Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 6. Berlin, Wien, 1914.4. Die Ansprüche auf Schadenersatz unterliegen der allgemeinen 30jährigen Verjährung (Art. 2262). Beruht die H. jedoch auf einer strafbaren Handlung, so gilt die kürzere 5- oder 10jährige Verjährung der öffentlichen Strafe auch für die zivilrechtliche Ersatzpflicht. 5. Einzelheiten. a) Die H.-Ansprüche können nicht nur vor dem Zivilrichter, sondern gegebenenfalls auch vor dem Strafrichter im sog. Adhäsionsprozeß geltend gemacht werden. b) Ausschluß oder Einschränkung der Haftung im voraus durch Vertrag ist unmöglich, da eine solche Vereinbarung als gegen die öffentliche Ordnung verstoßend nichtig wäre (Art. 1133, 1131 C. c.). c) Die Schadenersatzansprüche sind, soweit es sich nicht um ideellen Schaden handelt, aktiv wie passiv vererblich. Als Spezialnorm für die Eisenbahnen ist hier nur die Bestimmung des Art. 21 des französischen Bedingnishefts für die Hauptbahnen zu erwähnen, wonach Bahnen für jeden Schaden haften, der durch den Bahnbau herbeigeführt wird. Der Nachweis eines Verschuldens ist in diesem Falle also nicht erforderlich. F. Italien. Die Bestimmungen des Codice civile über Delikte (Art. 1151-1155) sind eine wörtliche Übersetzung der Art. 1382-1386 des französischen Code civil; es gelten daher die bei Frankreich besprochenen Grundsätze auch in Italien. Die Solidarhaftung mehrerer ex delicto haftender Personen ist im Art. 1156 besonders hervorgehoben. G. Niederlande. Die Bestimmungen des niederländischen Deliktrechts sind enthalten in den Art. 1401-1405 des Burgerlyk Wetboek, die wörtlich aus den Art. 1382-1386 des Code civil übersetzt sind (vgl. daher Frankreich). Eine dem Art. 22 des französischen Eisenbahngesetzes von 1845 entsprechende Bestimmung fehlt in Holland. Sondervorschriften für die Eisenbahnen bestehen nicht. Zwar sieht Art. 1 des Eisenbahngesetzes von 1875 (jetzt in der Fassung von 1893) bei Beschädigung von Gütern infolge der Ausübung des Bahnbetriebes eine Verschärfung der Haftpflicht (durch Verschiebung der Beweislast für das Verschulden) vor; allein nach der Auslegung des "Hooge Raad" (Reichsgerichts) bezieht sich diese Verschärfung nur auf Frachtgüter. H. Schweiz. I. Allgemeines bürgerliches Recht. 1. Die hauptsächlichsten Voraussetzungen allgemeiner zivilrechtlicher Haftung nach dem neuen schweizerischen Obligationenrecht vom 30. März 1911 (in Kraft seit 1. Januar 1912) sind: a) vorsätzliche oder fahrlässige (also schuldhafte) Schädigung eines andern unter Verstoß gegen irgend eine Rechtsnorm oder b) vorsätzliche Schädigung. unter Verstoß gegen die guten Sitten (Art. 41 OR.). Die Beweislast trifft den Kläger, während der Beklagte gegebenenfalls den Ausschluß der Rechtswidrigkeit oder sonstige Haftausschließungsgründe nachzuweisen hat. Besondere Haftungsfälle sind in Art. 56 OR. (Haftung für Tiere), Art. 58 ff. OR. (Haftung bei Bauwerken), sodann in dem Bundesgesetz über die Haftung aus Fabrikbetrieb vom 25. Juni 1881, nebst dem Ausdehnungsgesetz vom 26. April 1887 enthalten. 2. Die Bahn (in der Regel eine juristische Person) haftet a) auf Grund der Fiktion eigenen Verschuldens für das Verhalten der Personen, die berufen sind, ihrem Willen Ausdruck zu geben, soweit sie in ihrer Eigenschaft als Organe handeln (Art. 55 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907); b) als Geschäftsherrin für das Verschulden der sonstigen Angestellten und Arbeiter, wenn sie den Schaden in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben. Im Falle b) steht der Bahn der Exkulpationsbeweis offen, daß sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre (Art. 55, Abs. 1 OR.). Sind neben der Bahn noch andere kraft