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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914.

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2. Die Versicherungsbeiträge für Gebäude.

3. Rückständige Gehalte und Arbeitslöhne.

4. Guthaben von Bauunternehmern, die vertragsmäßig als Kaution bei der Gesellschaft stehen geblieben sind.

5. Die Obligationsgläubiger, denen vor der Bestellung des Pfandrechtes ein Vorrecht eingeräumt worden und die darauf nicht verzichtet haben, für das Kapital und drei Jahreszinse.

6. Die Pfandgläubiger nach dem Range ihrer Berechtigung für Kapital und drei Jahreszinse.

7. Der aus dem Erlöse des Pfandes nicht gedeckte Betrag der Pfandforderungen und alle übrigen Schulden der Gesellschaft (Art. 38).

Nach Maßgabe dieser Rangordnung wird eine Klassifikation der Gläubiger vom Masseverwalter aufgestellt und nach Bekanntmachung zur Einsicht aufgelegt. Gegen die Klassifikation können binnen 30 Tagen von der Publikation schriftliche Einwendungen erhoben werden. Über die Einwendungen trifft der Masseverwalter die Entscheidung, die binnen 30 Tagen von der Bekanntmachung ab mittels Rekursbeschwerde an das Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 40, 41).

Nach Erledigung aller Anstände bestimmt das Bundesgericht, wo und wie die Auszahlung an die angewiesenen Gläubiger erfolgen soll (Art. 43). Bleibt dabei ein Überschuß, so fällt er den Aktionären zu (Art. 44). (Vgl. auch Meili, Vergleichende Studie über das Pfand- und Konkursrecht der Eisenbahn, Leipzig 1879).

Für Belgien und die Niederlande trifft die im Eingange dieses Artikels gegebene Charakteristik des Eisenbahnkonkursrechtes zu. Es gelten die allgemeinen konkursrechtlichen Grundsätze mit den sich aus der Betriebspflicht und aus der Bindung der Konzessionsübertragung an die staatliche Genehmigung ergebenden Modifikationen.

Frankreich hat kein besonderes K. der Eisenbahnen. Wegen Zwangsmaßregeln zur Realisierung der konzessionsmäßigen Pflichten und im Interesse der Gläubiger siehe den Artikel "Zwangsvollstreckung". Auch für den Konkurs der Eisenbahnen ist es von Bedeutung, daß sie ein Bestandteil des domaine public national und weder eines freiwilligen noch eines Zwangsverkaufes fähig sind. Das Betriebsmaterial der Bahnen ist jedoch dem Verkehre nicht entzogen.

In Italien kann im Falle des Konkurses einer Eisenbahn der Masseverwalter den Betrieb fortführen, oder es übernimmt der Staat den Betrieb für Rechnung der Gesellschaft (Art. 255 des Gesetzes vom 20. III. 1865 über die öffentlichen Arbeiten). Die Gläubiger können die Bahn nicht versteigern lassen. Die zur Bahnanlage gehörigen Grundstücke sind samt Zubehör von jeder Belastung zugunsten dritter Personen befreit, solange sie einen Bestandteil der Bahn bilden.

In Rußland gelten nach dem allgemeinen russischen Eisenbahngesetz vom 12. Juni 1885 für den Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahngesellschaft Bestimmungen, die von denen der übrigen Staaten abweichen. Wenn auf die von dem Gläubiger anstatt der nicht zulässigen Zwangsvollstreckung (s. d.) an die schuldige Gesellschaft gerichtete Zahlungsaufforderung binnen 3 Monaten Zahlung nicht erfolgt, kann der Gläubiger beim zuständigen Gerichte beantragen, die Gesellschaft, die die beklagte Eisenbahn betreibt, für zahlungsunfähig zu erklären. Diese Erklärung hat

1. die Übernahme der Eisenbahn in Staatsverwaltung und

2. die Liquidation der Gesellschaft zur Folge. Die Staatsregierung kann:

a) entweder den Betrieb auf Rechnung der Gesellschaft provisorisch weiterführen oder

b) die Bahn ankaufen oder

c) sie öffentlich verkaufen.

