Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.auf längere Strecken überhaupt nicht. Jetzt waren die deutschen Hauptstädte großenteils durch Bahnen miteinander verbunden und es war vorauszusehen, daß binnen weniger Jahre große, zusammenhängende Linien, Ost und West, Süd und Nord miteinander in Schienenschluß gelangen würden. Nun erst ergab sich für die deutschen Binnenländer die Möglichkeit, mit den Häfen an der Nord- und Ostsee die Güter auszutauschen, die an Kohle und Eisen gebundene Industrie konnte ihre Erzeugnisse überallhin entsenden, die getreidereichen Ebenen des Nordens und Ostens konnten ihren Überfluß an die volkreichen Gebiete des Westens und an die Häfen zur Ausfuhr abgeben und dafür andere Güter eintauschen, kurz, es eröffnete sich eine Möglichkeit der Mehrung des Verkehrs, der Erzeugnisse und damit des Wohlstandes, an die man vorher kaum zu denken gewagt hatte. Der Verkehr war bisher nicht allein wegen des Mangels billiger Verkehrsmittel ganz unentwickelt, vielmehr waren die mit der Zerrissenheit Deutschlands und der Zahl seiner Landesgrenzen zusammenhängenden Zollschranken ebenso hinderlich. Es war ein glückliches Zusammentreffen, daß gerade in den Jahren, in denen das geflügelte Rad seinen Siegeszug antrat, die Empfindung der tiefen Verkehrsnot zum Abschluß der großen deutschen Handelsvereinigung führte, die unter dem Namen des deutschen Zollvereins weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen hat. Mit dem letzten Glockenschlage des Jahres 1834 hoben sich in Mitteldeutschland an den Landesgrenzen die Schlagbäume. Freilich fehlten damals noch wichtige Mittelglieder dieses Bundes; im Jahre 1835 traten indessen Baden und Nassau nebst der freien Stadt Frankfurt bei, während Braunschweig und Hannover mit Bremen, Hamburg und Lübeck, Oldenburg und Bückeburg zuvörderst unter sich einen Steuerverein schlössen, so daß die Nordseeküste mit den Mündungen der Weser und Elbe vom Zollverein ausgeschlossen blieb; erst 1844 trat wenigstens Braunschweig dem Zollverein auf das Drängen desselben v. Amsberg bei, der die erste deutsche Staatsbahn gebaut hatte. "Erst die Eisenbahnen rissen", wie Treitschke in seiner deutschen Geschichte, Bd. IV, S. 581, sagt, "die Nation aus ihrem wirtschaftlichen Stilleben, sie vollendeten erst, was der Zollverein nur begonnen hatte, sie griffen in alle Lebensgewohnheiten so gewaltig ein, daß Deutschland schon in den Vierzigerjahren einen völlig veränderten Anblick darbot." Betrachtet man die D. dieses ersten Jahrzehntes nach der Art ihres Zustandekommens und ihrer Verwaltung, so ergibt sich, daß Staats- und Privatbahnen ziemlich gleichmäßig nebeneinander bestanden. In Preußen herrschte noch völlig das Privatbahnsystem, teilweise mit staatlicher Unterstützung durch Aktienbesitz oder Zinsgewähr. Eine Reihe mächtiger Privatbahngesellschaften hatte sich gebildet, von denen hier vor allem im Norden die Berlin-Stettiner, im Osten die niederschlesisch-märkische, im Südosten die oberschlesische und die Breslau-Schweidnitz-Freiburger, ferner im Herzen der Monarchie die Berlin-Anhaltische, die Berlin-Potsdam-Magdeburger und die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft zu nennen wären. Die Magdeburg-Leipziger und die Magdeburg-Halberstädter haben schon ihre Hauptlinien in Betrieb gesetzt; im Rheinland haben sich die Rheinische und die Bergisch-Märkische und einige andere Eisenbahngesellschaften gebildet und die ersten Linien ihrer Unternehmungen waren im Betrieb. Westfalen ist noch ganz ohne Eisenbahn, aber die Köln-Mindener Gesellschaft ist begründet. In Sachsen ist noch reiner Privatbahnbesitz und -betrieb. In Bayern waren außer der schon erwähnten Ludwigsbahn, die Privatbahn blieb, erst einige Strecken eines umfassenden Staatsbahnnetzes fertig, dessen Notwendigkeit dort schon früh von dem Minister v. Abel erkannt war. Baden und Württemberg hatten sich von Anfang an zum Staatsbahnbau entschlossen, ersteres unter der kraftvollen Leitung des Staatsrats und späteren Staatsministers Nebenius, letzteres unter dem unerschütterlich das Staatsbahnsystem befürwortenden Minister von Schlayer; beide Staaten begannen erst, Teile ihres Netzes fertigzustellen. 