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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917.

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noch weiter Schneemassen zum Abgleiten bringt.

In den höchsten vollkommen vegetationslosen Regionen der Hochgebirge, in denen sich die atmosphärische Feuchtigkeit ausschließlich in Form von Pulverschnee ausscheidet, sind Lawinenstürze (Staublawinen) das ganze Jahr hindurch an der Tagesordnung. Sie besorgen die regelmäßige Abfuhr der in diesen Regionen zur Ablagerung gelangten Schneemassen. Letztere erreichen aber nur in den seltensten Fällen die Sohle des Haupttales, sondern werden fast durchgehends in den vergletscherten Hochtälern und auf den vorgelagerten Terrassen zurückgehalten.

In den unteren Gebirgsregionen ist das Auftreten der Lawinen naturgemäß an jene Jahreszeiten gebunden, an denen die Hänge mit Schnee bedeckt sind, das ist in den Alpen etwa die Zeit von Ende Oktober bis Anfang Mai. In diesen Gebieten werden Staublawinen nach heftigen Schneefällen bei kalter Witterung, Grund- und Oberlawinen hauptsächlich bei eintretendem Tauwetter zu gewärtigen sein.

Der bekannte Lawinenautor Coaz teilt mit1, daß von den im Winter und Frühjahr 1887/88 im schweizerischen Hochgebirge beobachteten 1098 Lawinenstürzen 3 im Oktober, 24 im Dezember, 10 im Januar, 533 im Februar, 285 im März, 107 im April und 46 im Mai eingetreten sind. Die meisten Lawinen - u. zw. 133 - fielen am 26. Februar.

Die Wirkungen der Staublawinen werden, wie bereits erwähnt, nicht durch die im Absturz staubartig sich auflösenden Schneemassen, sondern ausschließlich durch die solche Lawinen begleitenden Luftströmungen herbeigeführt. Diese Luftströmungen können derart anwachsen, daß sie nicht nur Hausdächer davontragen, sondern auch ganze Gebäude demolieren und Waldbestände rasieren. Selbstverständlich können sie auch zum Absturz weiterer Lawinen Anlaß geben.

Ober- und Grundlawinen bewirken Verschüttungen. Die durch diese Lawinen zur Abfuhr gelangenden Schneemassen werden aber dem für die Führung einer Eisenbahnlinie etwa in Aussicht genommenen Haupttal nur in jenen Fällen unmittelbar gefährlich werden, in denen die Gebirgshänge von der Talsohle geschlossen und ohne von Terrassen unterbrochen zu werden, bis in die Lawinenanbruchsgebiete aufsteigen. Meist sind aber die Talgehänge terrassiert und von nach oben trichterförmig erweiterten Gräben durchschnitten.

Von diesen Seitengräben werden die abstürzenden Schneemassen in erster Linie aufgenommen und an den Stellen mit geringerem Sohlgefälle und allfälligen anderen Bewegungshindernissen zurückgehalten werden. Mit fortschreitenden Schneeanhäufungen in den Seitengraben werden sich aber die Bewegungshindernisse immer mehr und mehr verlieren, d. h. die Lawinenbahn wird allmählich glatter. Gegen Ende des Winters bzw. bei Beginn des Frühjahrs kann dann die Rückhaltsfähigkeit der Seitengräben schon so weit geschwunden sein, daß der bei eintretendem Tauwetter in großen Mengen zum Absturz gelangende Schnee mit seiner ganzen oft ungeheuren Masse ins Tal gelangt.

In dieser Form sind die Grundlawinen am gefürchtetsten. Im Eisenbahnbetrieb stehen solche vor Durchführung der Lawinenverbauungen zwischen Piotta und Fiesco und bei Wasen (März 1888) auf der Gotthardbahn, ferner am Brenner (Februar 1888) und auf der Kronprinz-Rudolf-Bahn (Koppental zwischen Ischl und Aussee, Februar 1876) aufgetretene Grundlawinen noch heute in Erinnerung und haben diese Ereignisse fraglos viel zu der seit jener Zeit mit Aufwand bedeutender Mittel bei allen Gebirgsbahnen durchgeführten Verbauungsarbeiten mit Anlaß gegeben.

Grundlawinen dieser Art sind vielfach mit Bergstürzen verglichen worden. Sie fördern nicht nur ungeheure, meist mehrere hunderttausend m3 messende Schneemassen, sondern auch alles, was sie in ihren Bahnen an lockeren Felstrümmern, Steinstücken, Baumstämmen finden, mit ins Tal. Hier werden sie nicht allein durch Verschüttung der Bauten und Kulturen, durch die abrasierende Wirkung der bewegten Schneemassen und die zertrümmernde Wirkung der mitstürzenden Felsstücke, sondern namentlich auch durch Aufstau der dem Zug des Haupttals folgenden Wasserläufe gefährlich.

