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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Dieses Werk, dessen einzelne Theile nur allmählig erschienen,
und welches demgemäß nicht systematisch angelegt und nicht frei
von Wiederholungen und selbst einzelnen Widersprüchen ist,
fand anfangs zahlreiche Gegner. Aber allmählig brach es sich
doch eine Bahn. Die Erfahrungen, welche die Nation in dem
letzten Decennium gemacht, kamen ihm wesentlich zu statten.
Brühls Käuflichkeit und Verschwendung, sein ausschließlicher Ein-
fluß auf den König, von dem er systematisch jeden andern Verkehr
als mit ihm selbst und seinen Kreaturen abschloß, seine Gleich-
gültigkeit gegen alle, auch die schreiendsten, Mißbräuche der
Verwaltung, endlich die zahllosen Leiden und Schäden, welche
der 7jährige Krieg über das Land brachte, riefen das Bewußt-
sein der Ohnmacht wach, in welche die Republik versunken war,
und öffneten vielen die Augen über die letzten Ursachen des
allgemeinen Verfalls. Bereits am 18. September 1762, kurz
vor dem damals bevorstehenden Reichstage, berichtete Benoit
nach Berlin, daß die Einführung der Stimmenmehrheit "nach
der Idee, welche davon der Pater Konarski in einem polnisch
geschriebnen Buche gegeben, seit einiger Zeit sehr viele Anhänger
gefunden habe". Wenige Monate darauf, am 22. Juni 1763,
kommt er von neuem hierauf zurück. "Der Pater Konarski",
schreibt er, "welcher seit einem oder zwei Jahren eine Reform
der Verfassung Polens predigt, findet gegenwärtig eben so viele
Anhänger, als er früher Gegner gehabt hat. Man sagt, die
Nation würde wenigstens dafür Ew. Majestät verpflichtet werden,
daß Sie sie gezwungen, eine respectable Macht zu werden 1).
Sie sprechen von nichts als von dem Ruhm der Verfassung
Englands, welche sie sich zum Muster nehmen wollen." Am
25. Juni meldete er von neuem: "Ganz Polen ist von der
Idee einer Conföderation ergriffen, welche den Zweck haben
soll, die Mißbräuche ihrer Regierungsform und vor allem die
Tribunale zu reformiren. -- Die Polen sind gegenwärtig aufs
stärkste von einem patriotischen Eifer ergriffen." Und wieder

1) Es ist vorher in dem Bericht von Klagen der Polen über Unbilden,
die sie preußischerseits erlitten, und von den Mitteln die Rede, die sie zur
Abwehr ergreifen wollten.

Dieſes Werk, deſſen einzelne Theile nur allmählig erſchienen,
und welches demgemäß nicht ſyſtematiſch angelegt und nicht frei
von Wiederholungen und ſelbſt einzelnen Widerſprüchen iſt,
fand anfangs zahlreiche Gegner. Aber allmählig brach es ſich
doch eine Bahn. Die Erfahrungen, welche die Nation in dem
letzten Decennium gemacht, kamen ihm weſentlich zu ſtatten.
Brühls Käuflichkeit und Verſchwendung, ſein ausſchließlicher Ein-
fluß auf den König, von dem er ſyſtematiſch jeden andern Verkehr
als mit ihm ſelbſt und ſeinen Kreaturen abſchloß, ſeine Gleich-
gültigkeit gegen alle, auch die ſchreiendſten, Mißbräuche der
Verwaltung, endlich die zahlloſen Leiden und Schäden, welche
der 7jährige Krieg über das Land brachte, riefen das Bewußt-
ſein der Ohnmacht wach, in welche die Republik verſunken war,
und öffneten vielen die Augen über die letzten Urſachen des
allgemeinen Verfalls. Bereits am 18. September 1762, kurz
vor dem damals bevorſtehenden Reichstage, berichtete Benoit
nach Berlin, daß die Einführung der Stimmenmehrheit „nach
der Idee, welche davon der Pater Konarski in einem polniſch
geſchriebnen Buche gegeben, ſeit einiger Zeit ſehr viele Anhänger
gefunden habe“. Wenige Monate darauf, am 22. Juni 1763,
kommt er von neuem hierauf zurück. „Der Pater Konarski“,
ſchreibt er, „welcher ſeit einem oder zwei Jahren eine Reform
der Verfaſſung Polens predigt, findet gegenwärtig eben ſo viele
Anhänger, als er früher Gegner gehabt hat. Man ſagt, die
Nation würde wenigſtens dafür Ew. Majeſtät verpflichtet werden,
daß Sie ſie gezwungen, eine reſpectable Macht zu werden 1).
Sie ſprechen von nichts als von dem Ruhm der Verfaſſung
Englands, welche ſie ſich zum Muſter nehmen wollen.“ Am
25. Juni meldete er von neuem: „Ganz Polen iſt von der
Idee einer Conföderation ergriffen, welche den Zweck haben
ſoll, die Mißbräuche ihrer Regierungsform und vor allem die
Tribunale zu reformiren. — Die Polen ſind gegenwärtig aufs
ſtärkſte von einem patriotiſchen Eifer ergriffen.“ Und wieder

