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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912.

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sich in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnzeitalters nur langsam entwickelt haben. Die erste Eisenbahn (26 km) wurde 1837 gebaut. Erst mit dem Jahre 1860 beginnt ein lebhafterer Bau von Eisenbahnen, die sich dann in den zwei Jahrzehnten von 1870 bis 1890 gewaltig ausdehnten und von da an sich ständig und regelmäßig weiterentwickelten. Die Länge der Eisenbahnen betrug am 30. Juni der Jahre:


184026 km190533.168 km
1850114 km190634.646 km
18603.359 km190736.125 km
18704.018 km190837.507 km
188011.087 km190938.783 km
189022.533 km191039.817 km
190028.697 km191140.869 km

II. Die Eisenbahnen sind teils Staatsbahnen, teils Privatbahnen, die fast alle vom Staate unterstützt worden sind. Schon im Jahre 1849 wurde das sog. Garantiegesetz erlassen, das die Regierung ermächtigte, jeder mindestens 70 Meilen (rund 112 km) langen Eisenbahn durch eine Zinsgewähr von 6% für eine Reihe von Jahren zu unterstützen. Bald darauf wurde mit dem Bau von Staatsbahnen begonnen. Die finanzielle Unterstützung einzelner Unternehmungen (so der Grand Trunk-Bahn, der Canadian Pacific- und der anderen Überlandbahnen s. d.) dauerte dabei fort und auch die Provinzialregierungen und die Gemeinden förderten den Bau von Eisenbahnen durch Gewähr von Beihilfen aller Art (vgl. u. III.).

Um die Mitte der Achzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, bis zu welcher Zeit sich die Eisenbahnen selbständig und ohne Beeinflussung durch die Regierung entwickelt hatten, zeigten sich in Kanada ähnliche Mißstände wie in den benachbarten Vereinigten Staaten. Die immer mehr sich häufenden Beschwerden über die Eisenbahntarife, die Eisenbahnunfälle, Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungsführung, der Erstattung der Jahresberichte u. a. gaben Anlaß, daß durch Parlamentsbeschluß vom 14. August 1866 eine königliche Untersuchungskommission eingesetzt und beauftragt wurde, die gesamten Eisenbahnzustände der Kolonie zu prüfen und sich darüber auszusprechen, ob sich der Erlaß eines allgemeinen Eisenbahngesetzes und die Einsetzung einer höchsten Bundes-Eisenbahnaufsichtsbehörde (Railway Commission) empfehle. Diese Untersuchung hat in den Jahren 1886 und 1887 in der in England und den Vereinigten Staaten üblichen Art und Weise stattgefunden. Die Mitglieder der Kommission haben das Land bereist, sie haben England besucht, Zeugen vernommen, Urkunden eingesehen, sie haben angesehene Personen in den Vereinigten Staaten um gutachtliche Äußerungen gebeten und sich über die in England und den Vereinigten Staaten geltenden Eisenbahngesetze unterrichtet. Ein sehr kurzer Bericht über das Ergebnis ihrer Tätigkeit ist am 14. Januar 1888 an den Gouverneur von Kanada erstattet worden, in dem eine einheitliche Regelung der kanadischen Eisenbahnverhältnisse im wesentlichen nach englisch-amerikanischem Muster befürwortet wird (Report of the Royal Commission on Railways with Appendices. Ottawa 1888. 41 Seiten mit Anl.). Das Parlament hat dieser Anregung Folge gegeben und alsbald über ein Eisenbahngesetz beraten, das auch die Zustimmung der Regierung erhalten hat, und seit 22. Mai 1888 unter dem kurzen Titel: "The Railway Act" veröffentlicht ist (51 Victoria, Kapitel 29). Das Gesetz hat 309 Paragraphen und enthält eine vollständige, umfassende, bis ins einzelne gehende Regelung des Eisenbahnwesens der Kolonie. Es bezieht sich indessen nur auf die Privatbahnen. Als höchste Eisenbahnbehörde ist ein Railway Committee of the Privy Council eingesetzt, bestehend aus dem Minister der Eisenbahnen und Kanäle als Vorsitzenden, dem Justizminister und zwei oder mehr anderen Mitgliedern des königl. geheimen Rats für Kanada. Die sehr weitgehenden Befugnisse dieser Behörde werden in den §§ 10-25 festgestellt. Ein großer Teil des Gesetzes betrifft die Bildung der Eisenbahngesellschaften und ihre Beziehungen als Aktiengesellschaften (§§ 31-98), des weiteren enthält es Bestimmungen über den Grunderwerb, Enteignung, den Betrieb, die Bahnpolizei, die Eisenbahnstatistik, die Tarife. Alle früheren Gesetze, insbesondere ein solches aus dem Jahr 1886, werden durch das neue aufgehoben.

