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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915.

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Die erste Konzession auf Grund der neuen Bestimmungen wurde der neu gebildeten "Österreichischen Staatseisenbahngesellschaft" erteilt; auf Grund Übereinkommens vom 1. Januar 1855 wurde ihr die nördliche und südöstliche Staatsbahn käuflich überlassen und ihr zugleich - der erste Fall dieser Art - eine 5%ige Zinsengarantie zugesichert. Die östliche Staatsbahn wurde in den beiden folgenden Jahren z. T. der Nordbahn, z. T. der galizischen Karl Ludwig-Bahn übergeben. Am 23. September 1858 erfolgte die Konzessionierung der Südbahn, die die südliche Staatsbahn und die Tiroler Staatsbahnlinien erwarb. Hiermit war das gesamte Staatsbahnnetz, mit Ausnahme von zwei 13 km langen Verbindungsstrecken an den Grenzen, an private Gesellschaften, die gleichzeitig konzessionsmäßig die Verpflichtung zum Weiterbau bestimmter Strecken übernehmen mußten, abgegeben. Zu dieser Zeit (1858) standen im ganzen 200 km Eisenbahnen im Betrieb.

An neuen Eisenbahnlinien, deren Bau der Privattätigkeit zu danken ist, wurden u. a. konzessioniert und mit Zinsengarantie ausgestattet: die den Handel in seiner Richtung von Westen nach Osten vermittelnde Kaiserin Elisabeth-Bahn, die südnorddeutsche Verbindungsbahn, sowie die namentlich für die industrielle Entwicklung Böhmens hochwichtige böhmische Westbahn, ferner die Karl-Ludwig-Bahn (Krakau-Lemberg) Ohne Zinsengarantie wurden konzessioniert die Buschtehrader Eisenbahn, die Aussig-Teplitzer-Bahn, die Brünn-Rossitzer und die Graz-Köflacher Bahn, die vorwiegend dem Kohlenverkehr dienen.

Der Umfang der in den Jahren 1854/56 errichteten Eisenbahngesellschaften hatte die verfügbaren Kapitalkräfte in hohem Maße in Anspruch genommen und infolgedessen auf dem Geldmarkte bedenkliche Erscheinungen gezeitigt, die die Regierung veranlaßten, nach Mitteln und Wegen zur Abhilfe zu suchen. Unter dem 1. August 1857 erfolgte eine kais. Entschließung, nach der mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Geldmarkts mit der Erteilung von Konzessionen für Eisenbahnbauten nicht weiter vorzugehen sei, es wäre denn; daß es sich um Projekte handelt, denen als notwendig oder doch evident nützlich und den Geldmarkt nicht beschwerend eine weitere staatliche Förderung zu teil werden sollte.

Die Regierung begünstigte ferner, da sich herausgestellt hatte, daß unter den obwaltenden Verhältnissen Gesellschaften für einzelne kleinere Bahnstrecken, wenn sich diese auch im öffentlichen Verkehrsinteresse als erwünscht darstellten, nicht zu stande kamen, die Bildung größerer Gesellschaftsunternehmungen durch Fusionierung neu zu gründender Privatunternehmungen mit kleineren und namentlich mit solchen Unternehmungen, die zwar konzessioniert wurden, aber an Geldmangel zuscheitern drohten.

Auf solche Art entstanden, nachdem schon im Jahre 1855 die Vereinigung der neugegründeten Staatseisenbahngesellschaft mit der Wien-Raaber Bahn und im nächsten Jahre die der neugegründeten Kaiserin Elisabeth-Bahn mit der in eine Lokomotivbahn umzuwandelnden Budweis-Linz-Gmundner Pferdebahn stattgefunden hatte, die Fusion der für die verkaufte südliche und Tiroler Staatsbahnlinie gebildeten Gesellschaft mit der lombardisch-venezianischen und zentralitalienischen Eisenbahngesellschaft sowie mit den beiden in der Errichtung begriffenen Kaiser Franz Joseph-Orientbahn und der Kärntner Bahn zu einem einheitlichen Unternehmen (südliche Staats-, lombardisch-venezianische und zentralitalienische Eisenbahngesellschaft) mit einem Betriebsnetz von über 3000 km.

