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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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setzte ihm der Unterkanzler von Lithauen, Sapieha, sein Blutsver-
wandter, der dort aber mit uns war, das Ungewöhnliche und Gesetz-
widrige seines Benehmens auseinander. Einige hundert Dragoner
und Tartaren standen unter dem Befehl des Smolensker Woiwoden
und des Starosten von Auschwitz, Malachowski, der damals der
zweite Unterbefehlshaber des Kron-Großfeldherrn und später Kron-
vorschneider war, an der Kirche, bereit, auf die erste Aufforderung
dreinzuschlagen. Der Großkammerherr sah bei seinem Eintritt
die Starosten von Tlomacz und Auschwitz in der ersten Kirchen-
bank sitzen und nahm absichtlich zwischen ihnen Platz. Den Grund
werden wir später sehen. Einer von unsern Freunden, Glienka,
damals Landschreiber und später Unterkämmerer in Lomza, redete
laut zu den Versammelten und sprach seine Verwunderung und
seinen Unwillen darüber aus, daß mit unzweifelhafter Verletzung
des Gesetzes von 1717 Krontruppen bei der Constituirung des
Tribunals herangezogen wären. Ihm antwortete zwar der Starost
von Auschwitz, aber seine Rede bestand aus nichts als aus leeren
Phrasen, das Factum selbst verurtheilte ihn hinlänglich. Bald
darauf begaben sich einige Edelleute, welche dadurch gelangweilt
waren, daß man nicht zum Geschäft des Tages kam, zur Sa-
kristei an den Tisch, an welchem der Eid geleistet wurde. Dies,
was jährlich ein Gegenstand allgemeiner Beachtung war, rief,
ohne daß von den Partheiführern ein Befehl dazu ausgegangen
wäre, bei allen Untergeordneten den Eifer hervor, so viel wie
möglich in die Nähe des Tisches zu drängen. Der allgemeine
laute Lärm, der hiedurch entstand, irrte den Anführer der von
dem Smolensker Woiwoden mitgebrachten Tartaren: er gab, in-
dem er seine Mütze in die Höhe hob, das verabredete Zeichen,
und in demselben Moment zogen die Tartaren die Säbel und
viele Edelleute unsrer Parthei eilten, da mit ihnen kein Zeichen,
keine Losung verabredet war, sie auch keinen Befehl zum Kampf
hatten und unsere Stärke nicht kannten, zur Kirche hinaus. Gleich-
zeitig stellte sich ein gewisser Czarnecki, ein von Potocki bezahlter
Lärmmacher, in der Meinung, daß es losgehen sollte, mit blankem
Säbel in der Hand vor meinen Bruder und schrie: ,Du hast
den Woiwoden von Lublin erschlagen, du willst den Herrn Po-

ſetzte ihm der Unterkanzler von Lithauen, Sapieha, ſein Blutsver-
wandter, der dort aber mit uns war, das Ungewöhnliche und Geſetz-
widrige ſeines Benehmens auseinander. Einige hundert Dragoner
und Tartaren ſtanden unter dem Befehl des Smolensker Woiwoden
und des Staroſten von Auſchwitz, Malachowski, der damals der
zweite Unterbefehlshaber des Kron-Großfeldherrn und ſpäter Kron-
vorſchneider war, an der Kirche, bereit, auf die erſte Aufforderung
dreinzuſchlagen. Der Großkammerherr ſah bei ſeinem Eintritt
die Staroſten von Tlomacz und Auſchwitz in der erſten Kirchen-
bank ſitzen und nahm abſichtlich zwiſchen ihnen Platz. Den Grund
werden wir ſpäter ſehen. Einer von unſern Freunden, Glienka,
damals Landſchreiber und ſpäter Unterkämmerer in Lomz̀a, redete
laut zu den Verſammelten und ſprach ſeine Verwunderung und
ſeinen Unwillen darüber aus, daß mit unzweifelhafter Verletzung
des Geſetzes von 1717 Krontruppen bei der Conſtituirung des
Tribunals herangezogen wären. Ihm antwortete zwar der Staroſt
von Auſchwitz, aber ſeine Rede beſtand aus nichts als aus leeren
Phraſen, das Factum ſelbſt verurtheilte ihn hinlänglich. Bald
darauf begaben ſich einige Edelleute, welche dadurch gelangweilt
waren, daß man nicht zum Geſchäft des Tages kam, zur Sa-
kriſtei an den Tiſch, an welchem der Eid geleiſtet wurde. Dies,
was jährlich ein Gegenſtand allgemeiner Beachtung war, rief,
ohne daß von den Partheiführern ein Befehl dazu ausgegangen
wäre, bei allen Untergeordneten den Eifer hervor, ſo viel wie
möglich in die Nähe des Tiſches zu drängen. Der allgemeine
laute Lärm, der hiedurch entſtand, irrte den Anführer der von
dem Smolensker Woiwoden mitgebrachten Tartaren: er gab, in-
dem er ſeine Mütze in die Höhe hob, das verabredete Zeichen,
und in demſelben Moment zogen die Tartaren die Säbel und
viele Edelleute unſrer Parthei eilten, da mit ihnen kein Zeichen,
keine Loſung verabredet war, ſie auch keinen Befehl zum Kampf
hatten und unſere Stärke nicht kannten, zur Kirche hinaus. Gleich-
zeitig ſtellte ſich ein gewiſſer Czarnecki, ein von Potocki bezahlter
Lärmmacher, in der Meinung, daß es losgehen ſollte, mit blankem
Säbel in der Hand vor meinen Bruder und ſchrie: ‚Du haſt
den Woiwoden von Lublin erſchlagen, du willſt den Herrn Po-

