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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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der wirbelnde Tanz, dies alles konnte in geeigneten Naturen 1)
wirklich einen Zustand visionärer Ueberreizung hervorbringen,
in dem die Begeisterten alles ausser sich sahen was sie in sich
dachten und vorstellten. Berauschende Getränke, deren Ge-
nusse die Thraker sehr ergeben waren, mochten die Erregung
erhöhen 2), vielleicht auch der Rauch gewisser Samenkörner,
durch den sie, wie die Skythen und Massageten, sich zu be-
rauschen wussten 3). Man weiss ja, wie noch jetzt im Orient

multisque rebus inflammantur tales animi qui corporibus non inhaerent;
ut ei qui sono quodam vocum et Phrygiis cantibus incitantur
. Eine
deutliche Beschreibung dessen, was man sich unter ekstasis und Koryban-
tiasmus (s. unten) vorstellte.
1) In solchen, die enthousiasmou katakokhimoi sind, wie Aristoteles
sie kennt; eigene manikai diatheseis kennt Plato. Nicht unverwandt ist
die phusis theiazousa wie nach Demokrit die des begeisterungsfähigen
Dichters ist.
2) Bekannt ist die Trunksucht der Thraker, ihr alter Weinbau. Sie
brauten auch Bier aus Gerste: Athen. 10, 447 B C (vgl. Hehn, Culturpfl.
u. Hausth
.2 p. 126). Die (im Enthusiasmus wahrsagenden) Propheten
eines thrakischen Orakels wahrsagten plurimo mero sumpto. Aristot. bei
Macrob. Sat. 1, 18. 1. -- Selbst die Weiber tranken ungemischten Wein
in Thrakien: Plato Leg. 1, 637 E.
3) Von den Thrakern Pomp. Mela 2, 21 (daraus Solin. 10, 5)
epulantibus ubi super ignes quos circumsident quaedam semina ingesta
sunt, similis ebrietati hilaritas ex nidore contingit
. Ohne Zweifel waren
es Samenkörner des Hanfs (kannabis), die diese Wirkung hatten. Dass
die Thraker den Hanf kannten, sagt Herodot 4, 74 ausdrücklich. Sie
berauschten sich also mit einer Art von Haschisch (Haschisch ist ein
Extract aus cannabis indica). Aehnlich die Skythen, von deren Schwitz-
bädern in dicht geschlossenen Hütten Herodot 4, 75 erzählt: sie liessen
dabei Hanfsamen auf glühenden Steinen verdampfen, und müssen (wie-
wohl davon Herodot nichts sagt) nothwendiger Weise in eine tolle
Trunkenheit gerathen sein. Dies mag ein religiöser Act gewesen sein.
Rausch gilt bei "Naturvölkern" meistens für einen religiös inspirirten
Zustand. Und die skythische Sitte findet die auffallendste Parallele an
dem Gebrauch der "Schwitzhütte" bei nordamerikanischen Indianern,
dessen religiöse Bedeutung sicher ist (s. die Beschreibungen bei Klemm,
Culturgesch. 2, 175--178; J. G. Müller, Amerikan. Urrelig. 92). Berauschung
durch Rauch gew. "Früchte" auch bei den Massageten: Herod. 1, 202.
Diese standen, vollberauscht, zuletzt auf um zu tanzen und zu singen. Als
Reizmittel zu ihren ekstatischen religiösen Tänzen könnten auch die
Thraker die Berauschung durch Haschischrauch leicht benutzt haben. --

der wirbelnde Tanz, dies alles konnte in geeigneten Naturen 1)
wirklich einen Zustand visionärer Ueberreizung hervorbringen,
in dem die Begeisterten alles ausser sich sahen was sie in sich
dachten und vorstellten. Berauschende Getränke, deren Ge-
nusse die Thraker sehr ergeben waren, mochten die Erregung
erhöhen 2), vielleicht auch der Rauch gewisser Samenkörner,
durch den sie, wie die Skythen und Massageten, sich zu be-
rauschen wussten 3). Man weiss ja, wie noch jetzt im Orient

