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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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völkerung; unter dem Erdboden wohnend, gewähren sie den
Bewohnern des Landes, das sie verehrt, ein Doppeltes: den
Lebenden segnen sie den Anbau des Ackers, die Zucht der
Feldfrüchte, und nehmen die Seelen der Todten auf in ihre
Tiefe1). An einzelnen Orten senden sie auch Wahrsagungen
von zukünftigen Dingen aus dem Geisterreiche empor.

Als der erhabenste Name unter diesen Unterirdischen be-
gegnet uns der des Zeus Chthonios. Dies ist zugleich die all-
gemeinste und exclusivste Bezeichnung des unterirdischen Gottes
schlechtweg: denn diesen generellen Sinn der Bezeichnung des
"Gottes" überhaupt hat, in Verbindung mit näher bestimmenden
Beiwörtern, der Name "Zeus" in vielen Localculten bewahrt.
Auch die Ilias nennt einmal den "unterirdischen Zeus"; aber
ihr ist er nichts anderes als der Herr im fernen Todtenreiche,
Hades, der auch in der hesiodischen Theogonie einmal "Zeus der
Chthonische" heisst2). Aber das Ackerbaugedicht des Hesiod
heisst den böotischen Landmann bei der Bestellung des Ackers
um Segen beten zum chthonischen Zeus; "für die Feldfrucht"
opferte man dem Zeus Chthonios auf Mykonos3).

1) Diese doppelte Wirksamkeit der khthonioi erklärt sich aus ihrer
Natur als Geister der Erdtiefe auf das Natürlichste. Es ist gar keine
Veranlassung, anzunehmen, dass die Einwirkung auf den Segen der Felder
diesen Gottheiten erst nachträglich zugewachsen sei (mit Preller, Dem. u.
Perseph.
188 ff., dem Manche gefolgt sind). Noch weniger Grund haben
wir, die Hut der Seelen und die Sorge für die Feldfrucht in eine Art
von allegorisirender Parallele zu setzen (Seele = Samenkorn), wie seit
K. O. Müller ganz gewöhnlich geschieht.
2) Zeus katakhthonios Il. 9, 457. theou khthoniou -- -- iphthimou Aideo
Hes. Th. 767 f. Ersichtlich besteht hier kein Unterschied zwischen
katakhthonios und khthonios, wie ihn Preller, Dem. u. Pers. 187 statuiren
möchte.
3) Hesiod. Op. 465 eukhesthai de Dii khthonio Demeteri th agne ktl.
Es ist unzulässig, diesen Zeus khthonios durch gewundene Erklärung (wie
sie Lehrs, Popul. Aufs.2, p. 298 f. vorträgt) zu etwas anderem als eben
einem unterirdischen Zeus umzuwandeln. Der Gott der Unterwelt, von
dem olympischen Zeus völlig verschieden (Zeus allos Aeschyl.), ist hier
ein Segenspender für den Landmann. In der Opferordnung von Mykonos
(Dittenberger, Syll. inscr. 373, 26) wird vorgeschrieben zu opfern: uper
karpon (kampon der Stein) Dii Khthonio Ge Khthonie DERTA melana etesia;

völkerung; unter dem Erdboden wohnend, gewähren sie den
Bewohnern des Landes, das sie verehrt, ein Doppeltes: den
Lebenden segnen sie den Anbau des Ackers, die Zucht der
Feldfrüchte, und nehmen die Seelen der Todten auf in ihre
Tiefe1). An einzelnen Orten senden sie auch Wahrsagungen
von zukünftigen Dingen aus dem Geisterreiche empor.

Als der erhabenste Name unter diesen Unterirdischen be-
gegnet uns der des Zeus Chthonios. Dies ist zugleich die all-
gemeinste und exclusivste Bezeichnung des unterirdischen Gottes
schlechtweg: denn diesen generellen Sinn der Bezeichnung des
„Gottes“ überhaupt hat, in Verbindung mit näher bestimmenden
Beiwörtern, der Name „Zeus“ in vielen Localculten bewahrt.
Auch die Ilias nennt einmal den „unterirdischen Zeus“; aber
ihr ist er nichts anderes als der Herr im fernen Todtenreiche,
Hades, der auch in der hesiodischen Theogonie einmal „Zeus der
Chthonische“ heisst2). Aber das Ackerbaugedicht des Hesiod
heisst den böotischen Landmann bei der Bestellung des Ackers
um Segen beten zum chthonischen Zeus; „für die Feldfrucht“
opferte man dem Zeus Chthonios auf Mykonos3).

