stände eben so characteristisch als folgenschwer. Denn Frie- drich August erreichte seine Erhebung auf den Thron im wesent- lichen dadurch, daß er kein Gold zur Bestechung sparte, mit mehreren tausend Mann tüchtiger sächsischer Truppen sofort ins Land rückte und die Unterstützung Östreichs, Rußlands und Roms für sich hatte.
Und wie der Anfang, war auch der Fortgang. Dieselben Mächte, welche ihn auf den Thron gesetzt, mußten ihn auch auf demselben erhalten. Ohne die Siege Peters des Großen über Karl XII. wäre er, nach seiner schon er- folgten Abdankung zu Gunsten Stanislaw Leszczynski's, schwer- lich jemals wieder als Herrscher nach Polen zurückgekehrt. Und als er starb (1733), waren es wiederum Östreich und Rußland, vornämlich aber des letzteren Waffen, welche für seinen Sohn die Entscheidung gaben. Die Nation selbst hatte sich in ihrer überwiegenden Mehrzahl für Stanislaw Leszczynski erklärt, ließ ihn aber nach kurzem und kraftlosem Wider- stande wieder fallen, weil sie einmal keine Armee hatte, welche den waffengeübten, disciplinirten russischen und säch- sischen Truppen Stand zu halten vermochte, und weil zum andern das alte allgemeine Aufgebot des Adels (Pospolite ruszenie) bei diesem keinen hinreichenden Anklang mehr fand. Hatte man doch bereits zur Zeit der Wahl des ersten Sachsen vielfach die Rede gehört: "sie könnten Könige genug haben, ohne für irgend einen ihr Blut zu vergießen" 1).
Die Folge war, daß der Einfluß Rußlands in Polen je länger, je höher stieg, die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik je länger, je tiefer sank. Alle Verhältnisse, die Constellation der allgemeinen europäischen Politik, wie die in- neren Zustände Polens waren günstig für Rußland. Östreich, in den nächsten Jahrzehnten fast stets mit Rußland enge ver- bündet, hatte eben daher keinen Grund, ihm in Warschau ent- gegen zu sein; Frankreich aber vermochte es anfangs nicht, und durfte später selbst es nicht wollen, seitdem Ludwig XV. in die östreichisch-russische Alliance gegen Friedrich II. getreten war.
1)Connor, History of Poland (London 1698), p. 208.
ſtände eben ſo characteriſtiſch als folgenſchwer. Denn Frie- drich Auguſt erreichte ſeine Erhebung auf den Thron im weſent- lichen dadurch, daß er kein Gold zur Beſtechung ſparte, mit mehreren tauſend Mann tüchtiger ſächſiſcher Truppen ſofort ins Land rückte und die Unterſtützung Öſtreichs, Rußlands und Roms für ſich hatte.
Und wie der Anfang, war auch der Fortgang. Dieſelben Mächte, welche ihn auf den Thron geſetzt, mußten ihn auch auf demſelben erhalten. Ohne die Siege Peters des Großen über Karl XII. wäre er, nach ſeiner ſchon er- folgten Abdankung zu Gunſten Stanislaw Leszczynski’s, ſchwer- lich jemals wieder als Herrſcher nach Polen zurückgekehrt. Und als er ſtarb (1733), waren es wiederum Öſtreich und Rußland, vornämlich aber des letzteren Waffen, welche für ſeinen Sohn die Entſcheidung gaben. Die Nation ſelbſt hatte ſich in ihrer überwiegenden Mehrzahl für Stanislaw Leszczynski erklärt, ließ ihn aber nach kurzem und kraftloſem Wider- ſtande wieder fallen, weil ſie einmal keine Armee hatte, welche den waffengeübten, disciplinirten ruſſiſchen und ſäch- ſiſchen Truppen Stand zu halten vermochte, und weil zum andern das alte allgemeine Aufgebot des Adels (Pospolite ruszenie) bei dieſem keinen hinreichenden Anklang mehr fand. Hatte man doch bereits zur Zeit der Wahl des erſten Sachſen vielfach die Rede gehört: „ſie könnten Könige genug haben, ohne für irgend einen ihr Blut zu vergießen“ 1).
Die Folge war, daß der Einfluß Rußlands in Polen je länger, je höher ſtieg, die Selbſtſtändigkeit und Unabhängigkeit der Republik je länger, je tiefer ſank. Alle Verhältniſſe, die Conſtellation der allgemeinen europäiſchen Politik, wie die in- neren Zuſtände Polens waren günſtig für Rußland. Öſtreich, in den nächſten Jahrzehnten faſt ſtets mit Rußland enge ver- bündet, hatte eben daher keinen Grund, ihm in Warſchau ent- gegen zu ſein; Frankreich aber vermochte es anfangs nicht, und durfte ſpäter ſelbſt es nicht wollen, ſeitdem Ludwig XV. in die öſtreichiſch-ruſſiſche Alliance gegen Friedrich II. getreten war.
1)Connor, History of Poland (London 1698), p. 208.
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mehreren tauſend Mann tüchtiger ſächſiſcher Truppen ſofort
ins Land rückte und die Unterſtützung Öſtreichs, Rußlands
und Roms für ſich hatte.
Und wie der Anfang, war auch der Fortgang. Dieſelben
Mächte, welche ihn auf den Thron geſetzt, mußten ihn
auch auf demſelben erhalten. Ohne die Siege Peters
des Großen über Karl XII. wäre er, nach ſeiner ſchon er-
folgten Abdankung zu Gunſten Stanislaw Leszczynski’s, ſchwer-
lich jemals wieder als Herrſcher nach Polen zurückgekehrt.
Und als er ſtarb (1733), waren es wiederum Öſtreich und
Rußland, vornämlich aber des letzteren Waffen, welche für
ſeinen Sohn die Entſcheidung gaben. Die Nation ſelbſt hatte
ſich in ihrer überwiegenden Mehrzahl für Stanislaw Leszczynski
erklärt, ließ ihn aber nach kurzem und kraftloſem Wider-
ſtande wieder fallen, weil ſie einmal keine Armee hatte,
welche den waffengeübten, disciplinirten ruſſiſchen und ſäch-
ſiſchen Truppen Stand zu halten vermochte, und weil zum
andern das alte allgemeine Aufgebot des Adels (Pospolite
ruszenie) bei dieſem keinen hinreichenden Anklang mehr
fand. Hatte man doch bereits zur Zeit der Wahl des
erſten Sachſen vielfach die Rede gehört: „ſie könnten Könige
genug haben, ohne für irgend einen ihr Blut zu vergießen“ 1).
Die Folge war, daß der Einfluß Rußlands in Polen je
länger, je höher ſtieg, die Selbſtſtändigkeit und Unabhängigkeit
der Republik je länger, je tiefer ſank. Alle Verhältniſſe, die
Conſtellation der allgemeinen europäiſchen Politik, wie die in-
neren Zuſtände Polens waren günſtig für Rußland. Öſtreich,
in den nächſten Jahrzehnten faſt ſtets mit Rußland enge ver-
bündet, hatte eben daher keinen Grund, ihm in Warſchau ent-
gegen zu ſein; Frankreich aber vermochte es anfangs nicht, und
durfte ſpäter ſelbſt es nicht wollen, ſeitdem Ludwig XV. in
die öſtreichiſch-ruſſiſche Alliance gegen Friedrich II. getreten war.
1) Connor, History of Poland (London 1698), p. 208.
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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