In der Zeit der größten Bedrängnis (Frühjahr 1857) kam die Regierung dem Geldmarkt durch Ankauf von Aktien erfolgreich zu Hilfe.

In der Neukonzessionierung von Eisenbahnen trat infolge der geschilderten Verhältnisse, die durch die Kriegsereignisse des Jahres 1859 noch eine bedeutende Verschärfung erlitten, ein völliger Stillstand ein.

Die wenigen Konzessionen, die in den Jahren bis 1864 verliehen wurden, wurden fast sämtlich hinfällig. Eine Ausnahme bildeten die Turnau-Kraluper Bahn (später mit der böhmischen Nordbahn vereinigt) und die Lemberg-Czernowitzer Bahn. Diese Bahn war die erste, der im Wege der Gesetzgebung eine Reinertragsgarantie in fester Summe zugesagt wurde.

Die Regierung prüfte umgehend die Mittel zur Wiederbelebung des gesunkenen Unternehmungsgeistes. Sie war bemüht, den Ausbau des Eisenbahnnetzes in ein bestimmtes System zu bringen und stellte vorerst die Linien in der Gesamtlänge von 922 Meilen fest, deren Bau aus nationalökonomischen, handelspolitischen und strategischen Rücksichten sich als besonders dringend herausgestellt hatte und in 10-15 Jahren durchgeführt werden sollte. Das für diese Linien erforderliche Kapital bezifferte man mit 684 Mill. Gulden. Die Regierung sicherte den Unternehmern unmittelbare Beitragsleistung zu den Anlagekosten oder Zinsgarantie, zu. Der Appell an das Privatkapital verhallte fast wirkungslos. Allerdings brachte das Jahr 1865 eine Reihe neuer Konzessionen, von denen indes nur 3, darunter jene für die böhmische Nordbahn, praktische Bedeutung erlangten. Im Jahre 1866 folgte die Konzessionierung der Kaschau-Oderberger Eisenbahn, ferner der Kaiser Franz Joseph-Bahn und der Kronprinz Rudolf-Bahn, dann des Ergänzungsnetzes der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft.

Erst nach dem Kriege vom Jahre 1866 trat wieder eine Belebung der Bautätigkeit ein. Der wiedergekehrte Friede nach außen, die Regelung der inneren Verhältnisse, sowie die freundlichere Gestaltung des Geldmarkts gewannen rasch das öffentliche Vertrauen und die Schaffenslust. Die Erschließung mächtiger Kohlenlager in Böhmen, eine überaus reiche Getreideausfuhr und das Aufblühen der Industrie steigerten die Erträgnisse

Die erste Konzession auf Grund der neuen Bestimmungen wurde der neu gebildeten „Österreichischen Staatseisenbahngesellschaft“ erteilt; auf Grund Übereinkommens vom 1. Januar 1855 wurde ihr die nördliche und südöstliche Staatsbahn käuflich überlassen und ihr zugleich – der erste Fall dieser Art – eine 5%ige Zinsengarantie zugesichert. Die östliche Staatsbahn wurde in den beiden folgenden Jahren z. T. der Nordbahn, z. T. der galizischen Karl Ludwig-Bahn übergeben. Am 23. September 1858 erfolgte die Konzessionierung der Südbahn, die die südliche Staatsbahn und die Tiroler Staatsbahnlinien erwarb. Hiermit war das gesamte Staatsbahnnetz, mit Ausnahme von zwei 13 km langen Verbindungsstrecken an den Grenzen, an private Gesellschaften, die gleichzeitig konzessionsmäßig die Verpflichtung zum Weiterbau bestimmter Strecken übernehmen mußten, abgegeben. Zu dieser Zeit (1858) standen im ganzen 200 km Eisenbahnen im Betrieb.