Vertrags oder gesetzlicher Vorschrift Verpflichtete vorhanden, so kann der Berechtigte seine Rechte gegen jeden Verpflichteten nach seiner Wahl in voller Höhe geltend machen. Soweit die Ersatzansprüche als Rechtswirkungen des Unfalls und nicht etwa anderer Umstände (z. B. bei Versicherungen der Prämienzahlung, bei Pensionsansprüchen der geleisteten Dienste) erscheinen, werden die Leistungen des einen Schuldners dem andern gut gerechnet. Im inneren Verhältnis ist die Bahn unbedingt regreßberechtigt gegenüber den Angestellten. Ob und in welchem Umfange die Eisenbahn gegen andere Ersatzpflichtige einen Rückgriff nehmen kann oder umgekehrt ihnen regreßpflichtig ist, wird durch richterliches Ermessen bestimmt, wobei davon auszugehen ist, daß in erster Linie die für eigenes Verschulden haftenden Personen, in zweiter Linie die vertraglich, in dritter Linie die ohne eigene Schuld kraft Gesetzes Verpflichteten 4. Die Ansprüche auf Schadenersatz unterliegen der allgemeinen 30jährigen Verjährung (Art. 2262). Beruht die H. jedoch auf einer strafbaren Handlung, so gilt die kürzere 5- oder 10jährige Verjährung der öffentlichen Strafe auch für die zivilrechtliche Ersatzpflicht. 5. Einzelheiten. a) Die H.-Ansprüche können nicht nur vor dem Zivilrichter, sondern gegebenenfalls auch vor dem Strafrichter im sog. Adhäsionsprozeß geltend gemacht werden. b) Ausschluß oder Einschränkung der Haftung im voraus durch Vertrag ist unmöglich, da eine solche Vereinbarung als gegen die öffentliche Ordnung verstoßend nichtig wäre (Art. 1133, 1131 C. c.). c) Die Schadenersatzansprüche sind, soweit es sich nicht um ideellen Schaden handelt, aktiv wie passiv vererblich. Als Spezialnorm für die Eisenbahnen ist hier nur die Bestimmung des Art. 21 des französischen Bedingnishefts für die Hauptbahnen zu erwähnen, wonach Bahnen für jeden Schaden haften, der durch den Bahnbau herbeigeführt wird. Der Nachweis eines Verschuldens ist in diesem Falle also nicht erforderlich. F. Italien. Die Bestimmungen des Codice civile über Delikte (Art. 1151–1155) sind eine wörtliche Übersetzung der Art. 1382–1386 des französischen Code civil; es gelten daher die bei Frankreich besprochenen Grundsätze auch in Italien. Die Solidarhaftung mehrerer ex delicto haftender Personen ist im Art. 1156 besonders hervorgehoben. G. Niederlande. Die Bestimmungen des niederländischen Deliktrechts sind enthalten in den Art. 1401–1405 des Burgerlyk Wetboek, die wörtlich aus den Art. 1382–1386 des Code civil übersetzt sind (vgl. daher Frankreich). Eine dem Art. 22 des französischen Eisenbahngesetzes von 1845 entsprechende Bestimmung fehlt in Holland. Sondervorschriften für die Eisenbahnen bestehen nicht. Zwar sieht Art. 1 des Eisenbahngesetzes von 1875 (jetzt in der Fassung von 1893) bei Beschädigung von Gütern infolge der Ausübung des Bahnbetriebes eine Verschärfung der Haftpflicht (durch Verschiebung der Beweislast für das Verschulden) vor; allein nach der Auslegung des „Hooge Raad“ (Reichsgerichts) bezieht sich diese Verschärfung nur auf Frachtgüter. H. Schweiz. I. Allgemeines bürgerliches Recht. 1. Die hauptsächlichsten Voraussetzungen allgemeiner zivilrechtlicher Haftung nach dem neuen schweizerischen Obligationenrecht vom 30. März 1911 (in Kraft seit 1. Januar 1912) sind: a) vorsätzliche oder fahrlässige (also schuldhafte) Schädigung eines andern unter Verstoß gegen irgend eine Rechtsnorm oder b) vorsätzliche Schädigung. unter Verstoß gegen die guten Sitten (Art. 41 OR.). Die Beweislast trifft den Kläger, während der Beklagte gegebenenfalls den Ausschluß der Rechtswidrigkeit oder sonstige Haftausschließungsgründe nachzuweisen hat. Besondere Haftungsfälle sind in Art. 56 OR. (Haftung für Tiere), Art. 58 ff. OR. (Haftung bei Bauwerken), sodann in dem Bundesgesetz über die Haftung aus Fabrikbetrieb vom 25. Juni 1881, nebst dem Ausdehnungsgesetz vom 26. April 1887 enthalten. 