Versuche anstellen müssen, deren Erfolg eine gesunde Philosophie gar leicht zeigen würde. Die Versuche sind indessen gemacht, und die Vorsichtigkeit ist dabey aufs äußerste getrieben worden. Aber die vorgebliche Verwandlung ist in der Classe der Vorurtheile geblieben.
Dafern es in der eigentlichen Ausartung der Gattungen eine Quelle geben kann, so ist es gewiß die Befruchtung. Wenn die Staubkör- ner der einen Pflanze die Saamenkörner der andern befruchten, so entstehen daraus Mittel- dinge. -- Sollten aber Spelt oder Roggen, die von einer ähnlichen Ursache herkämen, nichts von ihrem ursprünglichen Zustande behalten? Man untersuche den Spelt oder Roggen den man aus Weizen oder Hafer verwandelt glaubt, mit der größten Aufmerksamkeit, und man wird nichts darinnen antreffen, was sich mit Grunde von Weizen oder Hafer sagen ließe. Wollte man zur Beschaffenheit des Erdreichs, Nässe und Trockenheit seine Zuflucht nehmen, so kann man leicht das Unvermögen solcher Din- ge darthun. Wird man wohl dadurch einen Birnbaum in einen Apfelbaum verwandeln? Ist die Struktur des Weizens dadurch, daß er ein Kraut und nicht ein Baum ist, eben so we- sentlich bestimmt, oder hat ein Kraut etwa we- niger Gefäße, wodurch die Nahrungssäfte gleichartiger gemacht werden?" Wir überlas- sen dieses hier den Naturforschern, und wollen es hier nur von Seiten der Oekonomie betrach-
ten.
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Verſuche anſtellen muͤſſen, deren Erfolg eine geſunde Philoſophie gar leicht zeigen wuͤrde. Die Verſuche ſind indeſſen gemacht, und die Vorſichtigkeit iſt dabey aufs aͤußerſte getrieben worden. Aber die vorgebliche Verwandlung iſt in der Claſſe der Vorurtheile geblieben.
Dafern es in der eigentlichen Ausartung der Gattungen eine Quelle geben kann, ſo iſt es gewiß die Befruchtung. Wenn die Staubkoͤr- ner der einen Pflanze die Saamenkoͤrner der andern befruchten, ſo entſtehen daraus Mittel- dinge. — Sollten aber Spelt oder Roggen, die von einer aͤhnlichen Urſache herkaͤmen, nichts von ihrem urſpruͤnglichen Zuſtande behalten? Man unterſuche den Spelt oder Roggen den man aus Weizen oder Hafer verwandelt glaubt, mit der groͤßten Aufmerkſamkeit, und man wird nichts darinnen antreffen, was ſich mit Grunde von Weizen oder Hafer ſagen ließe. Wollte man zur Beſchaffenheit des Erdreichs, Naͤſſe und Trockenheit ſeine Zuflucht nehmen, ſo kann man leicht das Unvermoͤgen ſolcher Din- ge darthun. Wird man wohl dadurch einen Birnbaum in einen Apfelbaum verwandeln? Iſt die Struktur des Weizens dadurch, daß er ein Kraut und nicht ein Baum iſt, eben ſo we- ſentlich beſtimmt, oder hat ein Kraut etwa we- niger Gefaͤße, wodurch die Nahrungsſaͤfte gleichartiger gemacht werden?“ Wir uͤberlaſ- ſen dieſes hier den Naturforſchern, und wollen es hier nur von Seiten der Oekonomie betrach-
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Verſuche anſtellen muͤſſen, deren Erfolg eine
geſunde Philoſophie gar leicht zeigen wuͤrde.
Die Verſuche ſind indeſſen gemacht, und die
Vorſichtigkeit iſt dabey aufs aͤußerſte getrieben
worden. Aber die vorgebliche Verwandlung
iſt in der Claſſe der Vorurtheile geblieben.
Dafern es in der eigentlichen Ausartung der
Gattungen eine Quelle geben kann, ſo iſt es
gewiß die Befruchtung. Wenn die Staubkoͤr-
ner der einen Pflanze die Saamenkoͤrner der
andern befruchten, ſo entſtehen daraus Mittel-
dinge. — Sollten aber Spelt oder Roggen,
die von einer aͤhnlichen Urſache herkaͤmen, nichts
von ihrem urſpruͤnglichen Zuſtande behalten?
Man unterſuche den Spelt oder Roggen den
man aus Weizen oder Hafer verwandelt
glaubt, mit der groͤßten Aufmerkſamkeit, und
man wird nichts darinnen antreffen, was ſich
mit Grunde von Weizen oder Hafer ſagen ließe.
Wollte man zur Beſchaffenheit des Erdreichs,
Naͤſſe und Trockenheit ſeine Zuflucht nehmen,
ſo kann man leicht das Unvermoͤgen ſolcher Din-
ge darthun. Wird man wohl dadurch einen
Birnbaum in einen Apfelbaum verwandeln?
Iſt die Struktur des Weizens dadurch, daß er
ein Kraut und nicht ein Baum iſt, eben ſo we-
ſentlich beſtimmt, oder hat ein Kraut etwa we-
niger Gefaͤße, wodurch die Nahrungsſaͤfte
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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