An neuen Eisenbahnlinien, deren Bau der Privattätigkeit zu danken ist, wurden u. a. konzessioniert und mit Zinsengarantie ausgestattet: die den Handel in seiner Richtung von Westen nach Osten vermittelnde Kaiserin Elisabeth-Bahn, die südnorddeutsche Verbindungsbahn, sowie die namentlich für die industrielle Entwicklung Böhmens hochwichtige böhmische Westbahn, ferner die Karl-Ludwig-Bahn (Krakau-Lemberg) Ohne Zinsengarantie wurden konzessioniert die Buschtěhrader Eisenbahn, die Aussig-Teplitzer-Bahn, die Brünn-Rossitzer und die Graz-Köflacher Bahn, die vorwiegend dem Kohlenverkehr dienen.

Der Umfang der in den Jahren 1854/56 errichteten Eisenbahngesellschaften hatte die verfügbaren Kapitalkräfte in hohem Maße in Anspruch genommen und infolgedessen auf dem Geldmarkte bedenkliche Erscheinungen gezeitigt, die die Regierung veranlaßten, nach Mitteln und Wegen zur Abhilfe zu suchen. Unter dem 1. August 1857 erfolgte eine kais. Entschließung, nach der mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Geldmarkts mit der Erteilung von Konzessionen für Eisenbahnbauten nicht weiter vorzugehen sei, es wäre denn; daß es sich um Projekte handelt, denen als notwendig oder doch evident nützlich und den Geldmarkt nicht beschwerend eine weitere staatliche Förderung zu teil werden sollte.

Die Regierung begünstigte ferner, da sich herausgestellt hatte, daß unter den obwaltenden Verhältnissen Gesellschaften für einzelne kleinere Bahnstrecken, wenn sich diese auch im öffentlichen Verkehrsinteresse als erwünscht darstellten, nicht zu stande kamen, die Bildung größerer Gesellschaftsunternehmungen durch Fusionierung neu zu gründender Privatunternehmungen mit kleineren und namentlich mit solchen Unternehmungen, die zwar konzessioniert wurden, aber an Geldmangel zuscheitern drohten.

Auf solche Art entstanden, nachdem schon im Jahre 1855 die Vereinigung der neugegründeten Staatseisenbahngesellschaft mit der Wien-Raaber Bahn und im nächsten Jahre die der neugegründeten Kaiserin Elisabeth-Bahn mit der in eine Lokomotivbahn umzuwandelnden Budweis-Linz-Gmundner Pferdebahn stattgefunden hatte, die Fusion der für die verkaufte südliche und Tiroler Staatsbahnlinie gebildeten Gesellschaft mit der lombardisch-venezianischen und zentralitalienischen Eisenbahngesellschaft sowie mit den beiden in der Errichtung begriffenen Kaiser Franz Joseph-Orientbahn und der Kärntner Bahn zu einem einheitlichen Unternehmen (südliche Staats-, lombardisch-venezianische und zentralitalienische Eisenbahngesellschaft) mit einem Betriebsnetz von über 3000 km.

In der Zeit der größten Bedrängnis (Frühjahr 1857) kam die Regierung dem Geldmarkt durch Ankauf von Aktien erfolgreich zu Hilfe.

In der Neukonzessionierung von Eisenbahnen trat infolge der geschilderten Verhältnisse, die durch die Kriegsereignisse des Jahres 1859 noch eine bedeutende Verschärfung erlitten, ein völliger Stillstand ein.

Die wenigen Konzessionen, die in den Jahren bis 1864 verliehen wurden, wurden fast sämtlich hinfällig. Eine Ausnahme bildeten die Turnau-Kraluper Bahn (später mit der böhmischen Nordbahn vereinigt) und die Lemberg-Czernowitzer Bahn. Diese Bahn war die erste, der im Wege der Gesetzgebung eine Reinertragsgarantie in fester Summe zugesagt wurde.