An die Stelle des Gesetzes vom 22. Mai 1888 ist das Eisenbahngesetz vom 24. Oktober 1903 getreten. Das neue Gesetz, das sich auch nur auf Privatbahnen bezieht, unterscheidet sich von dem früheren hauptsächlich durch Änderungen in der Fassung und einige Ergänzungen. Die wichtigste sachliche Änderung ist die, daß an Stelle des Railway Committee of the Privy Council ein Board of Railway Commissioners for Canada getreten ist, das aus drei vom Generalgouverneur zu ernennenden Mitgliedern besteht. Das Amt hat seinen Sitz in Ottawa, der Hauptstadt Kanadas. Seine Mitglieder werden auf 10 Jahre ernannt. Es ist sowohl Aufsichtsbehörde über die Privatbahnen

sich in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnzeitalters nur langsam entwickelt haben. Die erste Eisenbahn (26 km) wurde 1837 gebaut. Erst mit dem Jahre 1860 beginnt ein lebhafterer Bau von Eisenbahnen, die sich dann in den zwei Jahrzehnten von 1870 bis 1890 gewaltig ausdehnten und von da an sich ständig und regelmäßig weiterentwickelten. Die Länge der Eisenbahnen betrug am 30. Juni der Jahre:


184026 km190533.168 km
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II. Die Eisenbahnen sind teils Staatsbahnen, teils Privatbahnen, die fast alle vom Staate unterstützt worden sind. Schon im Jahre 1849 wurde das sog. Garantiegesetz erlassen, das die Regierung ermächtigte, jeder mindestens 70 Meilen (rund 112 km) langen Eisenbahn durch eine Zinsgewähr von 6% für eine Reihe von Jahren zu unterstützen. Bald darauf wurde mit dem Bau von Staatsbahnen begonnen. Die finanzielle Unterstützung einzelner Unternehmungen (so der Grand Trunk-Bahn, der Canadian Pacific- und der anderen Überlandbahnen s. d.) dauerte dabei fort und auch die Provinzialregierungen und die Gemeinden förderten den Bau von Eisenbahnen durch Gewähr von Beihilfen aller Art (vgl. u. III.).

