wie es im Jahr 422 mit Hagnon und Brasidas in Amphipolis geschah 1).
Hier sieht man die Heroisirung schon aus dem heiligen Dunkel der Vorzeit in die nächste Gegenwart herübergezogen und bemerkt die Profanirung des Glaubens und Cultes durch politische Nebengedanken. Der Name "Heros", ursprünglich einen Verklärten aus längst vergangener Zeit bezeichnend, musste schon den allgemeineren Sinn eines auch nach dem Tode höherer Natur und Lebenskraft Geniessenden ange- nommen haben, wenn solche Heroisirung jüngst Verstorbener möglich wurde. Wirklich schien zuletzt jede Art von Aus- zeichnung im Leben eine Anwartschaft auf die Heroenwürde nach dem Tode zu geben. Als Heroen galten nun grosse Könige, wie Gelon von Syrakus, Gesetzgeber wie Lykurg von Sparta 2), auch die Genien der Dichtkunst, von Homer bis Aeschylus und Sophokles 3), nicht weniger die hervorragendsten unter den Siegern in Wettkämpfen der Körperkraft. Einem der Sieger zu Olympia, dem Philippos von Kroton, dem schönsten Manne Griechenlands zu seiner Zeit, errichteten, wie Herodot (5, 47) erzählt, die Egestäer auf Sicilien einen Heroen- tempel über seinem Grabe, eben seiner grossen Schönheit wegen, und verehrten ihn mit Heroenopfern.
Religiöse oder superstitiöse Motive fehlten dennoch nicht immer. Sie waren vorzugsweise im Spiel in den zahlreichen Fällen, in denen die Heroenwelt einen Zuwachs gewann durch
1) Thucyd. 5, 11. -- Aehnlich im 4. Jahrhundert zu Sikyon, wo den von Männern der Gegenpartei ermordeten Euphron, den Führer des Demos, oi politai autou os andra agathon komisamenoi ethapsan te en te agora kai os arkhegeten tes poleos sebontai. Xenoph. Hell. 7, 4, 12.
2) Heroische Verehrung der Gesetzgeber von Tegea: Paus. 8, 48, 1.
3) Bei Sophokles hatte die Heroisirung noch einen besonderen super- stitiösen Grund: er hatte den Asklepios einst in seinem Hause als Gast aufgenommen (und ihm einen Dienst gestiftet), galt darum als besonders gottbegünstigt, und wurde nach seinem Tode als Heros Dexion verehrt. Etym. M. 256, 7--13. So sind noch manche Sterbliche, bei denen Götter als Gäste eingekehrt waren, heroisirt worden; vgl. Deneken, De theo- xeniis, cap. II.
wie es im Jahr 422 mit Hagnon und Brasidas in Amphipolis geschah 1).
Hier sieht man die Heroisirung schon aus dem heiligen Dunkel der Vorzeit in die nächste Gegenwart herübergezogen und bemerkt die Profanirung des Glaubens und Cultes durch politische Nebengedanken. Der Name „Heros“, ursprünglich einen Verklärten aus längst vergangener Zeit bezeichnend, musste schon den allgemeineren Sinn eines auch nach dem Tode höherer Natur und Lebenskraft Geniessenden ange- nommen haben, wenn solche Heroisirung jüngst Verstorbener möglich wurde. Wirklich schien zuletzt jede Art von Aus- zeichnung im Leben eine Anwartschaft auf die Heroenwürde nach dem Tode zu geben. Als Heroen galten nun grosse Könige, wie Gelon von Syrakus, Gesetzgeber wie Lykurg von Sparta 2), auch die Genien der Dichtkunst, von Homer bis Aeschylus und Sophokles 3), nicht weniger die hervorragendsten unter den Siegern in Wettkämpfen der Körperkraft. Einem der Sieger zu Olympia, dem Philippos von Kroton, dem schönsten Manne Griechenlands zu seiner Zeit, errichteten, wie Herodot (5, 47) erzählt, die Egestäer auf Sicilien einen Heroen- tempel über seinem Grabe, eben seiner grossen Schönheit wegen, und verehrten ihn mit Heroenopfern.