Die Regierung prüfte umgehend die Mittel zur Wiederbelebung des gesunkenen Unternehmungsgeistes. Sie war bemüht, den Ausbau des Eisenbahnnetzes in ein bestimmtes System zu bringen und stellte vorerst die Linien in der Gesamtlänge von 922 Meilen fest, deren Bau aus nationalökonomischen, handelspolitischen und strategischen Rücksichten sich als besonders dringend herausgestellt hatte und in 10–15 Jahren durchgeführt werden sollte. Das für diese Linien erforderliche Kapital bezifferte man mit 684 Mill. Gulden. Die Regierung sicherte den Unternehmern unmittelbare Beitragsleistung zu den Anlagekosten oder Zinsgarantie, zu. Der Appell an das Privatkapital verhallte fast wirkungslos. Allerdings brachte das Jahr 1865 eine Reihe neuer Konzessionen, von denen indes nur 3, darunter jene für die böhmische Nordbahn, praktische Bedeutung erlangten. Im Jahre 1866 folgte die Konzessionierung der Kaschau-Oderberger Eisenbahn, ferner der Kaiser Franz Joseph-Bahn und der Kronprinz Rudolf-Bahn, dann des Ergänzungsnetzes der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft.

Erst nach dem Kriege vom Jahre 1866 trat wieder eine Belebung der Bautätigkeit ein. Der wiedergekehrte Friede nach außen, die Regelung der inneren Verhältnisse, sowie die freundlichere Gestaltung des Geldmarkts gewannen rasch das öffentliche Vertrauen und die Schaffenslust. Die Erschließung mächtiger Kohlenlager in Böhmen, eine überaus reiche Getreideausfuhr und das Aufblühen der Industrie steigerten die Erträgnisse

