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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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man für Haus und Heerde 1), für Wasser und Feuer 2), im
heiligen oder profanen Gebrauch, rituale Reinigungen für nöthig
hielt. Die Reinigung dessen, der Blut vergossen hat, steht
völlig auf derselben Linie. Sie war auch dem unerlässlich, der
im rechtmässigen Streit oder ohne Absicht und Vorwissen einen
Menschen erschlagen hatte; die sittliche Seite des Geschehenen,
sittliche Schuld oder Nichtschuld des Thäters blieb ganz un-
beachtet oder unbemerkt: auch wo überlegter Mord vorliegt,
wird doch Reue des Mörders oder sein "Wille sich zu be-
kehren" 3) niemals zum vollen Gelingen der "Reinigung" ge-
fordert.

1) Reinigung von Häusern (Odyss. 22, 481 ff.) z. B. [Demosth.] 47, 71.
Man reinigt oikias kai probata mit schwarzem Elleborus (dem man zauber-
hafte Kräfte zutraute [s. oben p. 339, 3]; daher die abergläubischen Vor-
kehrungen bei seiner Ausgrabung: Theophr. h. pl. 9, 8, 8; Dioscor. mat.
med.
4, 149): Theophrast. hist. plant. 9, 10, 4; Dioscor. a. O. Grund zur
Reinigung giebt Berührung des Hauses durch unheimliche Dämonen.
Theophr. char. 16 p. 18, 15 Foss. vom deisidaimon: kai pukna de ten oikian
katharai deinos, Ekates phaskon epagogen gegonenai.
2) Anwesenheit einer Leiche im Hause verunreinigt Wasser und
Feuer; es muss "reines" Wasser und Feuer von anderswoher geholt
werden. S. (Argos) Plut. Quaest. Gr. 24. Oben p. 203 A. 2. Bei einem
Todtenfeste auf Lemnos wurden alle Feuer (als verunreinigt) gelöscht,
"reines" Feuer aus Delos geholt und erst nach Beerdigung der enagismata
ans Land gebracht und vertheilt. Philostr. heroic. p. 207, 26--208, 7
Kays. -- Griechischer sowohl wie persischer Sitte entsprechend lässt
Alexander beim Begräbniss des Hephaestion to para tois Persais kalou-
menon ieron pur auslöschen, mekhri an telese ten ekphoran. Diodor. 17, 144, 4.
3) "Wen der Grieche Sühnmittel gebrauchen sieht, bei dem setzt
er den Willen sich zu bekehren voraus". Nägelsbach, Nachhom. Theol.
363. Wäre das richtig, so müsste man sich wundern diese "Voraussetzung"
niemals ausgesprochen zu sehn. Wohl liest man einmal davon, wie der
deisidaimon sich kasteie und exagoreuei tinas amartias autou kai plemme-
leias -- aber welches sind diese amartiai? os tode phagontos e piontos e
badisantos odon en ouk eia to daimonion (Plut. de superstit. 8), nur rituale
Verfehlungen, nicht sittliche Vergehen. Und so ist es auf diesem ganzen
Gebiet. Die Vorstellungsweise die allem Reinigungswesen zu Grunde lag,
geläuterter Sittlichkeit späterer Zeit freilich nicht entsprach, aber herrschte
solange man überhaupt der Kathartik vertraute, spricht (missbilligend) Ovid
aus in den bekannten Versen, die man aber gut thut, sich ins Gedächtniss
zu rufen (Fast. 2, 35 ff.): Omne nefas omnemque mali purgamina causam

man für Haus und Heerde 1), für Wasser und Feuer 2), im
heiligen oder profanen Gebrauch, rituale Reinigungen für nöthig
hielt. Die Reinigung dessen, der Blut vergossen hat, steht
völlig auf derselben Linie. Sie war auch dem unerlässlich, der
im rechtmässigen Streit oder ohne Absicht und Vorwissen einen
Menschen erschlagen hatte; die sittliche Seite des Geschehenen,
sittliche Schuld oder Nichtschuld des Thäters blieb ganz un-
beachtet oder unbemerkt: auch wo überlegter Mord vorliegt,
wird doch Reue des Mörders oder sein „Wille sich zu be-
kehren“ 3) niemals zum vollen Gelingen der „Reinigung“ ge-
fordert.

