fünf Geschlechtern der Menschheit ist die Verwendung des Heroennamens eingeschränkt auf die Helden der Kämpfe um Theben und Troja: wie mit ihrem besonderen Namen werden diese als "der Heroen göttliches Geschlecht" bezeichnet 1). Dem Hesiod sind "Heroen" noch keineswegs verklärte Todte der Vergangenheit 2). Er weiss wohl von solchen verklärten Todten noch fernerer Vorzeit, aber diese nennt er "Dämonen". Wenn man nun in der folgenden Zeit jene begünstigten Ein- zelnen, denen nach dem Tode erhöhetes Leben zu Theil wird, "Heroen" zu nennen sich gewöhnt, so soll dieser Name, in welchem an sich eine Bezeichnung der höheren Natur solcher abgeschiedenen Geister nicht liegt, wahrscheinlich ausdrücken, dass man die Zeit des Lebens der nach dem Tode also Pri- vilegirten in eine sagenhafte Vergangenheit legte. Wie sie einst im Leben "Heroen" hiessen, die Menschen der Vergangenheit, so nennt man sie jetzt auch nach ihrem Tode. Aber der Begriff des Wortes "Heros" ist geändert, die Vorstellung un- sterblichen, erhöheten Lebens hineingelegt. Als etwas Neues, als eine Form des Glaubens und Cultus, von der wenigstens die homerischen Gedichte keine Ahnung geben, tritt die Heroen- verehrung hervor, und es muss wohl die Vorstellung solcher, zu höherem Dasein verklärten Ahnenseelen etwas Neues an sich gehabt haben, wenn man doch zu ihrer Bezeichnung kein eigenes Wort alter Prägung vorfand, sondern ein längst vor- handenes Wort des epischen Sprachschatzes in einem neuen Sinne verwenden musste.
Woher entsprang dieses Neue? Sollte man es aus einer ungehemmten Weiterentwicklung homerischer Weltvorstellung ableiten, so würde man sehr in Verlegenheit um die Nach-
1) andron eroon theion genos Hesiod. Op. 159.
2) Von den "Heroen" seines vierten Geschlechts sind dem Hesiod ja die grosse Mehrzahl vor Theben und Troja gefallen und todt ohne alle Verklärung, die wenigen nach den Inseln der Seligen Entrückten dagegen sind wohl verklärt, aber nicht gestorben. Sie für die Vorbilder und Vorgänger der später verehrten Heroen auszugeben (wie vielfach geschieht), ist unzulässig.
Rohde, Seelencult. 10
fünf Geschlechtern der Menschheit ist die Verwendung des Heroennamens eingeschränkt auf die Helden der Kämpfe um Theben und Troja: wie mit ihrem besonderen Namen werden diese als „der Heroen göttliches Geschlecht“ bezeichnet 1). Dem Hesiod sind „Heroen“ noch keineswegs verklärte Todte der Vergangenheit 2). Er weiss wohl von solchen verklärten Todten noch fernerer Vorzeit, aber diese nennt er „Dämonen“. Wenn man nun in der folgenden Zeit jene begünstigten Ein- zelnen, denen nach dem Tode erhöhetes Leben zu Theil wird, „Heroen“ zu nennen sich gewöhnt, so soll dieser Name, in welchem an sich eine Bezeichnung der höheren Natur solcher abgeschiedenen Geister nicht liegt, wahrscheinlich ausdrücken, dass man die Zeit des Lebens der nach dem Tode also Pri- vilegirten in eine sagenhafte Vergangenheit legte. Wie sie einst im Leben „Heroen“ hiessen, die Menschen der Vergangenheit, so nennt man sie jetzt auch nach ihrem Tode. Aber der Begriff des Wortes „Heros“ ist geändert, die Vorstellung un- sterblichen, erhöheten Lebens hineingelegt. Als etwas Neues, als eine Form des Glaubens und Cultus, von der wenigstens die homerischen Gedichte keine Ahnung geben, tritt die Heroen- verehrung hervor, und es muss wohl die Vorstellung solcher, zu höherem Dasein verklärten Ahnenseelen etwas Neues an sich gehabt haben, wenn man doch zu ihrer Bezeichnung kein eigenes Wort alter Prägung vorfand, sondern ein längst vor- handenes Wort des epischen Sprachschatzes in einem neuen Sinne verwenden musste.
Woher entsprang dieses Neue? Sollte man es aus einer ungehemmten Weiterentwicklung homerischer Weltvorstellung ableiten, so würde man sehr in Verlegenheit um die Nach-
1) ἀνδρῶν ἡρώων ϑεῖον γένος Hesiod. Op. 159.
2) Von den „Heroen“ seines vierten Geschlechts sind dem Hesiod ja die grosse Mehrzahl vor Theben und Troja gefallen und todt ohne alle Verklärung, die wenigen nach den Inseln der Seligen Entrückten dagegen sind wohl verklärt, aber nicht gestorben. Sie für die Vorbilder und Vorgänger der später verehrten Heroen auszugeben (wie vielfach geschieht), ist unzulässig.
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Todten noch fernerer Vorzeit, aber diese nennt er „Dämonen“.
Wenn man nun in der folgenden Zeit jene begünstigten Ein-
zelnen, denen nach dem Tode erhöhetes Leben zu Theil wird,
„Heroen“ zu nennen sich gewöhnt, so soll dieser Name, in
welchem an sich eine Bezeichnung der höheren Natur solcher
abgeschiedenen Geister nicht liegt, wahrscheinlich ausdrücken,
dass man die Zeit des Lebens der nach dem Tode also Pri-
vilegirten in eine sagenhafte Vergangenheit legte. Wie sie einst
im Leben „Heroen“ hiessen, die Menschen der Vergangenheit,
so nennt man sie jetzt auch nach ihrem Tode. Aber der
Begriff des Wortes „Heros“ ist geändert, die Vorstellung un-
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verehrung hervor, und es muss wohl die Vorstellung solcher,
zu höherem Dasein verklärten Ahnenseelen etwas Neues an
sich gehabt haben, wenn man doch zu ihrer Bezeichnung kein
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handenes Wort des epischen Sprachschatzes in einem neuen
Sinne verwenden musste.
Woher entsprang dieses Neue? Sollte man es aus einer
ungehemmten Weiterentwicklung homerischer Weltvorstellung
ableiten, so würde man sehr in Verlegenheit um die Nach-
1) ἀνδρῶν ἡρώων ϑεῖον γένος Hesiod. Op. 159.
2) Von den „Heroen“ seines vierten Geschlechts sind dem Hesiod
ja die grosse Mehrzahl vor Theben und Troja gefallen und todt ohne alle
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sind wohl verklärt, aber nicht gestorben. Sie für die Vorbilder und
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/161>, abgerufen am 21.11.2024.
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