Religiöse oder superstitiöse Motive fehlten dennoch nicht immer. Sie waren vorzugsweise im Spiel in den zahlreichen Fällen, in denen die Heroenwelt einen Zuwachs gewann durch
1) Thucyd. 5, 11. — Aehnlich im 4. Jahrhundert zu Sikyon, wo den von Männern der Gegenpartei ermordeten Euphron, den Führer des Demos, οἱ πολῖται αὐτοῦ ὡς ἄνδρα ἀγαϑὸν κομισάμενοι ἔϑαψάν τε ἐν τῇ ἀγορᾷ καὶ ὡς ἀρχηγέτην τῆς πόλεως σέβονται. Xenoph. Hell. 7, 4, 12.
2) Heroische Verehrung der Gesetzgeber von Tegea: Paus. 8, 48, 1.
3) Bei Sophokles hatte die Heroisirung noch einen besonderen super- stitiösen Grund: er hatte den Asklepios einst in seinem Hause als Gast aufgenommen (und ihm einen Dienst gestiftet), galt darum als besonders gottbegünstigt, und wurde nach seinem Tode als Heros Δεξίων verehrt. Etym. M. 256, 7—13. So sind noch manche Sterbliche, bei denen Götter als Gäste eingekehrt waren, heroisirt worden; vgl. Deneken, De theo- xeniis, cap. II.
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politische Nebengedanken. Der Name „Heros“, ursprünglich
einen Verklärten aus längst vergangener Zeit bezeichnend,
musste schon den allgemeineren Sinn eines auch nach dem
Tode höherer Natur und Lebenskraft Geniessenden ange-
nommen haben, wenn solche Heroisirung jüngst Verstorbener
möglich wurde. Wirklich schien zuletzt jede Art von Aus-
zeichnung im Leben eine Anwartschaft auf die Heroenwürde
nach dem Tode zu geben. Als Heroen galten nun grosse
Könige, wie Gelon von Syrakus, Gesetzgeber wie Lykurg von
Sparta 2), auch die Genien der Dichtkunst, von Homer bis
Aeschylus und Sophokles 3), nicht weniger die hervorragendsten
unter den Siegern in Wettkämpfen der Körperkraft. Einem
der Sieger zu Olympia, dem Philippos von Kroton, dem
schönsten Manne Griechenlands zu seiner Zeit, errichteten, wie
Herodot (5, 47) erzählt, die Egestäer auf Sicilien einen Heroen-
tempel über seinem Grabe, eben seiner grossen Schönheit
wegen, und verehrten ihn mit Heroenopfern.
Religiöse oder superstitiöse Motive fehlten dennoch nicht
immer. Sie waren vorzugsweise im Spiel in den zahlreichen
Fällen, in denen die Heroenwelt einen Zuwachs gewann durch
1) Thucyd. 5, 11. — Aehnlich im 4. Jahrhundert zu Sikyon, wo den
von Männern der Gegenpartei ermordeten Euphron, den Führer des
Demos, οἱ πολῖται αὐτοῦ ὡς ἄνδρα ἀγαϑὸν κομισάμενοι ἔϑαψάν τε ἐν τῇ ἀγορᾷ
καὶ ὡς ἀρχηγέτην τῆς πόλεως σέβονται. Xenoph. Hell. 7, 4, 12.
2) Heroische Verehrung der Gesetzgeber von Tegea: Paus. 8, 48, 1.
3) Bei Sophokles hatte die Heroisirung noch einen besonderen super-
stitiösen Grund: er hatte den Asklepios einst in seinem Hause als Gast
aufgenommen (und ihm einen Dienst gestiftet), galt darum als besonders
gottbegünstigt, und wurde nach seinem Tode als Heros Δεξίων verehrt.
Etym. M. 256, 7—13. So sind noch manche Sterbliche, bei denen Götter
als Gäste eingekehrt waren, heroisirt worden; vgl. Deneken, De theo-
xeniis, cap. II.
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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