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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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stätte, aber nicht minder die Seelenpflege des vorangegangenen
Familienmitgliedes den Angehörigen ob; zumal der Sohn und
Erbe hatte keine heiligere Pflicht als die, der Seele des Vaters
"das Uebliche" (ta nomima) darzubringen. Ueblich waren zunächst
Todtenspenden an gewissen regelmässig wiederkehrenden Todten-
feiertagen. Am 30. des Monats fand herkömmlich ein Fest
der Todten statt 1). Regelmässig wird in jedem Jahre, an
den "Genesia", die Wiederkehr des Geburtstages des Ver-
storbenen mit Opfern gefeiert 2). Der Tag, an dem er einst
in's Leben eingetreten war, hat noch für die Psyche des nun
Verstorbenen Bedeutung. Man sieht wohl, dass zwischen Leben
und Tod keine unüberschreitbare Kluft liegt; es ist als wäre
das Leben gar nicht unterbrochen durch den Tod.

Neben diesen wechselnden Genesien der einzelnen Familien
bestand in Athen ein ebenfalls Genesia genanntes, von allen

1) ta nekusia te triakadi agetai: Plutarch. prov. Alex. 8, p. 6, 10
Crus. (App. prov. Vatic. in Schneidewins krit. Apparat zu Diogenian 8,
39). Die drei letzten Tage des Monats sind in Athen den Unterirdischen
heilig und darum apophrades: Etym. M. 131, 13 ff. Etym. Gud. 70, 3 ff.
(vgl. Lysias bei Athen. 12, 551 F). An diesen Tagen wurden Mahlzeiten
(auf den Dreiwegen und sonst) hingestellt der Hekate (Ath. 7, 325 A),
der Hekate kai tois apotropaiois (Plutarch. Sympos. 7, 6. p. 709 A); auch
die Seelen der Todten wurden bedacht. Schol. Plat. Leg. 7, 800 D:
apophrades emerai, en ais tois katoikhomenois khoas epipherousin.
2) Der Sohn dem verstorbenen Vater enagizei kath ekaston eniauton:
Isaeus 2, 46. Dieses alljährlich einmal dargebrachte Todtenopfer (thusia
epeteios, welche pais patri darbringt) ist, nach Herodot. 4, 26, das bei
den Hellenen (überall, so scheint es) gefeierte Fest der Genesia. Wie der
Name sagt, fiel diese Feier auf den wiederkehrenden Tag der Geburt
(nicht des Todes, wie unrichtig angiebt Ammonius p. 34. 35 Valck.) des
verehrten Vorfahren (vgl. Schol. Plat. Alcib. 121 C). So ordnet Epikur
im Testament (bei Laert. D. 10, 18) alljährliche Feier seines Geburtstages
an. Eine ähnliche Stiftung C. I. Gr. 3417. (Auch Heroenfeiern fallen
auf den Geburtstag des gefeierten Heros: Plut. Arat. 53. Und so fallen
Fest und Geburtstag der Götter zusammen: des Hermes auf den 4. Monats-
tag, der Artemis auf den 6., des Apoll auf den 7. u. s. w. Dies sind
allmonatlich wiederholte Geburtstagsfeiern. Wohl nach solchen Vor-
bildern beging man in Sestos im 2. Jahrhundert ta genethlia tou basileos,
d. h. eines unter die Götter versetzten Attaliden, kath ekaston mena:
Dittenb. Syll. 246, 36.)

stätte, aber nicht minder die Seelenpflege des vorangegangenen
Familienmitgliedes den Angehörigen ob; zumal der Sohn und
Erbe hatte keine heiligere Pflicht als die, der Seele des Vaters
„das Uebliche“ (τὰ νόμιμα) darzubringen. Ueblich waren zunächst
Todtenspenden an gewissen regelmässig wiederkehrenden Todten-
feiertagen. Am 30. des Monats fand herkömmlich ein Fest
der Todten statt 1). Regelmässig wird in jedem Jahre, an
den „Genesia“, die Wiederkehr des Geburtstages des Ver-
storbenen mit Opfern gefeiert 2). Der Tag, an dem er einst
in’s Leben eingetreten war, hat noch für die Psyche des nun
Verstorbenen Bedeutung. Man sieht wohl, dass zwischen Leben
und Tod keine unüberschreitbare Kluft liegt; es ist als wäre
das Leben gar nicht unterbrochen durch den Tod.

Neben diesen wechselnden Genesien der einzelnen Familien
bestand in Athen ein ebenfalls Genesia genanntes, von allen