2. Die Bahn (in der Regel eine juristische Person) haftet a) auf Grund der Fiktion eigenen Verschuldens für das Verhalten der Personen, die berufen sind, ihrem Willen Ausdruck zu geben, soweit sie in ihrer Eigenschaft als Organe handeln (Art. 55 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907); b) als Geschäftsherrin für das Verschulden der sonstigen Angestellten und Arbeiter, wenn sie den Schaden in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben. Im Falle b) steht der Bahn der Exkulpationsbeweis offen, daß sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre (Art. 55, Abs. 1 OR.). Sind neben der Bahn noch andere kraft Vertrags oder gesetzlicher Vorschrift Verpflichtete vorhanden, so kann der Berechtigte seine Rechte gegen jeden Verpflichteten nach seiner Wahl in voller Höhe geltend machen. Soweit die Ersatzansprüche als Rechtswirkungen des Unfalls und nicht etwa anderer Umstände (z. B. bei Versicherungen der Prämienzahlung, bei Pensionsansprüchen der geleisteten Dienste) erscheinen, werden die Leistungen des einen Schuldners dem andern gut gerechnet. Im inneren Verhältnis ist die Bahn unbedingt regreßberechtigt gegenüber den Angestellten. Ob und in welchem Umfange die Eisenbahn gegen andere Ersatzpflichtige einen Rückgriff nehmen kann oder umgekehrt ihnen regreßpflichtig ist, wird durch richterliches Ermessen bestimmt, wobei davon auszugehen ist, daß in erster Linie die für eigenes Verschulden haftenden Personen, in zweiter Linie die vertraglich, in dritter Linie die ohne eigene Schuld kraft Gesetzes Verpflichteten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p> <pb facs="#f0059" n="48"/> </p><lb/> <p>4. Die Ansprüche auf Schadenersatz unterliegen der allgemeinen 30jährigen Verjährung (Art. 2262). Beruht die H. jedoch auf einer strafbaren Handlung, so gilt die kürzere 5- oder 10jährige Verjährung der öffentlichen Strafe auch für die zivilrechtliche Ersatzpflicht.</p><lb/> <p>5. 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Ob und in welchem Umfange die Eisenbahn gegen andere Ersatzpflichtige einen Rückgriff nehmen kann oder umgekehrt ihnen regreßpflichtig ist, wird durch richterliches Ermessen bestimmt, wobei davon auszugehen ist, daß in erster Linie die für eigenes Verschulden haftenden Personen, in zweiter Linie die vertraglich, in dritter Linie die ohne eigene Schuld kraft Gesetzes Verpflichteten </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0059]
4. Die Ansprüche auf Schadenersatz unterliegen der allgemeinen 30jährigen Verjährung (Art. 2262). Beruht die H. jedoch auf einer strafbaren Handlung, so gilt die kürzere 5- oder 10jährige Verjährung der öffentlichen Strafe auch für die zivilrechtliche Ersatzpflicht.
5. Einzelheiten.
a) Die H.-Ansprüche können nicht nur vor dem Zivilrichter, sondern gegebenenfalls auch vor dem Strafrichter im sog. Adhäsionsprozeß geltend gemacht werden. b) Ausschluß oder Einschränkung der Haftung im voraus durch Vertrag ist unmöglich, da eine solche Vereinbarung als gegen die öffentliche Ordnung verstoßend nichtig wäre (Art. 1133, 1131 C. c.). c) Die Schadenersatzansprüche sind, soweit es sich nicht um ideellen Schaden handelt, aktiv wie passiv vererblich.
Als Spezialnorm für die Eisenbahnen ist hier nur die Bestimmung des Art. 21 des französischen Bedingnishefts für die Hauptbahnen zu erwähnen, wonach Bahnen für jeden Schaden haften, der durch den Bahnbau herbeigeführt wird. Der Nachweis eines Verschuldens ist in diesem Falle also nicht erforderlich.