1846-1855. Das zweite Jahrzehnt der deutschen Eisenbahngeschichte ist gleich im Anfang durch ein wichtiges Ereignis gekennzeichnet, das die einigende Kraft bewies, die dem neuen Verkehrsmittel innewohnte. Das Streben der aneinanderschließenden Bahnen, sich zur Erreichung gemeinsamer Zwecke zu vereinigen, Verbände zu schließen, führte dazu, daß zehn preußische Privatbahnverwaltungen auf Einladung Berlin-Stettins am 10. November 1846 zusammentraten, um die Schritte zu beraten, die zu einer Änderung einiger drückend empfundener Bestimmungen des schon in den ersten Jahren der Eisenbahnen erlassenen preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 führen könnten. Das wichtigste Ergebnis dieser Beratungen ist darin zu erblicken, daß man einen dauernden Verband der preußischen Eisenbahnen auf längere Strecken überhaupt nicht. Jetzt waren die deutschen Hauptstädte großenteils durch Bahnen miteinander verbunden und es war vorauszusehen, daß binnen weniger Jahre große, zusammenhängende Linien, Ost und West, Süd und Nord miteinander in Schienenschluß gelangen würden. Nun erst ergab sich für die deutschen Binnenländer die Möglichkeit, mit den Häfen an der Nord- und Ostsee die Güter auszutauschen, die an Kohle und Eisen gebundene Industrie konnte ihre Erzeugnisse überallhin entsenden, die getreidereichen Ebenen des Nordens und Ostens konnten ihren Überfluß an die volkreichen Gebiete des Westens und an die Häfen zur Ausfuhr abgeben und dafür andere Güter eintauschen, kurz, es eröffnete sich eine Möglichkeit der Mehrung des Verkehrs, der Erzeugnisse und damit des Wohlstandes, an die man vorher kaum zu denken gewagt hatte. Der Verkehr war bisher nicht allein wegen des Mangels billiger Verkehrsmittel ganz unentwickelt, vielmehr waren die mit der Zerrissenheit Deutschlands und der Zahl seiner Landesgrenzen zusammenhängenden Zollschranken ebenso hinderlich. Es war ein glückliches Zusammentreffen, daß gerade in den Jahren, in denen das geflügelte Rad seinen Siegeszug antrat, die Empfindung der tiefen Verkehrsnot zum Abschluß der großen deutschen Handelsvereinigung führte, die unter dem Namen des deutschen Zollvereins weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen hat. Mit dem letzten Glockenschlage des Jahres 1834 hoben sich in Mitteldeutschland an den Landesgrenzen die Schlagbäume. Freilich fehlten damals noch wichtige Mittelglieder dieses Bundes; im Jahre 1835 traten indessen Baden und Nassau nebst der freien Stadt Frankfurt bei, während Braunschweig und Hannover mit Bremen, Hamburg und Lübeck, Oldenburg und Bückeburg zuvörderst unter sich einen Steuerverein schlössen, so daß die Nordseeküste mit den Mündungen der Weser und Elbe vom Zollverein ausgeschlossen blieb; erst 1844 trat wenigstens Braunschweig dem Zollverein auf das Drängen desselben v. Amsberg bei, der die erste deutsche Staatsbahn gebaut hatte. „Erst die Eisenbahnen rissen“, wie Treitschke in seiner deutschen Geschichte, Bd. IV, S. 581, sagt, „die Nation aus ihrem wirtschaftlichen Stilleben, sie vollendeten erst, was der Zollverein nur begonnen hatte, sie griffen in alle Lebensgewohnheiten so gewaltig ein, daß Deutschland schon in den Vierzigerjahren einen völlig veränderten Anblick darbot.