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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Die Gährung in den Gemüthern der Polen aber ward
gegen Ende des Jahres so stark, daß der russische Minister in
Warschau, General Wojejkow, sich veranlaßt sah, eine öffentliche
Declaration zu erlassen, worin er erklärte, daß die Kaiserin,
von dem Haß des großpolnischen Adels und seiner Sympathie
für Friedrich II. unterrichtet, beschlossen habe, den General
Wolchonski mit 12,000 Mann frischer Truppen dorthin zu
senden, der gegen alle "Widerspenstigen" mit aller Strenge
vorgehen werde 1).

Man sieht, wie es mit der Selbstständigkeit und Wehr-
haftigkeit der Republik schon damals stand. Sie wollte in dem
großen Kampf der Nachbarn neutral bleiben und mußte es
dulden, daß derselbe unaufhörlich auf ihr Gebiet hinübergriff
und die Russen im ganzen Lande die Herren waren. Brühl
konnte im äußersten Fall auf deren Unterstützung sicher rechnen.
Das wußte, wie jedermann, so auch die "Familie". Der russische
Gesandte in Warschau, Wojejkow, beachtete sie während seines
ganzen Aufenthalts dort (seit 1758) so gut wie gar nicht, während
der preußische Resident Benoit, der die Neigung der Großfürstin

soutenirt werden würde. -- Einzelne dieser Herren spielten hiebei auch
doppeltes Spiel. So z. B. ersieht man aus den Acten, betreffend die
Beschwerden der Polen über die königlichen Truppen und den Geh.-R.
v. Brenkenhof 1762--1763, daß Sapieha, der Woiwode von Smolensk,
das Vorrücken der russischen Truppen benutzte, um mit Hilfe russischer
Soldaten die von seinen Gütern über die Gränze nach Preußen entlau-
fenen Bauern, Gärtner u. s. w. aufheben und mit Sack und Pack
wieder zurückbringen zu lassen. Auch diente er dadurch den Russen, daß
er ihnen durch seine Beamten Nachrichten über die Bewegungen der
preußischen Truppen zukommen ließ. Zugleich schreibt er 26. März 1763
an den Chef Brenkenhofs: "Il sera connue a V. Excellence combien dans
toutes les occurrences j'ai tache avec empressement de me rendre digne
des bonnes graces et de la protection de s. Majeste."
-- Im Sommer
1760 erließ auch Prinz Heinrich ein Manifest an die Polen, ähnlich dem
Friedrichs vom 2. März (s. oben S. 87). In Bezug hierauf schrieb
Brühl an Riedesel (a. a. O., S. 80): "Daß übrigens die Einwohner von
Posen das Manifest so geheim gehalten, zeiget nicht undeutlich an, daß
sie mehr preußisch als russisch gesinnt sein müssen."
1) Benoit, Bericht vom 18. November 1761.

Die Gährung in den Gemüthern der Polen aber ward
gegen Ende des Jahres ſo ſtark, daß der ruſſiſche Miniſter in
Warſchau, General Wojejkow, ſich veranlaßt ſah, eine öffentliche
Declaration zu erlaſſen, worin er erklärte, daß die Kaiſerin,
von dem Haß des großpolniſchen Adels und ſeiner Sympathie
für Friedrich II. unterrichtet, beſchloſſen habe, den General
Wolchonski mit 12,000 Mann friſcher Truppen dorthin zu
ſenden, der gegen alle „Widerſpenſtigen“ mit aller Strenge
vorgehen werde 1).

Man ſieht, wie es mit der Selbſtſtändigkeit und Wehr-
haftigkeit der Republik ſchon damals ſtand. Sie wollte in dem
großen Kampf der Nachbarn neutral bleiben und mußte es
dulden, daß derſelbe unaufhörlich auf ihr Gebiet hinübergriff
und die Ruſſen im ganzen Lande die Herren waren. Brühl
konnte im äußerſten Fall auf deren Unterſtützung ſicher rechnen.
Das wußte, wie jedermann, ſo auch die „Familie“. Der ruſſiſche
Geſandte in Warſchau, Wojejkow, beachtete ſie während ſeines
ganzen Aufenthalts dort (ſeit 1758) ſo gut wie gar nicht, während
der preußiſche Reſident Benoit, der die Neigung der Großfürſtin