F. Italien.
Die Bestimmungen des Codice civile über Delikte (Art. 1151–1155) sind eine wörtliche Übersetzung der Art. 1382–1386 des französischen Code civil; es gelten daher die bei Frankreich besprochenen Grundsätze auch in Italien. Die Solidarhaftung mehrerer ex delicto haftender Personen ist im Art. 1156 besonders hervorgehoben.
G. Niederlande.
Die Bestimmungen des niederländischen Deliktrechts sind enthalten in den Art. 1401–1405 des Burgerlyk Wetboek, die wörtlich aus den Art. 1382–1386 des Code civil übersetzt sind (vgl. daher Frankreich). Eine dem Art. 22 des französischen Eisenbahngesetzes von 1845 entsprechende Bestimmung fehlt in Holland.
Sondervorschriften für die Eisenbahnen bestehen nicht. Zwar sieht Art. 1 des Eisenbahngesetzes von 1875 (jetzt in der Fassung von 1893) bei Beschädigung von Gütern infolge der Ausübung des Bahnbetriebes eine Verschärfung der Haftpflicht (durch Verschiebung der Beweislast für das Verschulden) vor; allein nach der Auslegung des „Hooge Raad“ (Reichsgerichts) bezieht sich diese Verschärfung nur auf Frachtgüter.
H. Schweiz.
I. Allgemeines bürgerliches Recht.
1. Die hauptsächlichsten Voraussetzungen allgemeiner zivilrechtlicher Haftung nach dem neuen schweizerischen Obligationenrecht vom 30. März 1911 (in Kraft seit 1. Januar 1912) sind: a) vorsätzliche oder fahrlässige (also schuldhafte) Schädigung eines andern unter Verstoß gegen irgend eine Rechtsnorm oder b) vorsätzliche Schädigung. unter Verstoß gegen die guten Sitten (Art. 41 OR.).
Die Beweislast trifft den Kläger, während der Beklagte gegebenenfalls den Ausschluß der Rechtswidrigkeit oder sonstige Haftausschließungsgründe nachzuweisen hat.
Besondere Haftungsfälle sind in Art. 56 OR. (Haftung für Tiere), Art. 58 ff. OR. (Haftung bei Bauwerken), sodann in dem Bundesgesetz über die Haftung aus Fabrikbetrieb vom 25. Juni 1881, nebst dem Ausdehnungsgesetz vom 26. April 1887 enthalten.
2. Die Bahn (in der Regel eine juristische Person) haftet a) auf Grund der Fiktion eigenen Verschuldens für das Verhalten der Personen, die berufen sind, ihrem Willen Ausdruck zu geben, soweit sie in ihrer Eigenschaft als Organe handeln (Art. 55 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs vom 10. Dezember 1907); b) als Geschäftsherrin für das Verschulden der sonstigen Angestellten und Arbeiter, wenn sie den Schaden in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben. Im Falle b) steht der Bahn der Exkulpationsbeweis offen, daß sie alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre (Art. 55, Abs. 1 OR.).
Sind neben der Bahn noch andere kraft Vertrags oder gesetzlicher Vorschrift Verpflichtete vorhanden, so kann der Berechtigte seine Rechte gegen jeden Verpflichteten nach seiner Wahl in voller Höhe geltend machen. Soweit die Ersatzansprüche als Rechtswirkungen des Unfalls und nicht etwa anderer Umstände (z. B. bei Versicherungen der Prämienzahlung, bei Pensionsansprüchen der geleisteten Dienste) erscheinen, werden die Leistungen des einen Schuldners dem andern gut gerechnet. Im inneren Verhältnis ist die Bahn unbedingt regreßberechtigt gegenüber den Angestellten. Ob und in welchem Umfange die Eisenbahn gegen andere Ersatzpflichtige einen Rückgriff nehmen kann oder umgekehrt ihnen regreßpflichtig ist, wird durch richterliches Ermessen bestimmt, wobei davon auszugehen ist, daß in erster Linie die für eigenes Verschulden haftenden Personen, in zweiter Linie die vertraglich, in dritter Linie die ohne eigene Schuld kraft Gesetzes Verpflichteten
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