1) Reinigung von Häusern (Odyss. 22, 481 ff.) z. B. [Demosth.] 47, 71.
Man reinigt οἰκίας καὶ πρόβατα mit schwarzem Elleborus (dem man zauber-
hafte Kräfte zutraute [s. oben p. 339, 3]; daher die abergläubischen Vor-
kehrungen bei seiner Ausgrabung: Theophr. h. pl. 9, 8, 8; Dioscor. mat.
med.
4, 149): Theophrast. hist. plant. 9, 10, 4; Dioscor. a. O. Grund zur
Reinigung giebt Berührung des Hauses durch unheimliche Dämonen.
Theophr. char. 16 p. 18, 15 Foss. vom δεισιδαίμων: καὶ πυκνὰ δε τὴν οἰκίαν
καϑᾶραι δεινός, Ἑκάτης φάσκων ἐπαγωγὴν γεγονέναι.
2) Anwesenheit einer Leiche im Hause verunreinigt Wasser und
Feuer; es muss „reines“ Wasser und Feuer von anderswoher geholt
werden. S. (Argos) Plut. Quaest. Gr. 24. Oben p. 203 A. 2. Bei einem
Todtenfeste auf Lemnos wurden alle Feuer (als verunreinigt) gelöscht,
„reines“ Feuer aus Delos geholt und erst nach Beerdigung der ἐναγίσματα
ans Land gebracht und vertheilt. Philostr. heroic. p. 207, 26—208, 7
Kays. — Griechischer sowohl wie persischer Sitte entsprechend lässt
Alexander beim Begräbniss des Hephaestion τὸ παρὰ τοῖς Πέρσαις καλού-
μενον ἱερὸν πῦρ auslöschen, μέχρι ἂν τελέσῃ τὴν ἐκφοράν. Diodor. 17, 144, 4.
3) „Wen der Grieche Sühnmittel gebrauchen sieht, bei dem setzt
er den Willen sich zu bekehren voraus“. Nägelsbach, Nachhom. Theol.
363. Wäre das richtig, so müsste man sich wundern diese „Voraussetzung“
niemals ausgesprochen zu sehn. Wohl liest man einmal davon, wie der
δεισιδαίμων sich kasteie und ἐξαγορεύει τινὰς ἁμαρτίας αὑτοῦ καὶ πλημμε-
λείας — aber welches sind diese ἁμαρτίαι? ὡς τόδε φαγόντος ἢ πιόντος ἢ
βαδίσαντος ὁδὸν ἣν οὐκ εἴα τὸ δαιμόνιον (Plut. de superstit. 8), nur rituale
Verfehlungen, nicht sittliche Vergehen. Und so ist es auf diesem ganzen
Gebiet. Die Vorstellungsweise die allem Reinigungswesen zu Grunde lag,
geläuterter Sittlichkeit späterer Zeit freilich nicht entsprach, aber herrschte
solange man überhaupt der Kathartik vertraute, spricht (missbilligend) Ovid
aus in den bekannten Versen, die man aber gut thut, sich ins Gedächtniss
zu rufen (Fast. 2, 35 ff.): Omne nefas omnemque mali purgamina causam
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[361/0377] man für Haus und Heerde 1), für Wasser und Feuer 2), im heiligen oder profanen Gebrauch, rituale Reinigungen für nöthig hielt. Die Reinigung dessen, der Blut vergossen hat, steht völlig auf derselben Linie. Sie war auch dem unerlässlich, der im rechtmässigen Streit oder ohne Absicht und Vorwissen einen Menschen erschlagen hatte; die sittliche Seite des Geschehenen, sittliche Schuld oder Nichtschuld des Thäters blieb ganz un- beachtet oder unbemerkt: auch wo überlegter Mord vorliegt, wird doch Reue des Mörders oder sein „Wille sich zu be- kehren“ 3) niemals zum vollen Gelingen der „Reinigung“ ge- fordert. 1) Reinigung von Häusern (Odyss. 22, 481 ff.) z. B. [Demosth.] 47, 71. Man reinigt οἰκίας καὶ πρόβατα mit schwarzem Elleborus (dem man zauber- hafte Kräfte zutraute [s. oben p. 339, 3]; daher die abergläubischen Vor- kehrungen bei seiner Ausgrabung: Theophr. h. pl. 9, 8, 8; Dioscor. mat. med. 4, 149): Theophrast. hist. plant. 9, 10, 4; Dioscor. a. O. Grund zur Reinigung giebt Berührung des Hauses durch unheimliche Dämonen. Theophr. char. 16 p. 18, 15 Foss. vom δεισιδαίμων: καὶ πυκνὰ δε τὴν οἰκίαν καϑᾶραι δεινός, Ἑκάτης φάσκων ἐπαγωγὴν γεγονέναι. 2) Anwesenheit einer Leiche im Hause verunreinigt Wasser und Feuer; es muss „reines“ Wasser und Feuer von anderswoher geholt werden. S. (Argos) Plut. Quaest. Gr. 24. Oben p. 203 A. 2. Bei einem Todtenfeste auf Lemnos wurden alle Feuer (als verunreinigt) gelöscht, „reines“ Feuer aus Delos geholt und erst nach Beerdigung der ἐναγίσματα ans Land gebracht und vertheilt. Philostr. heroic. p. 207, 26—208, 7 Kays. — Griechischer sowohl wie persischer Sitte entsprechend lässt Alexander beim Begräbniss des Hephaestion τὸ παρὰ τοῖς Πέρσαις καλού- μενον ἱερὸν πῦρ auslöschen, μέχρι ἂν τελέσῃ τὴν ἐκφοράν. Diodor. 17, 144, 4. 3) „Wen der Grieche Sühnmittel gebrauchen sieht, bei dem setzt er den Willen sich zu bekehren voraus“. Nägelsbach, Nachhom. Theol. 363. Wäre das richtig, so müsste man sich wundern diese „Voraussetzung“ niemals ausgesprochen zu sehn. Wohl liest man einmal davon, wie der δεισιδαίμων sich kasteie und ἐξαγορεύει τινὰς ἁμαρτίας αὑτοῦ καὶ πλημμε- λείας — aber welches sind diese ἁμαρτίαι? ὡς τόδε φαγόντος ἢ πιόντος ἢ βαδίσαντος ὁδὸν ἣν οὐκ εἴα τὸ δαιμόνιον (Plut. de superstit. 8), nur rituale Verfehlungen, nicht sittliche Vergehen. Und so ist es auf diesem ganzen Gebiet. Die Vorstellungsweise die allem Reinigungswesen zu Grunde lag, geläuterter Sittlichkeit späterer Zeit freilich nicht entsprach, aber herrschte solange man überhaupt der Kathartik vertraute, spricht (missbilligend) Ovid aus in den bekannten Versen, die man aber gut thut, sich ins Gedächtniss zu rufen (Fast. 2, 35 ff.): Omne nefas omnemque mali purgamina causam

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/377>, abgerufen am 25.11.2024.