“ Betrachtet man die D. dieses ersten Jahrzehntes nach der Art ihres Zustandekommens und ihrer Verwaltung, so ergibt sich, daß Staats- und Privatbahnen ziemlich gleichmäßig nebeneinander bestanden. In Preußen herrschte noch völlig das Privatbahnsystem, teilweise mit staatlicher Unterstützung durch Aktienbesitz oder Zinsgewähr. Eine Reihe mächtiger Privatbahngesellschaften hatte sich gebildet, von denen hier vor allem im Norden die Berlin-Stettiner, im Osten die niederschlesisch-märkische, im Südosten die oberschlesische und die Breslau-Schweidnitz-Freiburger, ferner im Herzen der Monarchie die Berlin-Anhaltische, die Berlin-Potsdam-Magdeburger und die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft zu nennen wären. Die Magdeburg-Leipziger und die Magdeburg-Halberstädter haben schon ihre Hauptlinien in Betrieb gesetzt; im Rheinland haben sich die Rheinische und die Bergisch-Märkische und einige andere Eisenbahngesellschaften gebildet und die ersten Linien ihrer Unternehmungen waren im Betrieb. Westfalen ist noch ganz ohne Eisenbahn, aber die Köln-Mindener Gesellschaft ist begründet. In Sachsen ist noch reiner Privatbahnbesitz und -betrieb. In Bayern waren außer der schon erwähnten Ludwigsbahn, die Privatbahn blieb, erst einige Strecken eines umfassenden Staatsbahnnetzes fertig, dessen Notwendigkeit dort schon früh von dem Minister v. Abel erkannt war. Baden und Württemberg hatten sich von Anfang an zum Staatsbahnbau entschlossen, ersteres unter der kraftvollen Leitung des Staatsrats und späteren Staatsministers Nebenius, letzteres unter dem unerschütterlich das Staatsbahnsystem befürwortenden Minister von Schlayer; beide Staaten begannen erst, Teile ihres Netzes fertigzustellen. 1846–1855. Das zweite Jahrzehnt der deutschen Eisenbahngeschichte ist gleich im Anfang durch ein wichtiges Ereignis gekennzeichnet, das die einigende Kraft bewies, die dem neuen Verkehrsmittel innewohnte. Das Streben der aneinanderschließenden Bahnen, sich zur Erreichung gemeinsamer Zwecke zu vereinigen, Verbände zu schließen, führte dazu, daß zehn preußische Privatbahnverwaltungen auf Einladung Berlin-Stettins am 10. November 1846 zusammentraten, um die Schritte zu beraten, die zu einer Änderung einiger drückend empfundener Bestimmungen des schon in den ersten Jahren der Eisenbahnen erlassenen preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 führen könnten. Das wichtigste Ergebnis dieser Beratungen ist darin zu erblicken, daß man einen dauernden Verband der preußischen Eisenbahnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0303" n="289"/> auf längere Strecken überhaupt nicht. Jetzt waren die deutschen Hauptstädte großenteils durch Bahnen miteinander verbunden und es war vorauszusehen, daß binnen weniger Jahre große, zusammenhängende Linien, Ost und West, Süd und Nord miteinander in Schienenschluß gelangen würden. 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Amsberg bei, der die erste deutsche Staatsbahn gebaut hatte.</p><lb/> <p>„Erst die Eisenbahnen rissen“, wie Treitschke in seiner deutschen Geschichte, Bd. IV, S. 581, sagt, „die Nation aus ihrem wirtschaftlichen Stilleben, sie vollendeten erst, was der Zollverein nur begonnen hatte, sie griffen in alle Lebensgewohnheiten so gewaltig ein, daß Deutschland schon in den Vierzigerjahren einen völlig veränderten Anblick darbot.