Im ersten Falle erhalten die Gläubiger den nach Deckung der Betriebskosten und nach Zahlung der Zinsen und Amortisationsbeträge für die Hypothekarschulden übrig bleibenden Teil der Einnahmen. Die Betriebführung für Rechnung der Gesellschaft soll nur bis zur Beendigung der Liquidation und keinesfalls länger als 5 Jahre dauern. Im zweiten Falle sind für den Ankauf die in den Statuten der betreffenden Eisenbahngesellschaft enthaltenen Bestimmungen maßgebend, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden. Der Staat haftet hierbei den Gläubigern nur bis zum Betrage des Kaufpreises. Im dritten Falle kommen lediglich die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Anwendung.

Großbritannien und Irland entbehren ebenfalls eines umfassenden Eisenbahnkonkursrechtes. Dagegen ist durch The Railway Companies Act 1867, 30 and 31 Vict., cap. 127 (Browne and Theobald, The Law of Railway Companies, London 1881, S. 6 bis 22.) der Abschluß von Nachlaß- und Stundungsverträgen im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahn geregelt. In diesem Falle können die Direktoren der Gesellschaft den Plan zu einem Arrangement zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern aufstellen, worin, wenn erforderlich, die Beschaffung von Geldmitteln durch Emission neuer Aktien oder Obligationen in Aussicht genommen werden kann. Dieser Plan ist dem Kanzleigericht (Court of Chancery in England or in Ireland) einzureichen und dabei von der Gesellschaft die Erklärung abzugeben, daß sie zahlungsunfähig sei. Ist dies geschehen, so kann der Gerichtshof nach seinem Ermessen Klagen wider die Gesellschaft sistieren. Nach Veröffentlichung des Planes in dem Regierungsblatt darf ohne Genehmigung des Gerichtshofs keine Zwangsvollstreckung, Beschlagnahme oder ein anderes Verfahren gegen die Gesellschaft erfolgen. Der Plan gilt als angenommen, wenn die Mehrzahl der Aktionäre in einer außerordentlichen Versammlung, ferner 3/4 (nach dem Betrag der Forderungen) der Pfandgläubiger, 3/4 der Inhaber von Obligationen, 3/4 der Inhaber von Renten und 3/4 der verschiedenen Klassen von Prioritätsaktionären (Preference shareholders) schriftlich zugestimmt haben. Hat die zahlungsunfähige Gesellschaft die Bahn nur in Verwaltung und Betrieb, so bedarf es auch der Zustimmung von 3/4 der verschiedenen Klassen von Gläubigern und Prioritätsaktionären und der Mehrheit der Aktionäre der betriebüberlassenden Gesellschaft. Die Zustimmung solcher Gläubiger, auf deren Forderungen das Arrangement ohne Einfluß ist, wird nicht gefordert. Erst durch die Bestätigung des Gerichtshofes, vor dem die Beteiligten zu hören sind, erhält das Arrangement bindende Kraft auch für jene, die nicht zugestimmt oder widersprochen haben. Das Arrangement ist in dem Regierungsblatte zu veröffentlichen. Die bezogene Act enthält ferner Sonderbestimmungen

2. Die Versicherungsbeiträge für Gebäude.

3. Rückständige Gehalte und Arbeitslöhne.

4. Guthaben von Bauunternehmern, die vertragsmäßig als Kaution bei der Gesellschaft stehen geblieben sind.

5. Die Obligationsgläubiger, denen vor der Bestellung des Pfandrechtes ein Vorrecht eingeräumt worden und die darauf nicht verzichtet haben, für das Kapital und drei Jahreszinse.

6. Die Pfandgläubiger nach dem Range ihrer Berechtigung für Kapital und drei Jahreszinse.

7. Der aus dem Erlöse des Pfandes nicht gedeckte Betrag der Pfandforderungen und alle übrigen Schulden der Gesellschaft (Art. 38).

Nach Maßgabe dieser Rangordnung wird eine Klassifikation der Gläubiger vom Masseverwalter aufgestellt und nach Bekanntmachung zur Einsicht aufgelegt. Gegen die Klassifikation können binnen 30 Tagen von der Publikation schriftliche Einwendungen erhoben werden. Über die Einwendungen trifft der Masseverwalter die Entscheidung, die binnen 30 Tagen von der Bekanntmachung ab mittels Rekursbeschwerde an das Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 40, 41).

Nach Erledigung aller Anstände bestimmt das Bundesgericht, wo und wie die Auszahlung an die angewiesenen Gläubiger erfolgen soll (Art. 43). Bleibt dabei ein Überschuß, so fällt er den Aktionären zu (Art. 44). (Vgl. auch Meili, Vergleichende Studie über das Pfand- und Konkursrecht der Eisenbahn, Leipzig 1879).