multisque rebus inflammantur tales animi qui corporibus non inhaerent;
ut ei qui sono quodam vocum et Phrygiis cantibus incitantur
. Eine
deutliche Beschreibung dessen, was man sich unter ἔκστασις und Koryban-
tiasmus (s. unten) vorstellte.
1) In solchen, die ἐνϑουσιασμοῦ κατακώχιμοι sind, wie Aristoteles
sie kennt; eigene μανικαὶ διαϑέσεις kennt Plato. Nicht unverwandt ist
die φύσις ϑειάζουσα wie nach Demokrit die des begeisterungsfähigen
Dichters ist.
2) Bekannt ist die Trunksucht der Thraker, ihr alter Weinbau. Sie
brauten auch Bier aus Gerste: Athen. 10, 447 B C (vgl. Hehn, Culturpfl.
u. Hausth
.2 p. 126). Die (im Enthusiasmus wahrsagenden) Propheten
eines thrakischen Orakels wahrsagten plurimo mero sumpto. Aristot. bei
Macrob. Sat. 1, 18. 1. — Selbst die Weiber tranken ungemischten Wein
in Thrakien: Plato Leg. 1, 637 E.
3) Von den Thrakern Pomp. Mela 2, 21 (daraus Solin. 10, 5)
epulantibus ubi super ignes quos circumsident quaedam semina ingesta
sunt, similis ebrietati hilaritas ex nidore contingit
. Ohne Zweifel waren
es Samenkörner des Hanfs (κάνναβις), die diese Wirkung hatten. Dass
die Thraker den Hanf kannten, sagt Herodot 4, 74 ausdrücklich. Sie
berauschten sich also mit einer Art von Haschisch (Haschisch ist ein
Extract aus cannabis indica). Aehnlich die Skythen, von deren Schwitz-
bädern in dicht geschlossenen Hütten Herodot 4, 75 erzählt: sie liessen
dabei Hanfsamen auf glühenden Steinen verdampfen, und müssen (wie-
wohl davon Herodot nichts sagt) nothwendiger Weise in eine tolle
Trunkenheit gerathen sein. Dies mag ein religiöser Act gewesen sein.
Rausch gilt bei „Naturvölkern“ meistens für einen religiös inspirirten
Zustand. Und die skythische Sitte findet die auffallendste Parallele an
dem Gebrauch der „Schwitzhütte“ bei nordamerikanischen Indianern,
dessen religiöse Bedeutung sicher ist (s. die Beschreibungen bei Klemm,
Culturgesch. 2, 175—178; J. G. Müller, Amerikan. Urrelig. 92). Berauschung
durch Rauch gew. „Früchte“ auch bei den Massageten: Herod. 1, 202.
Diese standen, vollberauscht, zuletzt auf um zu tanzen und zu singen. Als
Reizmittel zu ihren ekstatischen religiösen Tänzen könnten auch die
Thraker die Berauschung durch Haschischrauch leicht benutzt haben. —
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[309/0325] der wirbelnde Tanz, dies alles konnte in geeigneten Naturen 1) wirklich einen Zustand visionärer Ueberreizung hervorbringen, in dem die Begeisterten alles ausser sich sahen was sie in sich dachten und vorstellten. Berauschende Getränke, deren Ge- nusse die Thraker sehr ergeben waren, mochten die Erregung erhöhen 2), vielleicht auch der Rauch gewisser Samenkörner, durch den sie, wie die Skythen und Massageten, sich zu be- rauschen wussten 3). Man weiss ja, wie noch jetzt im Orient 3) 1) In solchen, die ἐνϑουσιασμοῦ κατακώχιμοι sind, wie Aristoteles sie kennt; eigene μανικαὶ διαϑέσεις kennt Plato. Nicht unverwandt ist die φύσις ϑειάζουσα wie nach Demokrit die des begeisterungsfähigen Dichters ist. 2) Bekannt ist die Trunksucht der Thraker, ihr alter Weinbau. Sie brauten auch Bier aus Gerste: Athen. 10, 447 B C (vgl. Hehn, Culturpfl. u. Hausth.2 p. 126). Die (im Enthusiasmus wahrsagenden) Propheten eines thrakischen Orakels wahrsagten plurimo mero sumpto. Aristot. bei Macrob. Sat. 1, 18. 1. — Selbst die Weiber tranken ungemischten Wein in Thrakien: Plato Leg. 1, 637 E. 3) Von den Thrakern Pomp. Mela 2, 21 (daraus Solin. 10, 5) epulantibus ubi super ignes quos circumsident quaedam semina ingesta sunt, similis ebrietati hilaritas ex nidore contingit. Ohne Zweifel waren es Samenkörner des Hanfs (κάνναβις), die diese Wirkung hatten. Dass die Thraker den Hanf kannten, sagt Herodot 4, 74 ausdrücklich. Sie berauschten sich also mit einer Art von Haschisch (Haschisch ist ein Extract aus cannabis indica). Aehnlich die Skythen, von deren Schwitz- bädern in dicht geschlossenen Hütten Herodot 4, 75 erzählt: sie liessen dabei Hanfsamen auf glühenden Steinen verdampfen, und müssen (wie- wohl davon Herodot nichts sagt) nothwendiger Weise in eine tolle Trunkenheit gerathen sein. Dies mag ein religiöser Act gewesen sein. Rausch gilt bei „Naturvölkern“ meistens für einen religiös inspirirten Zustand. Und die skythische Sitte findet die auffallendste Parallele an dem Gebrauch der „Schwitzhütte“ bei nordamerikanischen Indianern, dessen religiöse Bedeutung sicher ist (s. die Beschreibungen bei Klemm, Culturgesch. 2, 175—178; J. G. Müller, Amerikan. Urrelig. 92). Berauschung durch Rauch gew. „Früchte“ auch bei den Massageten: Herod. 1, 202. Diese standen, vollberauscht, zuletzt auf um zu tanzen und zu singen. Als Reizmittel zu ihren ekstatischen religiösen Tänzen könnten auch die Thraker die Berauschung durch Haschischrauch leicht benutzt haben. — 3) multisque rebus inflammantur tales animi qui corporibus non inhaerent; ut ei qui sono quodam vocum et Phrygiis cantibus incitantur. Eine deutliche Beschreibung dessen, was man sich unter ἔκστασις und Koryban- tiasmus (s. unten) vorstellte.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/325>, abgerufen am 22.11.2024.