Holsteinischen wendete man die Kappelwirth- schaft zu Beförderung des Wiesenbaues an, welche zu diesem Ende seit langen Zeiten daselbst getrieben wurde. In dem Brandenburgischen arbeiteten sonderlich seit Friedrich Wilhelms des großen Churfürsten Zeiten verschiedene Fürsten an der Gründung der Cultur ihrer Länder, ob- schon bald mit mehr bald mit weniger Rücksicht auf dieses Geschäft; sie zogen sonderlich die bedrängten auswandernden Protestanten aus ei- nigen katholischen Ländern an sich, und wiesen ihnen unbebauete Gegenden zugleich mit einiger Unterstützung an. Hierdurch gewann der Wie- senbau nicht wenig, weil dergleichen Ländereyen meist zuerst nur zu dergleichen Ertrag brauch- bar sind; viele sandige Gegenden wurden so zu Wiesen und Weiden. In der Pfalz führten die Mennonisten und Waldenser den künstli- chen Wiesen- und Futterbau, so wie überhaupt häufig die englische Wirthschaft ein; und da- her kommt es unstreitig, nach den Bemerkungen verschiedener reisenden Oekonomen in Deutsch- land, daß in den meisten nördlichen Gegenden der Wiesenbau nicht so gut ist als in dem Rei- che, und daß man das meiste Heu, welches man in dem Brandenburgischen zum Futterein- sammelt und selbst für das Beste hält, in Schwaben blos zum Unterstreuen brauchen würde.
Im
Holſteiniſchen wendete man die Kappelwirth- ſchaft zu Befoͤrderung des Wieſenbaues an, welche zu dieſem Ende ſeit langen Zeiten daſelbſt getrieben wurde. In dem Brandenburgiſchen arbeiteten ſonderlich ſeit Friedrich Wilhelms des großen Churfuͤrſten Zeiten verſchiedene Fuͤrſten an der Gruͤndung der Cultur ihrer Laͤnder, ob- ſchon bald mit mehr bald mit weniger Ruͤckſicht auf dieſes Geſchaͤft; ſie zogen ſonderlich die bedraͤngten auswandernden Proteſtanten aus ei- nigen katholiſchen Laͤndern an ſich, und wieſen ihnen unbebauete Gegenden zugleich mit einiger Unterſtuͤtzung an. Hierdurch gewann der Wie- ſenbau nicht wenig, weil dergleichen Laͤndereyen meiſt zuerſt nur zu dergleichen Ertrag brauch- bar ſind; viele ſandige Gegenden wurden ſo zu Wieſen und Weiden. In der Pfalz fuͤhrten die Mennoniſten und Waldenſer den kuͤnſtli- chen Wieſen- und Futterbau, ſo wie uͤberhaupt haͤufig die engliſche Wirthſchaft ein; und da- her kommt es unſtreitig, nach den Bemerkungen verſchiedener reiſenden Oekonomen in Deutſch- land, daß in den meiſten noͤrdlichen Gegenden der Wieſenbau nicht ſo gut iſt als in dem Rei- che, und daß man das meiſte Heu, welches man in dem Brandenburgiſchen zum Futterein- ſammelt und ſelbſt fuͤr das Beſte haͤlt, in Schwaben blos zum Unterſtreuen brauchen wuͤrde.
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[174/0200]
Holſteiniſchen wendete man die Kappelwirth-
ſchaft zu Befoͤrderung des Wieſenbaues an,
welche zu dieſem Ende ſeit langen Zeiten daſelbſt
getrieben wurde. In dem Brandenburgiſchen
arbeiteten ſonderlich ſeit Friedrich Wilhelms des
großen Churfuͤrſten Zeiten verſchiedene Fuͤrſten
an der Gruͤndung der Cultur ihrer Laͤnder, ob-
ſchon bald mit mehr bald mit weniger Ruͤckſicht
auf dieſes Geſchaͤft; ſie zogen ſonderlich die
bedraͤngten auswandernden Proteſtanten aus ei-
nigen katholiſchen Laͤndern an ſich, und wieſen
ihnen unbebauete Gegenden zugleich mit einiger
Unterſtuͤtzung an. Hierdurch gewann der Wie-
ſenbau nicht wenig, weil dergleichen Laͤndereyen
meiſt zuerſt nur zu dergleichen Ertrag brauch-
bar ſind; viele ſandige Gegenden wurden ſo zu
Wieſen und Weiden. In der Pfalz fuͤhrten
die Mennoniſten und Waldenſer den kuͤnſtli-
chen Wieſen- und Futterbau, ſo wie uͤberhaupt
haͤufig die engliſche Wirthſchaft ein; und da-
her kommt es unſtreitig, nach den Bemerkungen
verſchiedener reiſenden Oekonomen in Deutſch-
land, daß in den meiſten noͤrdlichen Gegenden
der Wieſenbau nicht ſo gut iſt als in dem Rei-
che, und daß man das meiſte Heu, welches
man in dem Brandenburgiſchen zum Futterein-
ſammelt und ſelbſt fuͤr das Beſte haͤlt, in
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/200>, abgerufen am 13.05.2024.
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