Für Belgien und die Niederlande trifft die im Eingange dieses Artikels gegebene Charakteristik des Eisenbahnkonkursrechtes zu. Es gelten die allgemeinen konkursrechtlichen Grundsätze mit den sich aus der Betriebspflicht und aus der Bindung der Konzessionsübertragung an die staatliche Genehmigung ergebenden Modifikationen.

Frankreich hat kein besonderes K. der Eisenbahnen. Wegen Zwangsmaßregeln zur Realisierung der konzessionsmäßigen Pflichten und im Interesse der Gläubiger siehe den Artikel „Zwangsvollstreckung“. Auch für den Konkurs der Eisenbahnen ist es von Bedeutung, daß sie ein Bestandteil des domaine public national und weder eines freiwilligen noch eines Zwangsverkaufes fähig sind. Das Betriebsmaterial der Bahnen ist jedoch dem Verkehre nicht entzogen.

In Italien kann im Falle des Konkurses einer Eisenbahn der Masseverwalter den Betrieb fortführen, oder es übernimmt der Staat den Betrieb für Rechnung der Gesellschaft (Art. 255 des Gesetzes vom 20. III. 1865 über die öffentlichen Arbeiten). Die Gläubiger können die Bahn nicht versteigern lassen. Die zur Bahnanlage gehörigen Grundstücke sind samt Zubehör von jeder Belastung zugunsten dritter Personen befreit, solange sie einen Bestandteil der Bahn bilden.

In Rußland gelten nach dem allgemeinen russischen Eisenbahngesetz vom 12. Juni 1885 für den Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahngesellschaft Bestimmungen, die von denen der übrigen Staaten abweichen. Wenn auf die von dem Gläubiger anstatt der nicht zulässigen Zwangsvollstreckung (s. d.) an die schuldige Gesellschaft gerichtete Zahlungsaufforderung binnen 3 Monaten Zahlung nicht erfolgt, kann der Gläubiger beim zuständigen Gerichte beantragen, die Gesellschaft, die die beklagte Eisenbahn betreibt, für zahlungsunfähig zu erklären. Diese Erklärung hat

1. die Übernahme der Eisenbahn in Staatsverwaltung und

2. die Liquidation der Gesellschaft zur Folge. Die Staatsregierung kann:

a) entweder den Betrieb auf Rechnung der Gesellschaft provisorisch weiterführen oder

b) die Bahn ankaufen oder

c) sie öffentlich verkaufen.

Im ersten Falle erhalten die Gläubiger den nach Deckung der Betriebskosten und nach Zahlung der Zinsen und Amortisationsbeträge für die Hypothekarschulden übrig bleibenden Teil der Einnahmen. Die Betriebführung für Rechnung der Gesellschaft soll nur bis zur Beendigung der Liquidation und keinesfalls länger als 5 Jahre dauern. Im zweiten Falle sind für den Ankauf die in den Statuten der betreffenden Eisenbahngesellschaft enthaltenen Bestimmungen maßgebend, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden. Der Staat haftet hierbei den Gläubigern nur bis zum Betrage des Kaufpreises. Im dritten Falle kommen lediglich die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Anwendung.

