen genau derselbe Vorgang wiederholt wird.“

Diese Art der D. ist bei Außentemperaturen über 12° C absolut sicher und hätte nur bei niedrigeren Temperaturen eine Erwärmung des Wagens mit Dampf (10 Minuten lang) stattzufinden.

III. Gesetzliche Bestimmungen über die D. in den einzelnen Ländern. In bezug auf D. gelten in den einzelnen Staaten folgende Bestimmungen:

Deutschland. Nach der, in Ausführung des Gesetzes vom 25. Februar 1876 erlassenen Kundmachung des Reichskanzlers vom 16. und 17. Juli 1904, und den vom Bundesrate erlassenen Vorschriften über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Beförderung von Tieren und fäulnisfähigen Stoffen auf Eisenbahnen, gültig vom 1. August 1907, muß der eigentlichen D. der Wagen stets eine gründliche Reinigung – Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers, der Reste von Anbindesträngen u. s. w. sowie ein gründliches Abwaschen mit heißem Wasser und Auskratzen der in die Wagenfugen eingedrungenen Schmutzteile mit eisernen Geräten vorangehen. Wo heißes Wasser nicht in genügender Menge zu beschaffen ist, darf auch unter Druck ausströmendes, kaltes Wasser verwendet werden; jedoch muß vorher zur Aufweichung des anhaftenden