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[429/0446] Die erste Konzession auf Grund der neuen Bestimmungen wurde der neu gebildeten „Österreichischen Staatseisenbahngesellschaft“ erteilt; auf Grund Übereinkommens vom 1. Januar 1855 wurde ihr die nördliche und südöstliche Staatsbahn käuflich überlassen und ihr zugleich – der erste Fall dieser Art – eine 5%ige Zinsengarantie zugesichert. Die östliche Staatsbahn wurde in den beiden folgenden Jahren z. T. der Nordbahn, z. T. der galizischen Karl Ludwig-Bahn übergeben. Am 23. September 1858 erfolgte die Konzessionierung der Südbahn, die die südliche Staatsbahn und die Tiroler Staatsbahnlinien erwarb. Hiermit war das gesamte Staatsbahnnetz, mit Ausnahme von zwei 13 km langen Verbindungsstrecken an den Grenzen, an private Gesellschaften, die gleichzeitig konzessionsmäßig die Verpflichtung zum Weiterbau bestimmter Strecken übernehmen mußten, abgegeben. Zu dieser Zeit (1858) standen im ganzen 200 km Eisenbahnen im Betrieb. An neuen Eisenbahnlinien, deren Bau der Privattätigkeit zu danken ist, wurden u. a. konzessioniert und mit Zinsengarantie ausgestattet: die den Handel in seiner Richtung von Westen nach Osten vermittelnde Kaiserin Elisabeth-Bahn, die südnorddeutsche Verbindungsbahn, sowie die namentlich für die industrielle Entwicklung Böhmens hochwichtige böhmische Westbahn, ferner die Karl-Ludwig-Bahn (Krakau-Lemberg) Ohne Zinsengarantie wurden konzessioniert die Buschtěhrader Eisenbahn, die Aussig-Teplitzer-Bahn, die Brünn-Rossitzer und die Graz-Köflacher Bahn, die vorwiegend dem Kohlenverkehr dienen. Der Umfang der in den Jahren 1854/56 errichteten Eisenbahngesellschaften hatte die verfügbaren Kapitalkräfte in hohem Maße in Anspruch genommen und infolgedessen auf dem Geldmarkte bedenkliche Erscheinungen gezeitigt, die die Regierung veranlaßten, nach Mitteln und Wegen zur Abhilfe zu suchen. Unter dem 1. August 1857 erfolgte eine kais. Entschließung, nach der mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Geldmarkts mit der Erteilung von Konzessionen für Eisenbahnbauten nicht weiter vorzugehen sei, es wäre denn; daß es sich um Projekte handelt, denen als notwendig oder doch evident nützlich und den Geldmarkt nicht beschwerend eine weitere staatliche Förderung zu teil werden sollte. Die Regierung begünstigte ferner, da sich herausgestellt hatte, daß unter den obwaltenden Verhältnissen Gesellschaften für einzelne kleinere Bahnstrecken, wenn sich diese auch im öffentlichen Verkehrsinteresse als erwünscht darstellten, nicht zu stande kamen, die Bildung größerer Gesellschaftsunternehmungen durch Fusionierung neu zu gründender Privatunternehmungen mit kleineren und namentlich mit solchen Unternehmungen, die zwar konzessioniert wurden, aber an Geldmangel zuscheitern drohten. Auf solche Art entstanden, nachdem schon im Jahre 1855 die Vereinigung der neugegründeten Staatseisenbahngesellschaft mit der Wien-Raaber Bahn und im nächsten Jahre die der neugegründeten Kaiserin Elisabeth-Bahn mit der in eine Lokomotivbahn umzuwandelnden Budweis-Linz-Gmundner Pferdebahn stattgefunden hatte, die Fusion der für die verkaufte südliche und Tiroler Staatsbahnlinie gebildeten Gesellschaft mit der lombardisch-venezianischen und zentralitalienischen Eisenbahngesellschaft sowie mit den beiden in der Errichtung begriffenen Kaiser Franz Joseph-Orientbahn und der Kärntner Bahn zu einem einheitlichen Unternehmen (südliche Staats-, lombardisch-venezianische und zentralitalienische Eisenbahngesellschaft) mit einem Betriebsnetz von über 3000 km. In der Zeit der größten Bedrängnis (Frühjahr 1857) kam die Regierung dem Geldmarkt durch Ankauf von Aktien erfolgreich zu Hilfe. In der Neukonzessionierung von Eisenbahnen trat infolge der geschilderten Verhältnisse, die durch die Kriegsereignisse des Jahres 1859 noch eine bedeutende Verschärfung erlitten, ein völliger Stillstand ein. Die wenigen Konzessionen, die in den Jahren bis 1864 verliehen wurden, wurden fast sämtlich hinfällig. Eine Ausnahme bildeten die Turnau-Kraluper Bahn (später mit der böhmischen Nordbahn vereinigt) und die Lemberg-Czernowitzer Bahn. Diese Bahn war die erste, der im Wege der Gesetzgebung eine Reinertragsgarantie in fester Summe zugesagt wurde. Die Regierung prüfte umgehend die Mittel zur Wiederbelebung des gesunkenen Unternehmungsgeistes. Sie war bemüht, den Ausbau des Eisenbahnnetzes in ein bestimmtes System zu bringen und stellte vorerst die Linien in der Gesamtlänge von 922 Meilen fest, deren Bau aus nationalökonomischen, handelspolitischen und strategischen Rücksichten sich als besonders dringend herausgestellt hatte und in 10–15 Jahren durchgeführt werden sollte. Das für diese Linien erforderliche Kapital bezifferte man mit 684 Mill. Gulden. Die Regierung sicherte den Unternehmern unmittelbare Beitragsleistung zu den Anlagekosten oder Zinsgarantie, zu. Der Appell an das Privatkapital verhallte fast wirkungslos. Allerdings brachte das Jahr 1865 eine Reihe neuer Konzessionen, von denen indes nur 3, darunter jene für die böhmische Nordbahn, praktische Bedeutung erlangten. Im Jahre 1866 folgte die Konzessionierung der Kaschau-Oderberger Eisenbahn, ferner der Kaiser Franz Joseph-Bahn und der Kronprinz Rudolf-Bahn, dann des Ergänzungsnetzes der österreichisch-ungarischen Staatseisenbahngesellschaft. Erst nach dem Kriege vom Jahre 1866 trat wieder eine Belebung der Bautätigkeit ein. Der wiedergekehrte Friede nach außen, die Regelung der inneren Verhältnisse, sowie die freundlichere Gestaltung des Geldmarkts gewannen rasch das öffentliche Vertrauen und die Schaffenslust. Die Erschließung mächtiger Kohlenlager in Böhmen, eine überaus reiche Getreideausfuhr und das Aufblühen der Industrie steigerten die Erträgnisse

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 7. Berlin, Wien, 1915, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen07_1915/446>, abgerufen am 24.11.2024.