Zur Illustration der vorstehenden Ausführungen kann die Lawine angeführt werden, die am 14. April 1888 im Schoassenbach bei Kilometer 122·9 in der Schleife Schelleberg-Gossensaß zum Absturz kam und die eine große gewölbte Brücke von 15·172 m Spannweite und 8·5 m größter Lichthöhe (Segmentgewölbe mit 3·793 m Pfeilhöhe und 1·11 m Stärke) zerstörte. Das Gewölbe wurde durch die Lawine von den Widerlagern abgehoben und fortgeführt, auch die Widerlager wurden bis fast auf Erdhöhe weggerissen.

Die im oberen Leventinatal an der Südrampe der Gotthardbahn in der Zeit vom 26. bis 30. März 1888 niedergegangenen Lawinen bedeckten auch die näher dem Berg zu gelegene Gotthardstraße, den Tessin und das jenseitige Ufer auf etwa 100 m Entfernung von der Bahn, teilweise in noch bedeutend größerer Höhe, ohne indes eine längere Stauung des Flusses, der sich bald unter der Lawine

1 Lawinenschaden im schweizerischen Hochgebirge im Winter und Frühjahr 1887/88, Bern, Stampfeische Buchdruckerei.

noch weiter Schneemassen zum Abgleiten bringt.

In den höchsten vollkommen vegetationslosen Regionen der Hochgebirge, in denen sich die atmosphärische Feuchtigkeit ausschließlich in Form von Pulverschnee ausscheidet, sind Lawinenstürze (Staublawinen) das ganze Jahr hindurch an der Tagesordnung. Sie besorgen die regelmäßige Abfuhr der in diesen Regionen zur Ablagerung gelangten Schneemassen. Letztere erreichen aber nur in den seltensten Fällen die Sohle des Haupttales, sondern werden fast durchgehends in den vergletscherten Hochtälern und auf den vorgelagerten Terrassen zurückgehalten.

In den unteren Gebirgsregionen ist das Auftreten der Lawinen naturgemäß an jene Jahreszeiten gebunden, an denen die Hänge mit Schnee bedeckt sind, das ist in den Alpen etwa die Zeit von Ende Oktober bis Anfang Mai. In diesen Gebieten werden Staublawinen nach heftigen Schneefällen bei kalter Witterung, Grund- und Oberlawinen hauptsächlich bei eintretendem Tauwetter zu gewärtigen sein.

Der bekannte Lawinenautor Coaz teilt mit1, daß von den im Winter und Frühjahr 1887/88 im schweizerischen Hochgebirge beobachteten 1098 Lawinenstürzen 3 im Oktober, 24 im Dezember, 10 im Januar, 533 im Februar, 285 im März, 107 im April und 46 im Mai eingetreten sind. Die meisten Lawinen – u. zw. 133 – fielen am 26. Februar.

Die Wirkungen der Staublawinen werden, wie bereits erwähnt, nicht durch die im Absturz staubartig sich auflösenden Schneemassen, sondern ausschließlich durch die solche Lawinen begleitenden Luftströmungen herbeigeführt. Diese Luftströmungen können derart anwachsen, daß sie nicht nur Hausdächer davontragen, sondern auch ganze Gebäude demolieren und Waldbestände rasieren. Selbstverständlich können sie auch zum Absturz weiterer Lawinen Anlaß geben.

Ober- und Grundlawinen bewirken Verschüttungen. Die durch diese Lawinen zur Abfuhr gelangenden Schneemassen werden aber dem für die Führung einer Eisenbahnlinie etwa in Aussicht genommenen Haupttal nur in jenen Fällen unmittelbar gefährlich werden, in denen die Gebirgshänge von der Talsohle geschlossen und ohne von Terrassen unterbrochen zu werden, bis in die Lawinenanbruchsgebiete aufsteigen. Meist sind aber die Talgehänge terrassiert und von nach oben trichterförmig erweiterten Gräben durchschnitten.