Um die Mitte der Achzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, bis zu welcher Zeit sich die Eisenbahnen selbständig und ohne Beeinflussung durch die Regierung entwickelt hatten, zeigten sich in Kanada ähnliche Mißstände wie in den benachbarten Vereinigten Staaten. Die immer mehr sich häufenden Beschwerden über die Eisenbahntarife, die Eisenbahnunfälle, Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungsführung, der Erstattung der Jahresberichte u. a. gaben Anlaß, daß durch Parlamentsbeschluß vom 14. August 1866 eine königliche Untersuchungskommission eingesetzt und beauftragt wurde, die gesamten Eisenbahnzustände der Kolonie zu prüfen und sich darüber auszusprechen, ob sich der Erlaß eines allgemeinen Eisenbahngesetzes und die Einsetzung einer höchsten Bundes-Eisenbahnaufsichtsbehörde (Railway Commission) empfehle. Diese Untersuchung hat in den Jahren 1886 und 1887 in der in England und den Vereinigten Staaten üblichen Art und Weise stattgefunden. Die Mitglieder der Kommission haben das Land bereist, sie haben England besucht, Zeugen vernommen, Urkunden eingesehen, sie haben angesehene Personen in den Vereinigten Staaten um gutachtliche Äußerungen gebeten und sich über die in England und den Vereinigten Staaten geltenden Eisenbahngesetze unterrichtet. Ein sehr kurzer Bericht über das Ergebnis ihrer Tätigkeit ist am 14. Januar 1888 an den Gouverneur von Kanada erstattet worden, in dem eine einheitliche Regelung der kanadischen Eisenbahnverhältnisse im wesentlichen nach englisch-amerikanischem Muster befürwortet wird (Report of the Royal Commission on Railways with Appendices. Ottawa 1888. 41 Seiten mit Anl.). Das Parlament hat dieser Anregung Folge gegeben und alsbald über ein Eisenbahngesetz beraten, das auch die Zustimmung der Regierung erhalten hat, und seit 22. Mai 1888 unter dem kurzen Titel: „The Railway Act“ veröffentlicht ist (51 Victoria, Kapitel 29). Das Gesetz hat 309 Paragraphen und enthält eine vollständige, umfassende, bis ins einzelne gehende Regelung des Eisenbahnwesens der Kolonie. Es bezieht sich indessen nur auf die Privatbahnen. Als höchste Eisenbahnbehörde ist ein Railway Committee of the Privy Council eingesetzt, bestehend aus dem Minister der Eisenbahnen und Kanäle als Vorsitzenden, dem Justizminister und zwei oder mehr anderen Mitgliedern des königl. geheimen Rats für Kanada. Die sehr weitgehenden Befugnisse dieser Behörde werden in den §§ 10–25 festgestellt. Ein großer Teil des Gesetzes betrifft die Bildung der Eisenbahngesellschaften und ihre Beziehungen als Aktiengesellschaften (§§ 31–98), des weiteren enthält es Bestimmungen über den Grunderwerb, Enteignung, den Betrieb, die Bahnpolizei, die Eisenbahnstatistik, die Tarife. Alle früheren Gesetze, insbesondere ein solches aus dem Jahr 1886, werden durch das neue aufgehoben.

An die Stelle des Gesetzes vom 22. Mai 1888 ist das Eisenbahngesetz vom 24. Oktober 1903 getreten. Das neue Gesetz, das sich auch nur auf Privatbahnen bezieht, unterscheidet sich von dem früheren hauptsächlich durch Änderungen in der Fassung und einige Ergänzungen. Die wichtigste sachliche Änderung ist die, daß an Stelle des Railway Committee of the Privy Council ein Board of Railway Commissioners for Canada getreten ist, das aus drei vom Generalgouverneur zu ernennenden Mitgliedern besteht. Das Amt hat seinen Sitz in Ottawa, der Hauptstadt Kanadas. Seine Mitglieder werden auf 10 Jahre ernannt. Es ist sowohl Aufsichtsbehörde über die Privatbahnen

