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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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nissen der Unterwelt nichts als den leichenfressenden Dämon
Eurynomos, der dem Maler wohl aus irgend einer localen
Sage bekannt geworden war 1). Von Belohnung der "Guten"
zeigt sich keine Spur; selbst die Hoffnungen der in den
Mysterien Geweiheten sind nur bescheiden angedeutet in dem
Kästchen, welches Kleoboia, mit Tellis in Charons Kahn eben
heranfahrend, auf den Knieen hält 2). Das ist ein Symbol der
heiligen Weihen der Demeter, welche Kleoboia einst von Paros
nach Thasos, der Heimath des Polygnot, gebracht hatte.

Von dieser, den homerischen Hades nur leise umgestalten-
den Bilderreihe 3) blicke man hinüber etwa auf die Marterscenen
etruskischer Unterweltbilder, oder auf die Pedanterien vom

1) Eurynomos, schwarzblauen Leibes, wie eine Schmeissfliege, mit
bleckenden Zähnen, auf einem Geierfell sitzend: Paus. 10, 28, 7. In der
Litteratur scheint seiner nirgends gedacht gewesen zu sein; ob die An-
gabe des Pausanias, dass er ein daimon ton en Aidou sei, der den Leichen
das Fleisch von den Knochen fresse, mehr als eine Vermuthung ist, bleibt
undeutlich. In der That soll wohl das Geierfell die Natur des darauf
sitzenden Dämons als eine dem Geier verwandte bezeichnen. Dass der
Geier Leichen frisst, haben die Alten oft beobachtet (s. Plut. Romul. 9
etc.: Leemans zu Horapollo p. 177). Welcker (Kl. Schr. 5, 117) sieht
in Eurynomos nichts als "die Verwesung", also eine lediglich allegorische
Gestalt. Vielmehr dürfte er ein ganz concret gedachter (mit einem eu-
phemistischen Beinamen benannter) Höllengeist sein, nach Art jener
kleineren Höllengeister wie Lamia, Mormo, Gorgyra, Empusa u. s. w.
(von denen unten ein Wort), dem Maler aus irgend einer localen Ueber-
lieferung bekannt. Er frisst den Leichen das Fleisch ab: so nennt ein
spätes Epigramm (Kaibel 647, 16) den Todten lupren daita Kharoni.
Aber schon bei Sophocles, El. 543: Aides imeron teknon ton ekeines eskhe
daisasthai (s. Welcker, Syll. p. 94).
2) Paus. 10, 28, 3. Vgl. O. Jahn, Hermes 3, 326.
3) In den Grenzen der epischen Nekyen halten sich wesentlich auch
die Unterweltsbilder auf unteritalischen Vasen des 3. Jahrhunderts. Zu
einigen wenigen Typen der im Hades Büssenden (Sisyphos, Tantalos,
Danaiden) kommen Andeutungen aus den Hadesfahrten des Theseus und
Peirithoos, Herakles, Orpheus hinzu. Alle Ausdeutung in's Mystisch-
Erbauliche (wie sie noch in Baumeisters Denkm. 1926--1930 angeboten
wird) hält man mit Recht jetzt ganz von diesen Bildern fern. Auf das
Loos der Menschen im Allgemeinen wird mit nichts angespielt. Auch
das, auf der Vase von Canosa links neben Orpheus stehende Elternpaar

nissen der Unterwelt nichts als den leichenfressenden Dämon
Eurynomos, der dem Maler wohl aus irgend einer localen
Sage bekannt geworden war 1). Von Belohnung der „Guten“
zeigt sich keine Spur; selbst die Hoffnungen der in den
Mysterien Geweiheten sind nur bescheiden angedeutet in dem
Kästchen, welches Kleoboia, mit Tellis in Charons Kahn eben
heranfahrend, auf den Knieen hält 2). Das ist ein Symbol der
heiligen Weihen der Demeter, welche Kleoboia einst von Paros
nach Thasos, der Heimath des Polygnot, gebracht hatte.

Von dieser, den homerischen Hades nur leise umgestalten-
den Bilderreihe 3) blicke man hinüber etwa auf die Marterscenen
etruskischer Unterweltbilder, oder auf die Pedanterien vom