Von diesen Seitengräben werden die abstürzenden Schneemassen in erster Linie aufgenommen und an den Stellen mit geringerem Sohlgefälle und allfälligen anderen Bewegungshindernissen zurückgehalten werden. Mit fortschreitenden Schneeanhäufungen in den Seitengraben werden sich aber die Bewegungshindernisse immer mehr und mehr verlieren, d. h. die Lawinenbahn wird allmählich glatter. Gegen Ende des Winters bzw. bei Beginn des Frühjahrs kann dann die Rückhaltsfähigkeit der Seitengräben schon so weit geschwunden sein, daß der bei eintretendem Tauwetter in großen Mengen zum Absturz gelangende Schnee mit seiner ganzen oft ungeheuren Masse ins Tal gelangt.

In dieser Form sind die Grundlawinen am gefürchtetsten. Im Eisenbahnbetrieb stehen solche vor Durchführung der Lawinenverbauungen zwischen Piotta und Fiesco und bei Wasen (März 1888) auf der Gotthardbahn, ferner am Brenner (Februar 1888) und auf der Kronprinz-Rudolf-Bahn (Koppental zwischen Ischl und Aussee, Februar 1876) aufgetretene Grundlawinen noch heute in Erinnerung und haben diese Ereignisse fraglos viel zu der seit jener Zeit mit Aufwand bedeutender Mittel bei allen Gebirgsbahnen durchgeführten Verbauungsarbeiten mit Anlaß gegeben.

Grundlawinen dieser Art sind vielfach mit Bergstürzen verglichen worden. Sie fördern nicht nur ungeheure, meist mehrere hunderttausend m3 messende Schneemassen, sondern auch alles, was sie in ihren Bahnen an lockeren Felstrümmern, Steinstücken, Baumstämmen finden, mit ins Tal. Hier werden sie nicht allein durch Verschüttung der Bauten und Kulturen, durch die abrasierende Wirkung der bewegten Schneemassen und die zertrümmernde Wirkung der mitstürzenden Felsstücke, sondern namentlich auch durch Aufstau der dem Zug des Haupttals folgenden Wasserläufe gefährlich.

Zur Illustration der vorstehenden Ausführungen kann die Lawine angeführt werden, die am 14. April 1888 im Schoassenbach bei Kilometer 122·9 in der Schleife Schelleberg-Gossensaß zum Absturz kam und die eine große gewölbte Brücke von 15·172 m Spannweite und 8·5 m größter Lichthöhe (Segmentgewölbe mit 3·793 m Pfeilhöhe und 1·11 m Stärke) zerstörte. Das Gewölbe wurde durch die Lawine von den Widerlagern abgehoben und fortgeführt, auch die Widerlager wurden bis fast auf Erdhöhe weggerissen.

Die im oberen Leventinatal an der Südrampe der Gotthardbahn in der Zeit vom 26. bis 30. März 1888 niedergegangenen Lawinen bedeckten auch die näher dem Berg zu gelegene Gotthardstraße, den Tessin und das jenseitige Ufer auf etwa 100 m Entfernung von der Bahn, teilweise in noch bedeutend größerer Höhe, ohne indes eine längere Stauung des Flusses, der sich bald unter der Lawine