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[78/0089] sich in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnzeitalters nur langsam entwickelt haben. Die erste Eisenbahn (26 km) wurde 1837 gebaut. Erst mit dem Jahre 1860 beginnt ein lebhafterer Bau von Eisenbahnen, die sich dann in den zwei Jahrzehnten von 1870 bis 1890 gewaltig ausdehnten und von da an sich ständig und regelmäßig weiterentwickelten. Die Länge der Eisenbahnen betrug am 30. Juni der Jahre: 1840 26 km 1905 33.168 km 1850 114 km 1906 34.646 km 1860 3.359 km 1907 36.125 km 1870 4.018 km 1908 37.507 km 1880 11.087 km 1909 38.783 km 1890 22.533 km 1910 39.817 km 1900 28.697 km 1911 40.869 km II. Die Eisenbahnen sind teils Staatsbahnen, teils Privatbahnen, die fast alle vom Staate unterstützt worden sind. Schon im Jahre 1849 wurde das sog. Garantiegesetz erlassen, das die Regierung ermächtigte, jeder mindestens 70 Meilen (rund 112 km) langen Eisenbahn durch eine Zinsgewähr von 6% für eine Reihe von Jahren zu unterstützen. Bald darauf wurde mit dem Bau von Staatsbahnen begonnen. Die finanzielle Unterstützung einzelner Unternehmungen (so der Grand Trunk-Bahn, der Canadian Pacific- und der anderen Überlandbahnen s. d.) dauerte dabei fort und auch die Provinzialregierungen und die Gemeinden förderten den Bau von Eisenbahnen durch Gewähr von Beihilfen aller Art (vgl. u. III.). Um die Mitte der Achzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, bis zu welcher Zeit sich die Eisenbahnen selbständig und ohne Beeinflussung durch die Regierung entwickelt hatten, zeigten sich in Kanada ähnliche Mißstände wie in den benachbarten Vereinigten Staaten. Die immer mehr sich häufenden Beschwerden über die Eisenbahntarife, die Eisenbahnunfälle, Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungsführung, der Erstattung der Jahresberichte u. a. gaben Anlaß, daß durch Parlamentsbeschluß vom 14. August 1866 eine königliche Untersuchungskommission eingesetzt und beauftragt wurde, die gesamten Eisenbahnzustände der Kolonie zu prüfen und sich darüber auszusprechen, ob sich der Erlaß eines allgemeinen Eisenbahngesetzes und die Einsetzung einer höchsten Bundes-Eisenbahnaufsichtsbehörde (Railway Commission) empfehle. Diese Untersuchung hat in den Jahren 1886 und 1887 in der in England und den Vereinigten Staaten üblichen Art und Weise stattgefunden. Die Mitglieder der Kommission haben das Land bereist, sie haben England besucht, Zeugen vernommen, Urkunden eingesehen, sie haben angesehene Personen in den Vereinigten Staaten um gutachtliche Äußerungen gebeten und sich über die in England und den Vereinigten Staaten geltenden Eisenbahngesetze unterrichtet. Ein sehr kurzer Bericht über das Ergebnis ihrer Tätigkeit ist am 14. Januar 1888 an den Gouverneur von Kanada erstattet worden, in dem eine einheitliche Regelung der kanadischen Eisenbahnverhältnisse im wesentlichen nach englisch-amerikanischem Muster befürwortet wird (Report of the Royal Commission on Railways with Appendices. Ottawa 1888. 41 Seiten mit Anl.). Das Parlament hat dieser Anregung Folge gegeben und alsbald über ein Eisenbahngesetz beraten, das auch die Zustimmung der Regierung erhalten hat, und seit 22. Mai 1888 unter dem kurzen Titel: „The Railway Act“ veröffentlicht ist (51 Victoria, Kapitel 29). Das Gesetz hat 309 Paragraphen und enthält eine vollständige, umfassende, bis ins einzelne gehende Regelung des Eisenbahnwesens der Kolonie. Es bezieht sich indessen nur auf die Privatbahnen. Als höchste Eisenbahnbehörde ist ein Railway Committee of the Privy Council eingesetzt, bestehend aus dem Minister der Eisenbahnen und Kanäle als Vorsitzenden, dem Justizminister und zwei oder mehr anderen Mitgliedern des königl. geheimen Rats für Kanada. Die sehr weitgehenden Befugnisse dieser Behörde werden in den §§ 10–25 festgestellt. Ein großer Teil des Gesetzes betrifft die Bildung der Eisenbahngesellschaften und ihre Beziehungen als Aktiengesellschaften (§§ 31–98), des weiteren enthält es Bestimmungen über den Grunderwerb, Enteignung, den Betrieb, die Bahnpolizei, die Eisenbahnstatistik, die Tarife. Alle früheren Gesetze, insbesondere ein solches aus dem Jahr 1886, werden durch das neue aufgehoben. An die Stelle des Gesetzes vom 22. Mai 1888 ist das Eisenbahngesetz vom 24. Oktober 1903 getreten. Das neue Gesetz, das sich auch nur auf Privatbahnen bezieht, unterscheidet sich von dem früheren hauptsächlich durch Änderungen in der Fassung und einige Ergänzungen. Die wichtigste sachliche Änderung ist die, daß an Stelle des Railway Committee of the Privy Council ein Board of Railway Commissioners for Canada getreten ist, das aus drei vom Generalgouverneur zu ernennenden Mitgliedern besteht. Das Amt hat seinen Sitz in Ottawa, der Hauptstadt Kanadas. Seine Mitglieder werden auf 10 Jahre ernannt. Es ist sowohl Aufsichtsbehörde über die Privatbahnen

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 3. Berlin, Wien, 1912, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen03_1912/89>, abgerufen am 24.11.2024.