Großbritannien und Irland entbehren ebenfalls eines umfassenden Eisenbahnkonkursrechtes. Dagegen ist durch The Railway Companies Act 1867, 30 and 31 Vict., cap. 127 (Browne and Theobald, The Law of Railway Companies, London 1881, S. 6 bis 22.) der Abschluß von Nachlaß- und Stundungsverträgen im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahn geregelt. In diesem Falle können die Direktoren der Gesellschaft den Plan zu einem Arrangement zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern aufstellen, worin, wenn erforderlich, die Beschaffung von Geldmitteln durch Emission neuer Aktien oder Obligationen in Aussicht genommen werden kann. Dieser Plan ist dem Kanzleigericht (Court of Chancery in England or in Ireland) einzureichen und dabei von der Gesellschaft die Erklärung abzugeben, daß sie zahlungsunfähig sei. Ist dies geschehen, so kann der Gerichtshof nach seinem Ermessen Klagen wider die Gesellschaft sistieren. Nach Veröffentlichung des Planes in dem Regierungsblatt darf ohne Genehmigung des Gerichtshofs keine Zwangsvollstreckung, Beschlagnahme oder ein anderes Verfahren gegen die Gesellschaft erfolgen. Der Plan gilt als angenommen, wenn die Mehrzahl der Aktionäre in einer außerordentlichen Versammlung, ferner 3/4 (nach dem Betrag der Forderungen) der Pfandgläubiger, 3/4 der Inhaber von Obligationen, 3/4 der Inhaber von Renten und 3/4 der verschiedenen Klassen von Prioritätsaktionären (Preference shareholders) schriftlich zugestimmt haben. Hat die zahlungsunfähige Gesellschaft die Bahn nur in Verwaltung und Betrieb, so bedarf es auch der Zustimmung von 3/4 der verschiedenen Klassen von Gläubigern und Prioritätsaktionären und der Mehrheit der Aktionäre der betriebüberlassenden Gesellschaft. Die Zustimmung solcher Gläubiger, auf deren Forderungen das Arrangement ohne Einfluß ist, wird nicht gefordert. Erst durch die Bestätigung des Gerichtshofes, vor dem die Beteiligten zu hören sind, erhält das Arrangement bindende Kraft auch für jene, die nicht zugestimmt oder widersprochen haben. Das Arrangement ist in dem Regierungsblatte zu veröffentlichen. Die bezogene Act enthält ferner Sonderbestimmungen