1) Diese doppelte Wirksamkeit der χϑόνιοι erklärt sich aus ihrer
Natur als Geister der Erdtiefe auf das Natürlichste. Es ist gar keine
Veranlassung, anzunehmen, dass die Einwirkung auf den Segen der Felder
diesen Gottheiten erst nachträglich zugewachsen sei (mit Preller, Dem. u.
Perseph.
188 ff., dem Manche gefolgt sind). Noch weniger Grund haben
wir, die Hut der Seelen und die Sorge für die Feldfrucht in eine Art
von allegorisirender Parallele zu setzen (Seele = Samenkorn), wie seit
K. O. Müller ganz gewöhnlich geschieht.
2) Ζεὺς καταχϑόνιος Il. 9, 457. ϑεοῦ χϑονίου — — ἰφϑίμου Ἀΐδεω
Hes. Th. 767 f. Ersichtlich besteht hier kein Unterschied zwischen
καταχϑόνιος und χϑόνιος, wie ihn Preller, Dem. u. Pers. 187 statuiren
möchte.
3) Hesiod. Op. 465 εὔχεσϑαι δὲ Διὶ χϑονίῳ Δημήτερί ϑ̕ ἁγνῇ κτλ.
Es ist unzulässig, diesen Ζεὺς χϑόνιος durch gewundene Erklärung (wie
sie Lehrs, Popul. Aufs.2, p. 298 f. vorträgt) zu etwas anderem als eben
einem unterirdischen Zeus umzuwandeln. Der Gott der Unterwelt, von
dem olympischen Zeus völlig verschieden (Ζεὺς ἄλλος Aeschyl.), ist hier
ein Segenspender für den Landmann. In der Opferordnung von Mykonos
(Dittenberger, Syll. inscr. 373, 26) wird vorgeschrieben zu opfern: ὑπὲρ
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[191/0207] völkerung; unter dem Erdboden wohnend, gewähren sie den Bewohnern des Landes, das sie verehrt, ein Doppeltes: den Lebenden segnen sie den Anbau des Ackers, die Zucht der Feldfrüchte, und nehmen die Seelen der Todten auf in ihre Tiefe 1). An einzelnen Orten senden sie auch Wahrsagungen von zukünftigen Dingen aus dem Geisterreiche empor. Als der erhabenste Name unter diesen Unterirdischen be- gegnet uns der des Zeus Chthonios. Dies ist zugleich die all- gemeinste und exclusivste Bezeichnung des unterirdischen Gottes schlechtweg: denn diesen generellen Sinn der Bezeichnung des „Gottes“ überhaupt hat, in Verbindung mit näher bestimmenden Beiwörtern, der Name „Zeus“ in vielen Localculten bewahrt. Auch die Ilias nennt einmal den „unterirdischen Zeus“; aber ihr ist er nichts anderes als der Herr im fernen Todtenreiche, Hades, der auch in der hesiodischen Theogonie einmal „Zeus der Chthonische“ heisst 2). Aber das Ackerbaugedicht des Hesiod heisst den böotischen Landmann bei der Bestellung des Ackers um Segen beten zum chthonischen Zeus; „für die Feldfrucht“ opferte man dem Zeus Chthonios auf Mykonos 3). 1) Diese doppelte Wirksamkeit der χϑόνιοι erklärt sich aus ihrer Natur als Geister der Erdtiefe auf das Natürlichste. Es ist gar keine Veranlassung, anzunehmen, dass die Einwirkung auf den Segen der Felder diesen Gottheiten erst nachträglich zugewachsen sei (mit Preller, Dem. u. Perseph. 188 ff., dem Manche gefolgt sind). Noch weniger Grund haben wir, die Hut der Seelen und die Sorge für die Feldfrucht in eine Art von allegorisirender Parallele zu setzen (Seele = Samenkorn), wie seit K. O. Müller ganz gewöhnlich geschieht. 2) Ζεὺς καταχϑόνιος Il. 9, 457. ϑεοῦ χϑονίου — — ἰφϑίμου Ἀΐδεω Hes. Th. 767 f. Ersichtlich besteht hier kein Unterschied zwischen καταχϑόνιος und χϑόνιος, wie ihn Preller, Dem. u. Pers. 187 statuiren möchte. 3) Hesiod. Op. 465 εὔχεσϑαι δὲ Διὶ χϑονίῳ Δημήτερί ϑ̕ ἁγνῇ κτλ. Es ist unzulässig, diesen Ζεὺς χϑόνιος durch gewundene Erklärung (wie sie Lehrs, Popul. Aufs.2, p. 298 f. vorträgt) zu etwas anderem als eben einem unterirdischen Zeus umzuwandeln. Der Gott der Unterwelt, von dem olympischen Zeus völlig verschieden (Ζεὺς ἄλλος Aeschyl.), ist hier ein Segenspender für den Landmann. In der Opferordnung von Mykonos (Dittenberger, Syll. inscr. 373, 26) wird vorgeschrieben zu opfern: ὑπὲρ καρπῶν (καμπῶν der Stein) Διὶ Χϑονίῳ Γῇ Χϑονίῃ ΔΕΡΤΑ μέλανα ἐτήσια·

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/207>, abgerufen am 23.11.2024.