1 Lawinenschaden im schweizerischen Hochgebirge im Winter und Frühjahr 1887/88, Bern, Stampfeische Buchdruckerei.
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[399/0418] noch weiter Schneemassen zum Abgleiten bringt. In den höchsten vollkommen vegetationslosen Regionen der Hochgebirge, in denen sich die atmosphärische Feuchtigkeit ausschließlich in Form von Pulverschnee ausscheidet, sind Lawinenstürze (Staublawinen) das ganze Jahr hindurch an der Tagesordnung. Sie besorgen die regelmäßige Abfuhr der in diesen Regionen zur Ablagerung gelangten Schneemassen. Letztere erreichen aber nur in den seltensten Fällen die Sohle des Haupttales, sondern werden fast durchgehends in den vergletscherten Hochtälern und auf den vorgelagerten Terrassen zurückgehalten. In den unteren Gebirgsregionen ist das Auftreten der Lawinen naturgemäß an jene Jahreszeiten gebunden, an denen die Hänge mit Schnee bedeckt sind, das ist in den Alpen etwa die Zeit von Ende Oktober bis Anfang Mai. In diesen Gebieten werden Staublawinen nach heftigen Schneefällen bei kalter Witterung, Grund- und Oberlawinen hauptsächlich bei eintretendem Tauwetter zu gewärtigen sein. Der bekannte Lawinenautor Coaz teilt mit 1, daß von den im Winter und Frühjahr 1887/88 im schweizerischen Hochgebirge beobachteten 1098 Lawinenstürzen 3 im Oktober, 24 im Dezember, 10 im Januar, 533 im Februar, 285 im März, 107 im April und 46 im Mai eingetreten sind. Die meisten Lawinen – u. zw. 133 – fielen am 26. Februar. Die Wirkungen der Staublawinen werden, wie bereits erwähnt, nicht durch die im Absturz staubartig sich auflösenden Schneemassen, sondern ausschließlich durch die solche Lawinen begleitenden Luftströmungen herbeigeführt. Diese Luftströmungen können derart anwachsen, daß sie nicht nur Hausdächer davontragen, sondern auch ganze Gebäude demolieren und Waldbestände rasieren. Selbstverständlich können sie auch zum Absturz weiterer Lawinen Anlaß geben. Ober- und Grundlawinen bewirken Verschüttungen. Die durch diese Lawinen zur Abfuhr gelangenden Schneemassen werden aber dem für die Führung einer Eisenbahnlinie etwa in Aussicht genommenen Haupttal nur in jenen Fällen unmittelbar gefährlich werden, in denen die Gebirgshänge von der Talsohle geschlossen und ohne von Terrassen unterbrochen zu werden, bis in die Lawinenanbruchsgebiete aufsteigen. Meist sind aber die Talgehänge terrassiert und von nach oben trichterförmig erweiterten Gräben durchschnitten. Von diesen Seitengräben werden die abstürzenden Schneemassen in erster Linie aufgenommen und an den Stellen mit geringerem Sohlgefälle und allfälligen anderen Bewegungshindernissen zurückgehalten werden. Mit fortschreitenden Schneeanhäufungen in den Seitengraben werden sich aber die Bewegungshindernisse immer mehr und mehr verlieren, d. h. die Lawinenbahn wird allmählich glatter. Gegen Ende des Winters bzw. bei Beginn des Frühjahrs kann dann die Rückhaltsfähigkeit der Seitengräben schon so weit geschwunden sein, daß der bei eintretendem Tauwetter in großen Mengen zum Absturz gelangende Schnee mit seiner ganzen oft ungeheuren Masse ins Tal gelangt. In dieser Form sind die Grundlawinen am gefürchtetsten. Im Eisenbahnbetrieb stehen solche vor Durchführung der Lawinenverbauungen zwischen Piotta und Fiesco und bei Wasen (März 1888) auf der Gotthardbahn, ferner am Brenner (Februar 1888) und auf der Kronprinz-Rudolf-Bahn (Koppental zwischen Ischl und Aussee, Februar 1876) aufgetretene Grundlawinen noch heute in Erinnerung und haben diese Ereignisse fraglos viel zu der seit jener Zeit mit Aufwand bedeutender Mittel bei allen Gebirgsbahnen durchgeführten Verbauungsarbeiten mit Anlaß gegeben. Grundlawinen dieser Art sind vielfach mit Bergstürzen verglichen worden. Sie fördern nicht nur ungeheure, meist mehrere hunderttausend m3 messende Schneemassen, sondern auch alles, was sie in ihren Bahnen an lockeren Felstrümmern, Steinstücken, Baumstämmen finden, mit ins Tal. Hier werden sie nicht allein durch Verschüttung der Bauten und Kulturen, durch die abrasierende Wirkung der bewegten Schneemassen und die zertrümmernde Wirkung der mitstürzenden Felsstücke, sondern namentlich auch durch Aufstau der dem Zug des Haupttals folgenden Wasserläufe gefährlich. Zur Illustration der vorstehenden Ausführungen kann die Lawine angeführt werden, die am 14. April 1888 im Schoassenbach bei Kilometer 122·9 in der Schleife Schelleberg-Gossensaß zum Absturz kam und die eine große gewölbte Brücke von 15·172 m Spannweite und 8·5 m größter Lichthöhe (Segmentgewölbe mit 3·793 m Pfeilhöhe und 1·11 m Stärke) zerstörte. Das Gewölbe wurde durch die Lawine von den Widerlagern abgehoben und fortgeführt, auch die Widerlager wurden bis fast auf Erdhöhe weggerissen. Die im oberen Leventinatal an der Südrampe der Gotthardbahn in der Zeit vom 26. bis 30. März 1888 niedergegangenen Lawinen bedeckten auch die näher dem Berg zu gelegene Gotthardstraße, den Tessin und das jenseitige Ufer auf etwa 100 m Entfernung von der Bahn, teilweise in noch bedeutend größerer Höhe, ohne indes eine längere Stauung des Flusses, der sich bald unter der Lawine 1 Lawinenschaden im schweizerischen Hochgebirge im Winter und Frühjahr 1887/88, Bern, Stampfeische Buchdruckerei.

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 8. Berlin, Wien, 1917, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen08_1917/418>, abgerufen am 01.11.2024.