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[392/0409] 2. Die Versicherungsbeiträge für Gebäude. 3. Rückständige Gehalte und Arbeitslöhne. 4. Guthaben von Bauunternehmern, die vertragsmäßig als Kaution bei der Gesellschaft stehen geblieben sind. 5. Die Obligationsgläubiger, denen vor der Bestellung des Pfandrechtes ein Vorrecht eingeräumt worden und die darauf nicht verzichtet haben, für das Kapital und drei Jahreszinse. 6. Die Pfandgläubiger nach dem Range ihrer Berechtigung für Kapital und drei Jahreszinse. 7. Der aus dem Erlöse des Pfandes nicht gedeckte Betrag der Pfandforderungen und alle übrigen Schulden der Gesellschaft (Art. 38). Nach Maßgabe dieser Rangordnung wird eine Klassifikation der Gläubiger vom Masseverwalter aufgestellt und nach Bekanntmachung zur Einsicht aufgelegt. Gegen die Klassifikation können binnen 30 Tagen von der Publikation schriftliche Einwendungen erhoben werden. Über die Einwendungen trifft der Masseverwalter die Entscheidung, die binnen 30 Tagen von der Bekanntmachung ab mittels Rekursbeschwerde an das Bundesgericht angefochten werden kann (Art. 40, 41). Nach Erledigung aller Anstände bestimmt das Bundesgericht, wo und wie die Auszahlung an die angewiesenen Gläubiger erfolgen soll (Art. 43). Bleibt dabei ein Überschuß, so fällt er den Aktionären zu (Art. 44). (Vgl. auch Meili, Vergleichende Studie über das Pfand- und Konkursrecht der Eisenbahn, Leipzig 1879). Für Belgien und die Niederlande trifft die im Eingange dieses Artikels gegebene Charakteristik des Eisenbahnkonkursrechtes zu. Es gelten die allgemeinen konkursrechtlichen Grundsätze mit den sich aus der Betriebspflicht und aus der Bindung der Konzessionsübertragung an die staatliche Genehmigung ergebenden Modifikationen. Frankreich hat kein besonderes K. der Eisenbahnen. Wegen Zwangsmaßregeln zur Realisierung der konzessionsmäßigen Pflichten und im Interesse der Gläubiger siehe den Artikel „Zwangsvollstreckung“. Auch für den Konkurs der Eisenbahnen ist es von Bedeutung, daß sie ein Bestandteil des domaine public national und weder eines freiwilligen noch eines Zwangsverkaufes fähig sind. Das Betriebsmaterial der Bahnen ist jedoch dem Verkehre nicht entzogen. In Italien kann im Falle des Konkurses einer Eisenbahn der Masseverwalter den Betrieb fortführen, oder es übernimmt der Staat den Betrieb für Rechnung der Gesellschaft (Art. 255 des Gesetzes vom 20. III. 1865 über die öffentlichen Arbeiten). Die Gläubiger können die Bahn nicht versteigern lassen. Die zur Bahnanlage gehörigen Grundstücke sind samt Zubehör von jeder Belastung zugunsten dritter Personen befreit, solange sie einen Bestandteil der Bahn bilden. In Rußland gelten nach dem allgemeinen russischen Eisenbahngesetz vom 12. Juni 1885 für den Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahngesellschaft Bestimmungen, die von denen der übrigen Staaten abweichen. Wenn auf die von dem Gläubiger anstatt der nicht zulässigen Zwangsvollstreckung (s. d.) an die schuldige Gesellschaft gerichtete Zahlungsaufforderung binnen 3 Monaten Zahlung nicht erfolgt, kann der Gläubiger beim zuständigen Gerichte beantragen, die Gesellschaft, die die beklagte Eisenbahn betreibt, für zahlungsunfähig zu erklären. Diese Erklärung hat 1. die Übernahme der Eisenbahn in Staatsverwaltung und 2. die Liquidation der Gesellschaft zur Folge. Die Staatsregierung kann: a) entweder den Betrieb auf Rechnung der Gesellschaft provisorisch weiterführen oder b) die Bahn ankaufen oder c) sie öffentlich verkaufen. Im ersten Falle erhalten die Gläubiger den nach Deckung der Betriebskosten und nach Zahlung der Zinsen und Amortisationsbeträge für die Hypothekarschulden übrig bleibenden Teil der Einnahmen. Die Betriebführung für Rechnung der Gesellschaft soll nur bis zur Beendigung der Liquidation und keinesfalls länger als 5 Jahre dauern. Im zweiten Falle sind für den Ankauf die in den Statuten der betreffenden Eisenbahngesellschaft enthaltenen Bestimmungen maßgebend, soweit nicht besondere Vereinbarungen getroffen werden. Der Staat haftet hierbei den Gläubigern nur bis zum Betrage des Kaufpreises. Im dritten Falle kommen lediglich die allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Anwendung. Großbritannien und Irland entbehren ebenfalls eines umfassenden Eisenbahnkonkursrechtes. Dagegen ist durch The Railway Companies Act 1867, 30 and 31 Vict., cap. 127 (Browne and Theobald, The Law of Railway Companies, London 1881, S. 6 bis 22.) der Abschluß von Nachlaß- und Stundungsverträgen im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Eisenbahn geregelt. In diesem Falle können die Direktoren der Gesellschaft den Plan zu einem Arrangement zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern aufstellen, worin, wenn erforderlich, die Beschaffung von Geldmitteln durch Emission neuer Aktien oder Obligationen in Aussicht genommen werden kann. Dieser Plan ist dem Kanzleigericht (Court of Chancery in England or in Ireland) einzureichen und dabei von der Gesellschaft die Erklärung abzugeben, daß sie zahlungsunfähig sei. Ist dies geschehen, so kann der Gerichtshof nach seinem Ermessen Klagen wider die Gesellschaft sistieren. Nach Veröffentlichung des Planes in dem Regierungsblatt darf ohne Genehmigung des Gerichtshofs keine Zwangsvollstreckung, Beschlagnahme oder ein anderes Verfahren gegen die Gesellschaft erfolgen. Der Plan gilt als angenommen, wenn die Mehrzahl der Aktionäre in einer außerordentlichen Versammlung, ferner 3/4 (nach dem Betrag der Forderungen) der Pfandgläubiger, 3/4 der Inhaber von Obligationen, 3/4 der Inhaber von Renten und 3/4 der verschiedenen Klassen von Prioritätsaktionären (Preference shareholders) schriftlich zugestimmt haben. Hat die zahlungsunfähige Gesellschaft die Bahn nur in Verwaltung und Betrieb, so bedarf es auch der Zustimmung von 3/4 der verschiedenen Klassen von Gläubigern und Prioritätsaktionären und der Mehrheit der Aktionäre der betriebüberlassenden Gesellschaft. Die Zustimmung solcher Gläubiger, auf deren Forderungen das Arrangement ohne Einfluß ist, wird nicht gefordert. Erst durch die Bestätigung des Gerichtshofes, vor dem die Beteiligten zu hören sind, erhält das Arrangement bindende Kraft auch für jene, die nicht zugestimmt oder widersprochen haben. Das Arrangement ist in dem Regierungsblatte zu veröffentlichen. 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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen06_1914/409>, abgerufen am 22.11.2024.