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[277/0291] (etwa 40%) kommen im Handel unter dem Namen Formalin und Formol vor. Diese Lösungen machen riechendes Fleisch, faulenden Harn, Exkremente u. s. w. nahezu geruchlos, sind sehr wirksam und sind vielfach als Desinfektionsmittel vorgeschrieben. Der Geruch nach Formaldehyd in desinfizierten Wagen verliert sich binnen 12 bis 14 Stunden. Nach Ablauf von 24 Stunden können die Wagen mit den empfindlichsten Waren wieder beladen werden. Um es als Streupulver zu benutzen, läßt man es von Kieselgur aufsaugen (Formalith). Sapoformal, Formochlorol, Glykoformal sind Formaldehydpräparate. Lysoform, eine Formaldehyd enthaltende Kaliseifenlösung, ist ungiftig, nicht ätzend und beseitigt sofort jeden üblen Geruch. In Wasser gelöst (2–3%) gibt es eine milchartige Flüssigkeit, die als unschädliches aber zuverlässiges Desinfektionsmittel bezeichnet werden kann. Die Lösungen sind jedesmal frisch zu bereiten. Autan ist ein pulverförmiges Gemisch von polymerisiertem Formaldehyd und Barium superoxyd. Es hat die Eigenschaft, beim Übergießen mit wenig Wasser fast augenblicklich unter starker Wärmeentwicklung reichliche Mengen von Formaldehyd- und Wasserdämpfen zu entwickeln. Zur D. von Aborten wird auch der bei der Fabrikation von Torfstreu abfallende und gesiebte Torfmull verwendet, der infolge seines hohen Gehaltes an Huminsäure stark antiseptisch wirkt. Ganz nutzlos, ja sogar schädlich sind Räucherungen mit wohlriechenden Stoffen. Der Anwendung der Desinfektionsmittel soll in allen Fällen ein gründliches Reinigungsverfahren und bei Wagen auch eine teilweise Austrocknung vorangehen, um das Eindringen der Desinfektionsmittel in die Fugen zu ermöglichen. Es sind durch viele Versuche Beweise dafür erbracht, wie viel die bloße Reinigung durch mechanische Entfernung der Keime zu leisten vermag und kann ohne Zweifel, wo es sich um die Tötung leicht zerstörbarer Infektionsstoffe handelt, schon durch gründliche Reinigung, verbunden mit Benutzung einer Sodalösung vielfach der angestrebte Zweck erreicht werden. Im allgemeinen wird unter normalen Verhältnissen, d. h. bei Beförderung von gesunden Tieren nach gründlicher Entfernung des Streues und des Düngers aus den Wagen in den meisten Staaten die sorgfältige Waschung des Wagens (sowohl innen als auch außen) mit heißem Wasser unter Zusatz von Soda allenfalls noch ein Kalken der Innenwände als zweckentsprechende D. angesehen. In außerordentlichen Fällen, d. h. bei der Beförderung von verseuchten oder seuchenverdächtigen Tieren sind verschiedene Desinfektionsmethoden (verschärfte oder strenge Desinfektion) in Anwendung und sind auch zahlreiche Versuche mit den verschiedenen Desinfektionsmitteln zur Vernichtung der pathogenen Bakterien und Sporen, insbesonderes der Milzbrandsporen vorgenommen worden. Auf Grund der praktischen Versuche in der Desinfektionsanstalt Kaiser-Ebersdorf bei Wien empfiehlt Prof. Dr. Schnürer der tierärztlichen Hochschule in Wien (Zeitschrift für Infektionskrankheiten, parasitäre Krankheiten und Hygiene der Haustiere, Berlin 1905, Heft 1) nachfolgendes einfache und wirksame Desinfektionsverfahren für verseuchte Wagen: „Der Wagen wird zuerst mechanisch mit Besen von dem gröbsten Schmutze (Mist, Streu u. s. w.) gereinigt, sodann die Reinigung mit Dampf oder heißem Preßwasser bis zum Verschwinden makroskopisch sichtbaren Schmutzes fortgesetzt. Nun werden die Wagen eine halbe Stunde bis zur oberflächlichen Abtrocknung stehen gelassen und dann wird zur D. geschritten. In größeren Stationen, in denen stets mehrere Wagen behandelt werden müssen, sollen auch mehrere Wagen zu gleicher Zeit vorgenommen werden, indem jeder Wagen bei geschlossener Tür und geschlossenen Fenstern von der andern offenen Tür aus mit je 15 l 1% Formaldehyds (21/2 l 4% handelsübliche Formaldehydlösung auf 100 l Wasser) bespritzt wird. Sofort nach Beendigung der Arbeit an einem Wagen wird die Türe geschlossen und der Arbeiter geht zum zweiten Wagen. Nachdem die Wagenkolonne auf der einen Seite bespritzt ist, setzt der Arbeiter die Bespritzung auf der andern Seite abermals mit etwa 15 l für jeden Wagen fort. Wenn das Spritzrohr ungefähr 30 cm vor der Drüse unter einem Winkel von beiläufig 100° abgebogen ist, macht es gar keine Schwierigkeit, selbst die dem Arbeiter zugekehrte Längswand des Wagens zum größten Teil mit dem Strahl zu treffen, so daß tatsächlich fast jede Wagenwand bei jedem Turnus mindestens zweimal übergangen wird. Sodann bleiben sämtliche Wagen mindestens eine halbe Stunde bei geschlossenen Türen und Fenstern stehen, worauf beim ersten und dann auch bei den übrigen Wagen genau derselbe Vorgang wiederholt wird.“ Diese Art der D. ist bei Außentemperaturen über 12° C absolut sicher und hätte nur bei niedrigeren Temperaturen eine Erwärmung des Wagens mit Dampf (10 Minuten lang) stattzufinden. III. Gesetzliche Bestimmungen über die D. in den einzelnen Ländern. In bezug auf D. gelten in den einzelnen Staaten folgende Bestimmungen: Deutschland. Nach der, in Ausführung des Gesetzes vom 25. Februar 1876 erlassenen Kundmachung des Reichskanzlers vom 16. und 17. Juli 1904, und den vom Bundesrate erlassenen Vorschriften über die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Beförderung von Tieren und fäulnisfähigen Stoffen auf Eisenbahnen, gültig vom 1. August 1907, muß der eigentlichen D. der Wagen stets eine gründliche Reinigung – Beseitigung der Streumaterialien, des Düngers, der Reste von Anbindesträngen u. s. w. sowie ein gründliches Abwaschen mit heißem Wasser und Auskratzen der in die Wagenfugen eingedrungenen Schmutzteile mit eisernen Geräten vorangehen. Wo heißes Wasser nicht in genügender Menge zu beschaffen ist, darf auch unter Druck ausströmendes, kaltes Wasser verwendet werden; jedoch muß vorher zur Aufweichung des anhaftenden

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/291>, abgerufen am 23.11.2024.