1) τὰ νεκύσια τῇ τριακάδι ἄγεται: Plutarch. prov. Alex. 8, p. 6, 10
Crus. (App. prov. Vatic. in Schneidewins krit. Apparat zu Diogenian 8,
39). Die drei letzten Tage des Monats sind in Athen den Unterirdischen
heilig und darum ἀποφράδες: Etym. M. 131, 13 ff. Etym. Gud. 70, 3 ff.
(vgl. Lysias bei Athen. 12, 551 F). An diesen Tagen wurden Mahlzeiten
(auf den Dreiwegen und sonst) hingestellt der Hekate (Ath. 7, 325 A),
der Hekate καὶ τοῖς ἀποτροπαίοις (Plutarch. Sympos. 7, 6. p. 709 A); auch
die Seelen der Todten wurden bedacht. Schol. Plat. Leg. 7, 800 D:
ἀποφράδες ἡμέραι, ἐν αἷς τοῖς κατοιχομένοις χοὰς ἐπιφέρουσιν.
2) Der Sohn dem verstorbenen Vater ἐναγίζει καϑ̕ ἕκαστον ἐνιαυτόν:
Isaeus 2, 46. Dieses alljährlich einmal dargebrachte Todtenopfer (ϑυσία
ἐπέτειος, welche παῖς πατρί darbringt) ist, nach Herodot. 4, 26, das bei
den Hellenen (überall, so scheint es) gefeierte Fest der Γενέσια. Wie der
Name sagt, fiel diese Feier auf den wiederkehrenden Tag der Geburt
(nicht des Todes, wie unrichtig angiebt Ammonius p. 34. 35 Valck.) des
verehrten Vorfahren (vgl. Schol. Plat. Alcib. 121 C). So ordnet Epikur
im Testament (bei Laert. D. 10, 18) alljährliche Feier seines Geburtstages
an. Eine ähnliche Stiftung C. I. Gr. 3417. (Auch Heroenfeiern fallen
auf den Geburtstag des gefeierten Heros: Plut. Arat. 53. Und so fallen
Fest und Geburtstag der Götter zusammen: des Hermes auf den 4. Monats-
tag, der Artemis auf den 6., des Apoll auf den 7. u. s. w. Dies sind
allmonatlich wiederholte Geburtstagsfeiern. Wohl nach solchen Vor-
bildern beging man in Sestos im 2. Jahrhundert τὰ γενέϑλια τοῦ βασιλέως,
d. h. eines unter die Götter versetzten Attaliden, καϑ̕ ἕκαστον μῆνα:
Dittenb. Syll. 246, 36.)
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[215/0231] stätte, aber nicht minder die Seelenpflege des vorangegangenen Familienmitgliedes den Angehörigen ob; zumal der Sohn und Erbe hatte keine heiligere Pflicht als die, der Seele des Vaters „das Uebliche“ (τὰ νόμιμα) darzubringen. Ueblich waren zunächst Todtenspenden an gewissen regelmässig wiederkehrenden Todten- feiertagen. Am 30. des Monats fand herkömmlich ein Fest der Todten statt 1). Regelmässig wird in jedem Jahre, an den „Genesia“, die Wiederkehr des Geburtstages des Ver- storbenen mit Opfern gefeiert 2). Der Tag, an dem er einst in’s Leben eingetreten war, hat noch für die Psyche des nun Verstorbenen Bedeutung. Man sieht wohl, dass zwischen Leben und Tod keine unüberschreitbare Kluft liegt; es ist als wäre das Leben gar nicht unterbrochen durch den Tod. Neben diesen wechselnden Genesien der einzelnen Familien bestand in Athen ein ebenfalls Genesia genanntes, von allen 1) τὰ νεκύσια τῇ τριακάδι ἄγεται: Plutarch. prov. Alex. 8, p. 6, 10 Crus. (App. prov. Vatic. in Schneidewins krit. Apparat zu Diogenian 8, 39). Die drei letzten Tage des Monats sind in Athen den Unterirdischen heilig und darum ἀποφράδες: Etym. M. 131, 13 ff. Etym. Gud. 70, 3 ff. (vgl. Lysias bei Athen. 12, 551 F). An diesen Tagen wurden Mahlzeiten (auf den Dreiwegen und sonst) hingestellt der Hekate (Ath. 7, 325 A), der Hekate καὶ τοῖς ἀποτροπαίοις (Plutarch. Sympos. 7, 6. p. 709 A); auch die Seelen der Todten wurden bedacht. Schol. Plat. Leg. 7, 800 D: ἀποφράδες ἡμέραι, ἐν αἷς τοῖς κατοιχομένοις χοὰς ἐπιφέρουσιν. 2) Der Sohn dem verstorbenen Vater ἐναγίζει καϑ̕ ἕκαστον ἐνιαυτόν: Isaeus 2, 46. Dieses alljährlich einmal dargebrachte Todtenopfer (ϑυσία ἐπέτειος, welche παῖς πατρί darbringt) ist, nach Herodot. 4, 26, das bei den Hellenen (überall, so scheint es) gefeierte Fest der Γενέσια. Wie der Name sagt, fiel diese Feier auf den wiederkehrenden Tag der Geburt (nicht des Todes, wie unrichtig angiebt Ammonius p. 34. 35 Valck.) des verehrten Vorfahren (vgl. Schol. Plat. Alcib. 121 C). So ordnet Epikur im Testament (bei Laert. D. 10, 18) alljährliche Feier seines Geburtstages an. Eine ähnliche Stiftung C. I. Gr. 3417. (Auch Heroenfeiern fallen auf den Geburtstag des gefeierten Heros: Plut. Arat. 53. Und so fallen Fest und Geburtstag der Götter zusammen: des Hermes auf den 4. Monats- tag, der Artemis auf den 6., des Apoll auf den 7. u. s. w. Dies sind allmonatlich wiederholte Geburtstagsfeiern. Wohl nach solchen Vor- bildern beging man in Sestos im 2. Jahrhundert τὰ γενέϑλια τοῦ βασιλέως, d. h. eines unter die Götter versetzten Attaliden, καϑ̕ ἕκαστον μῆνα: Dittenb. Syll. 246, 36.)

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/231>, abgerufen am 09.11.2024.