1) Es iſt vorher in dem Bericht von Klagen der Polen über Unbilden,
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[178/0192] Dieſes Werk, deſſen einzelne Theile nur allmählig erſchienen, und welches demgemäß nicht ſyſtematiſch angelegt und nicht frei von Wiederholungen und ſelbſt einzelnen Widerſprüchen iſt, fand anfangs zahlreiche Gegner. Aber allmählig brach es ſich doch eine Bahn. Die Erfahrungen, welche die Nation in dem letzten Decennium gemacht, kamen ihm weſentlich zu ſtatten. Brühls Käuflichkeit und Verſchwendung, ſein ausſchließlicher Ein- fluß auf den König, von dem er ſyſtematiſch jeden andern Verkehr als mit ihm ſelbſt und ſeinen Kreaturen abſchloß, ſeine Gleich- gültigkeit gegen alle, auch die ſchreiendſten, Mißbräuche der Verwaltung, endlich die zahlloſen Leiden und Schäden, welche der 7jährige Krieg über das Land brachte, riefen das Bewußt- ſein der Ohnmacht wach, in welche die Republik verſunken war, und öffneten vielen die Augen über die letzten Urſachen des allgemeinen Verfalls. Bereits am 18. September 1762, kurz vor dem damals bevorſtehenden Reichstage, berichtete Benoit nach Berlin, daß die Einführung der Stimmenmehrheit „nach der Idee, welche davon der Pater Konarski in einem polniſch geſchriebnen Buche gegeben, ſeit einiger Zeit ſehr viele Anhänger gefunden habe“. Wenige Monate darauf, am 22. Juni 1763, kommt er von neuem hierauf zurück. „Der Pater Konarski“, ſchreibt er, „welcher ſeit einem oder zwei Jahren eine Reform der Verfaſſung Polens predigt, findet gegenwärtig eben ſo viele Anhänger, als er früher Gegner gehabt hat. Man ſagt, die Nation würde wenigſtens dafür Ew. Majeſtät verpflichtet werden, daß Sie ſie gezwungen, eine reſpectable Macht zu werden 1). Sie ſprechen von nichts als von dem Ruhm der Verfaſſung Englands, welche ſie ſich zum Muſter nehmen wollen.“ Am 25. Juni meldete er von neuem: „Ganz Polen iſt von der Idee einer Conföderation ergriffen, welche den Zweck haben ſoll, die Mißbräuche ihrer Regierungsform und vor allem die Tribunale zu reformiren. — Die Polen ſind gegenwärtig aufs ſtärkſte von einem patriotiſchen Eifer ergriffen.“ Und wieder 1) Es iſt vorher in dem Bericht von Klagen der Polen über Unbilden, die ſie preußiſcherſeits erlitten, und von den Mitteln die Rede, die ſie zur Abwehr ergreifen wollten.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/192>, abgerufen am 21.11.2024.