1) Eurynomos, schwarzblauen Leibes, wie eine Schmeissfliege, mit
bleckenden Zähnen, auf einem Geierfell sitzend: Paus. 10, 28, 7. In der
Litteratur scheint seiner nirgends gedacht gewesen zu sein; ob die An-
gabe des Pausanias, dass er ein δαίμων τῶν ἐν Ἅιδου sei, der den Leichen
das Fleisch von den Knochen fresse, mehr als eine Vermuthung ist, bleibt
undeutlich. In der That soll wohl das Geierfell die Natur des darauf
sitzenden Dämons als eine dem Geier verwandte bezeichnen. Dass der
Geier Leichen frisst, haben die Alten oft beobachtet (s. Plut. Romul. 9
etc.: Leemans zu Horapollo p. 177). Welcker (Kl. Schr. 5, 117) sieht
in Eurynomos nichts als „die Verwesung“, also eine lediglich allegorische
Gestalt. Vielmehr dürfte er ein ganz concret gedachter (mit einem eu-
phemistischen Beinamen benannter) Höllengeist sein, nach Art jener
kleineren Höllengeister wie Lamia, Mormo, Gorgyra, Empusa u. s. w.
(von denen unten ein Wort), dem Maler aus irgend einer localen Ueber-
lieferung bekannt. Er frisst den Leichen das Fleisch ab: so nennt ein
spätes Epigramm (Kaibel 647, 16) den Todten λυπρὴν δαῖτα Χάρωνι.
Aber schon bei Sophocles, El. 543: Ἅιδης ἵμερον τέκνων τῶν ἐκείνης ἔσχε
δαίσασϑαι (s. Welcker, Syll. p. 94).
2) Paus. 10, 28, 3. Vgl. O. Jahn, Hermes 3, 326.
3) In den Grenzen der epischen Nekyen halten sich wesentlich auch
die Unterweltsbilder auf unteritalischen Vasen des 3. Jahrhunderts. Zu
einigen wenigen Typen der im Hades Büssenden (Sisyphos, Tantalos,
Danaïden) kommen Andeutungen aus den Hadesfahrten des Theseus und
Peirithoos, Herakles, Orpheus hinzu. Alle Ausdeutung in’s Mystisch-
Erbauliche (wie sie noch in Baumeisters Denkm. 1926—1930 angeboten
wird) hält man mit Recht jetzt ganz von diesen Bildern fern. Auf das
Loos der Menschen im Allgemeinen wird mit nichts angespielt. Auch
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[293/0309] nissen der Unterwelt nichts als den leichenfressenden Dämon Eurynomos, der dem Maler wohl aus irgend einer localen Sage bekannt geworden war 1). Von Belohnung der „Guten“ zeigt sich keine Spur; selbst die Hoffnungen der in den Mysterien Geweiheten sind nur bescheiden angedeutet in dem Kästchen, welches Kleoboia, mit Tellis in Charons Kahn eben heranfahrend, auf den Knieen hält 2). Das ist ein Symbol der heiligen Weihen der Demeter, welche Kleoboia einst von Paros nach Thasos, der Heimath des Polygnot, gebracht hatte. Von dieser, den homerischen Hades nur leise umgestalten- den Bilderreihe 3) blicke man hinüber etwa auf die Marterscenen etruskischer Unterweltbilder, oder auf die Pedanterien vom 1) Eurynomos, schwarzblauen Leibes, wie eine Schmeissfliege, mit bleckenden Zähnen, auf einem Geierfell sitzend: Paus. 10, 28, 7. In der Litteratur scheint seiner nirgends gedacht gewesen zu sein; ob die An- gabe des Pausanias, dass er ein δαίμων τῶν ἐν Ἅιδου sei, der den Leichen das Fleisch von den Knochen fresse, mehr als eine Vermuthung ist, bleibt undeutlich. In der That soll wohl das Geierfell die Natur des darauf sitzenden Dämons als eine dem Geier verwandte bezeichnen. Dass der Geier Leichen frisst, haben die Alten oft beobachtet (s. Plut. Romul. 9 etc.: Leemans zu Horapollo p. 177). Welcker (Kl. Schr. 5, 117) sieht in Eurynomos nichts als „die Verwesung“, also eine lediglich allegorische Gestalt. Vielmehr dürfte er ein ganz concret gedachter (mit einem eu- phemistischen Beinamen benannter) Höllengeist sein, nach Art jener kleineren Höllengeister wie Lamia, Mormo, Gorgyra, Empusa u. s. w. (von denen unten ein Wort), dem Maler aus irgend einer localen Ueber- lieferung bekannt. Er frisst den Leichen das Fleisch ab: so nennt ein spätes Epigramm (Kaibel 647, 16) den Todten λυπρὴν δαῖτα Χάρωνι. Aber schon bei Sophocles, El. 543: Ἅιδης ἵμερον τέκνων τῶν ἐκείνης ἔσχε δαίσασϑαι (s. Welcker, Syll. p. 94). 2) Paus. 10, 28, 3. Vgl. O. Jahn, Hermes 3, 326. 3) In den Grenzen der epischen Nekyen halten sich wesentlich auch die Unterweltsbilder auf unteritalischen Vasen des 3. Jahrhunderts. Zu einigen wenigen Typen der im Hades Büssenden (Sisyphos, Tantalos, Danaïden) kommen Andeutungen aus den Hadesfahrten des Theseus und Peirithoos, Herakles, Orpheus hinzu. Alle Ausdeutung in’s Mystisch- Erbauliche (wie sie noch in Baumeisters Denkm. 1926—1930 angeboten wird) hält man mit Recht jetzt ganz von diesen Bildern fern. Auf das Loos der Menschen im Allgemeinen wird mit nichts angespielt. Auch das, auf der Vase von Canosa links neben Orpheus stehende Elternpaar

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/309>, abgerufen am 22.11.2024.