“</p><lb/> <p>Betrachtet man die D. dieses ersten Jahrzehntes nach der Art ihres Zustandekommens und ihrer Verwaltung, so ergibt sich, daß Staats- und Privatbahnen ziemlich gleichmäßig nebeneinander bestanden. In Preußen herrschte noch völlig das Privatbahnsystem, teilweise mit staatlicher Unterstützung durch Aktienbesitz oder Zinsgewähr. Eine Reihe mächtiger Privatbahngesellschaften hatte sich gebildet, von denen hier vor allem im Norden die Berlin-Stettiner, im Osten die niederschlesisch-märkische, im Südosten die oberschlesische und die Breslau-Schweidnitz-Freiburger, ferner im Herzen der Monarchie die Berlin-Anhaltische, die Berlin-Potsdam-Magdeburger und die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft zu nennen wären. Die Magdeburg-Leipziger und die Magdeburg-Halberstädter haben schon ihre Hauptlinien in Betrieb gesetzt; im Rheinland haben sich die Rheinische und die Bergisch-Märkische und einige andere Eisenbahngesellschaften gebildet und die ersten Linien ihrer Unternehmungen waren im Betrieb. Westfalen ist noch ganz ohne Eisenbahn, aber die Köln-Mindener Gesellschaft ist begründet.</p><lb/> <p>In <hi rendition="#g">Sachsen</hi> ist noch reiner Privatbahnbesitz und -betrieb. 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Das Streben der aneinanderschließenden Bahnen, sich zur Erreichung gemeinsamer Zwecke zu vereinigen, Verbände zu schließen, führte dazu, daß zehn preußische Privatbahnverwaltungen auf Einladung Berlin-Stettins am 10. November 1846 zusammentraten, um die Schritte zu beraten, die zu einer Änderung einiger drückend empfundener Bestimmungen des schon in den ersten Jahren der Eisenbahnen erlassenen preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 führen könnten. Das wichtigste Ergebnis dieser Beratungen ist darin zu erblicken, daß man einen dauernden Verband der preußischen Eisenbahnen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [289/0303]
auf längere Strecken überhaupt nicht. Jetzt waren die deutschen Hauptstädte großenteils durch Bahnen miteinander verbunden und es war vorauszusehen, daß binnen weniger Jahre große, zusammenhängende Linien, Ost und West, Süd und Nord miteinander in Schienenschluß gelangen würden. Nun erst ergab sich für die deutschen Binnenländer die Möglichkeit, mit den Häfen an der Nord- und Ostsee die Güter auszutauschen, die an Kohle und Eisen gebundene Industrie konnte ihre Erzeugnisse überallhin entsenden, die getreidereichen Ebenen des Nordens und Ostens konnten ihren Überfluß an die volkreichen Gebiete des Westens und an die Häfen zur Ausfuhr abgeben und dafür andere Güter eintauschen, kurz, es eröffnete sich eine Möglichkeit der Mehrung des Verkehrs, der Erzeugnisse und damit des Wohlstandes, an die man vorher kaum zu denken gewagt hatte.
Der Verkehr war bisher nicht allein wegen des Mangels billiger Verkehrsmittel ganz unentwickelt, vielmehr waren die mit der Zerrissenheit Deutschlands und der Zahl seiner Landesgrenzen zusammenhängenden Zollschranken ebenso hinderlich. Es war ein glückliches Zusammentreffen, daß gerade in den Jahren, in denen das geflügelte Rad seinen Siegeszug antrat, die Empfindung der tiefen Verkehrsnot zum Abschluß der großen deutschen Handelsvereinigung führte, die unter dem Namen des deutschen Zollvereins weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen hat. Mit dem letzten Glockenschlage des Jahres 1834 hoben sich in Mitteldeutschland an den Landesgrenzen die Schlagbäume. Freilich fehlten damals noch wichtige Mittelglieder dieses Bundes; im Jahre 1835 traten indessen Baden und Nassau nebst der freien Stadt Frankfurt bei, während Braunschweig und Hannover mit Bremen, Hamburg und Lübeck, Oldenburg und Bückeburg zuvörderst unter sich einen Steuerverein schlössen, so daß die Nordseeküste mit den Mündungen der Weser und Elbe vom Zollverein ausgeschlossen blieb; erst 1844 trat wenigstens Braunschweig dem Zollverein auf das Drängen desselben v. Amsberg bei, der die erste deutsche Staatsbahn gebaut hatte.