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[232/0246] ſetzte ihm der Unterkanzler von Lithauen, Sapieha, ſein Blutsver- wandter, der dort aber mit uns war, das Ungewöhnliche und Geſetz- widrige ſeines Benehmens auseinander. Einige hundert Dragoner und Tartaren ſtanden unter dem Befehl des Smolensker Woiwoden und des Staroſten von Auſchwitz, Malachowski, der damals der zweite Unterbefehlshaber des Kron-Großfeldherrn und ſpäter Kron- vorſchneider war, an der Kirche, bereit, auf die erſte Aufforderung dreinzuſchlagen. Der Großkammerherr ſah bei ſeinem Eintritt die Staroſten von Tlomacz und Auſchwitz in der erſten Kirchen- bank ſitzen und nahm abſichtlich zwiſchen ihnen Platz. Den Grund werden wir ſpäter ſehen. Einer von unſern Freunden, Glienka, damals Landſchreiber und ſpäter Unterkämmerer in Lomz̀a, redete laut zu den Verſammelten und ſprach ſeine Verwunderung und ſeinen Unwillen darüber aus, daß mit unzweifelhafter Verletzung des Geſetzes von 1717 Krontruppen bei der Conſtituirung des Tribunals herangezogen wären. Ihm antwortete zwar der Staroſt von Auſchwitz, aber ſeine Rede beſtand aus nichts als aus leeren Phraſen, das Factum ſelbſt verurtheilte ihn hinlänglich. Bald darauf begaben ſich einige Edelleute, welche dadurch gelangweilt waren, daß man nicht zum Geſchäft des Tages kam, zur Sa- kriſtei an den Tiſch, an welchem der Eid geleiſtet wurde. Dies, was jährlich ein Gegenſtand allgemeiner Beachtung war, rief, ohne daß von den Partheiführern ein Befehl dazu ausgegangen wäre, bei allen Untergeordneten den Eifer hervor, ſo viel wie möglich in die Nähe des Tiſches zu drängen. Der allgemeine laute Lärm, der hiedurch entſtand, irrte den Anführer der von dem Smolensker Woiwoden mitgebrachten Tartaren: er gab, in- dem er ſeine Mütze in die Höhe hob, das verabredete Zeichen, und in demſelben Moment zogen die Tartaren die Säbel und viele Edelleute unſrer Parthei eilten, da mit ihnen kein Zeichen, keine Loſung verabredet war, ſie auch keinen Befehl zum Kampf hatten und unſere Stärke nicht kannten, zur Kirche hinaus. Gleich- zeitig ſtellte ſich ein gewiſſer Czarnecki, ein von Potocki bezahlter Lärmmacher, in der Meinung, daß es losgehen ſollte, mit blankem Säbel in der Hand vor meinen Bruder und ſchrie: ‚Du haſt den Woiwoden von Lublin erſchlagen, du willſt den Herrn Po-

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/246>, abgerufen am 23.11.2024.