ſoutenirt werden würde. — Einzelne dieſer Herren ſpielten hiebei auch
doppeltes Spiel. So z. B. erſieht man aus den Acten, betreffend die
Beſchwerden der Polen über die königlichen Truppen und den Geh.-R.
v. Brenkenhof 1762—1763, daß Sapieha, der Woiwode von Smolensk,
das Vorrücken der ruſſiſchen Truppen benutzte, um mit Hilfe ruſſiſcher
Soldaten die von ſeinen Gütern über die Gränze nach Preußen entlau-
fenen Bauern, Gärtner u. ſ. w. aufheben und mit Sack und Pack
wieder zurückbringen zu laſſen. Auch diente er dadurch den Ruſſen, daß
er ihnen durch ſeine Beamten Nachrichten über die Bewegungen der
preußiſchen Truppen zukommen ließ. Zugleich ſchreibt er 26. März 1763
an den Chef Brenkenhofs: „Il sera connue à V. Excellence combien dans
toutes les occurrences j’ai taché avec empressement de me rendre digne
des bonnes graces et de la protection de s. Majesté.“
— Im Sommer
1760 erließ auch Prinz Heinrich ein Manifeſt an die Polen, ähnlich dem
Friedrichs vom 2. März (ſ. oben S. 87). In Bezug hierauf ſchrieb
Brühl an Riedeſel (a. a. O., S. 80): „Daß übrigens die Einwohner von
Poſen das Manifeſt ſo geheim gehalten, zeiget nicht undeutlich an, daß
ſie mehr preußiſch als ruſſiſch geſinnt ſein müſſen.“
1) Benoit, Bericht vom 18. November 1761.
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[144/0158] Die Gährung in den Gemüthern der Polen aber ward gegen Ende des Jahres ſo ſtark, daß der ruſſiſche Miniſter in Warſchau, General Wojejkow, ſich veranlaßt ſah, eine öffentliche Declaration zu erlaſſen, worin er erklärte, daß die Kaiſerin, von dem Haß des großpolniſchen Adels und ſeiner Sympathie für Friedrich II. unterrichtet, beſchloſſen habe, den General Wolchonski mit 12,000 Mann friſcher Truppen dorthin zu ſenden, der gegen alle „Widerſpenſtigen“ mit aller Strenge vorgehen werde 1). Man ſieht, wie es mit der Selbſtſtändigkeit und Wehr- haftigkeit der Republik ſchon damals ſtand. Sie wollte in dem großen Kampf der Nachbarn neutral bleiben und mußte es dulden, daß derſelbe unaufhörlich auf ihr Gebiet hinübergriff und die Ruſſen im ganzen Lande die Herren waren. Brühl konnte im äußerſten Fall auf deren Unterſtützung ſicher rechnen. Das wußte, wie jedermann, ſo auch die „Familie“. Der ruſſiſche Geſandte in Warſchau, Wojejkow, beachtete ſie während ſeines ganzen Aufenthalts dort (ſeit 1758) ſo gut wie gar nicht, während der preußiſche Reſident Benoit, der die Neigung der Großfürſtin 2) 1) Benoit, Bericht vom 18. November 1761. 2) ſoutenirt werden würde. — Einzelne dieſer Herren ſpielten hiebei auch doppeltes Spiel. So z. B. erſieht man aus den Acten, betreffend die Beſchwerden der Polen über die königlichen Truppen und den Geh.-R. v. Brenkenhof 1762—1763, daß Sapieha, der Woiwode von Smolensk, das Vorrücken der ruſſiſchen Truppen benutzte, um mit Hilfe ruſſiſcher Soldaten die von ſeinen Gütern über die Gränze nach Preußen entlau- fenen Bauern, Gärtner u. ſ. w. aufheben und mit Sack und Pack wieder zurückbringen zu laſſen. Auch diente er dadurch den Ruſſen, daß er ihnen durch ſeine Beamten Nachrichten über die Bewegungen der preußiſchen Truppen zukommen ließ. Zugleich ſchreibt er 26. März 1763 an den Chef Brenkenhofs: „Il sera connue à V. Excellence combien dans toutes les occurrences j’ai taché avec empressement de me rendre digne des bonnes graces et de la protection de s. Majesté.“ — Im Sommer 1760 erließ auch Prinz Heinrich ein Manifeſt an die Polen, ähnlich dem Friedrichs vom 2. März (ſ. oben S. 87). In Bezug hierauf ſchrieb Brühl an Riedeſel (a. a. O., S. 80): „Daß übrigens die Einwohner von Poſen das Manifeſt ſo geheim gehalten, zeiget nicht undeutlich an, daß ſie mehr preußiſch als ruſſiſch geſinnt ſein müſſen.“

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/158>, abgerufen am 21.11.2024.