„Erst die Eisenbahnen rissen“, wie Treitschke in seiner deutschen Geschichte, Bd. IV, S. 581, sagt, „die Nation aus ihrem wirtschaftlichen Stilleben, sie vollendeten erst, was der Zollverein nur begonnen hatte, sie griffen in alle Lebensgewohnheiten so gewaltig ein, daß Deutschland schon in den Vierzigerjahren einen völlig veränderten Anblick darbot.“
Betrachtet man die D. dieses ersten Jahrzehntes nach der Art ihres Zustandekommens und ihrer Verwaltung, so ergibt sich, daß Staats- und Privatbahnen ziemlich gleichmäßig nebeneinander bestanden. In Preußen herrschte noch völlig das Privatbahnsystem, teilweise mit staatlicher Unterstützung durch Aktienbesitz oder Zinsgewähr. Eine Reihe mächtiger Privatbahngesellschaften hatte sich gebildet, von denen hier vor allem im Norden die Berlin-Stettiner, im Osten die niederschlesisch-märkische, im Südosten die oberschlesische und die Breslau-Schweidnitz-Freiburger, ferner im Herzen der Monarchie die Berlin-Anhaltische, die Berlin-Potsdam-Magdeburger und die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft zu nennen wären. Die Magdeburg-Leipziger und die Magdeburg-Halberstädter haben schon ihre Hauptlinien in Betrieb gesetzt; im Rheinland haben sich die Rheinische und die Bergisch-Märkische und einige andere Eisenbahngesellschaften gebildet und die ersten Linien ihrer Unternehmungen waren im Betrieb. Westfalen ist noch ganz ohne Eisenbahn, aber die Köln-Mindener Gesellschaft ist begründet.
In Sachsen ist noch reiner Privatbahnbesitz und -betrieb. In Bayern waren außer der schon erwähnten Ludwigsbahn, die Privatbahn blieb, erst einige Strecken eines umfassenden Staatsbahnnetzes fertig, dessen Notwendigkeit dort schon früh von dem Minister v. Abel erkannt war.
Baden und Württemberg hatten sich von Anfang an zum Staatsbahnbau entschlossen, ersteres unter der kraftvollen Leitung des Staatsrats und späteren Staatsministers Nebenius, letzteres unter dem unerschütterlich das Staatsbahnsystem befürwortenden Minister von Schlayer; beide Staaten begannen erst, Teile ihres Netzes fertigzustellen.
1846–1855. Das zweite Jahrzehnt der deutschen Eisenbahngeschichte ist gleich im Anfang durch ein wichtiges Ereignis gekennzeichnet, das die einigende Kraft bewies, die dem neuen Verkehrsmittel innewohnte. Das Streben der aneinanderschließenden Bahnen, sich zur Erreichung gemeinsamer Zwecke zu vereinigen, Verbände zu schließen, führte dazu, daß zehn preußische Privatbahnverwaltungen auf Einladung Berlin-Stettins am 10. November 1846 zusammentraten, um die Schritte zu beraten, die zu einer Änderung einiger drückend empfundener Bestimmungen des schon in den ersten Jahren der Eisenbahnen erlassenen preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 führen könnten. Das wichtigste Ergebnis dieser Beratungen ist darin zu erblicken, daß man einen dauernden Verband der preußischen Eisenbahnen
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