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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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beginnt die Todtenklage 1). In diesen Gebräuchen, wie in den
auf die Verbrennung folgenden sehr einfachen Beisetzungs-
sitten (die Gebeine werden in einen Krug oder einen Kasten
gesammelt und in einem Hügel vergraben, den ein Mal als
Grabhügel bezeichnet 2]) wird man kaum einen leisesten Nach-
klang an ehemals lebhafteren Cultus der Seele verspüren
können. Wenn aber mit dem Elpenor, wie dessen Seele
den Odysseus geheissen hat (Od. 11, 74), seine Waffen ver-
brannt werden (Od. 12, 13), wenn auch Achill mit dem er-
legten Feinde zugleich dessen Waffen auf dem Scheiterhaufen
verbrennt (Il. 6, 418), so lässt sich wiederum das Rudiment
alten Glaubens nicht verkennen, nach welchem die Seele in
irgend einer geheimnissvollen Weise noch Gebrauch von dem
gleich ihrer Leibeshülle verbrannten Geräth machen kann.
Niemand zweifelt daran, dass, wo gleiche Sitte bei anderen
Völkern sich findet, eben dies der Grund der Sitte sei; auch
bei den Griechen hatte sie einst einen völlig zureichenden
Grund, den sie freilich im homerischen Seelenglauben nicht
mehr finden kann. Der Brauch, in diesen einzelnen Fällen
genauer bezeichnet, stand übrigens in allgemeiner Uebung;
mehrfach ist davon die Rede, wie zu einem vollständigen Be-
gräbniss das Verbrennen der Habe des Todten gehöre 3). Wie

völliges Abscheiden der "Seelen" aus unserer Welt hat auch diese Sitte
vorgeschrieben.
1) Zusammengefasst sind die einzelnen Handlungen bis zur Klage,
Il. 18, 343--355.
2] tumbos und stele: Il. 16, 457. 675; 17, 434; 11, 371; Od. 12, 14.
Ein aufgeschüttetes sema als Grabstätte des Eetion, um welches die
Nymphen Ulmen pflanzen: Il. 6, 419 ff. Eine Spur der auch später in
Uebung gebliebenen Sitte, Bäume, bisweilen ganze Haine um das Grab
zu pflanzen.
3) kterea ktereizein, in der Formel: sema te oi kheuai kai epi kterea
ktereizein, Od. 1, 291; 2, 222. Hier folgt das ktereizein erst nach der
Aufschüttung des Grabhügels, vermuthlich sollen also die kterea auf oder
an dem Grabhügel verbrannt werden. Falsch ist gleichwohl die aus die-
sen Stellen gewonnene Regel der Schol. B. Il. T 212: proutithesan, eita
ethapton, eita etumbokhooun, eita ektereizon. Jene Stellen beziehen sich
ja auf die Feier an einem leeren Grabe. Wo die Leiche zur Hand

beginnt die Todtenklage 1). In diesen Gebräuchen, wie in den
auf die Verbrennung folgenden sehr einfachen Beisetzungs-
sitten (die Gebeine werden in einen Krug oder einen Kasten
gesammelt und in einem Hügel vergraben, den ein Mal als
Grabhügel bezeichnet 2]) wird man kaum einen leisesten Nach-
klang an ehemals lebhafteren Cultus der Seele verspüren
können. Wenn aber mit dem Elpenor, wie dessen Seele
den Odysseus geheissen hat (Od. 11, 74), seine Waffen ver-
brannt werden (Od. 12, 13), wenn auch Achill mit dem er-
legten Feinde zugleich dessen Waffen auf dem Scheiterhaufen
verbrennt (Il. 6, 418), so lässt sich wiederum das Rudiment
alten Glaubens nicht verkennen, nach welchem die Seele in
irgend einer geheimnissvollen Weise noch Gebrauch von dem
gleich ihrer Leibeshülle verbrannten Geräth machen kann.
Niemand zweifelt daran, dass, wo gleiche Sitte bei anderen
Völkern sich findet, eben dies der Grund der Sitte sei; auch
bei den Griechen hatte sie einst einen völlig zureichenden
Grund, den sie freilich im homerischen Seelenglauben nicht
mehr finden kann. Der Brauch, in diesen einzelnen Fällen
genauer bezeichnet, stand übrigens in allgemeiner Uebung;
mehrfach ist davon die Rede, wie zu einem vollständigen Be-
gräbniss das Verbrennen der Habe des Todten gehöre 3). Wie

völliges Abscheiden der „Seelen“ aus unserer Welt hat auch diese Sitte
vorgeschrieben.
1) Zusammengefasst sind die einzelnen Handlungen bis zur Klage,
Il. 18, 343—355.
2] τύμβος und στήλη: Il. 16, 457. 675; 17, 434; 11, 371; Od. 12, 14.
Ein aufgeschüttetes σῆμα als Grabstätte des Eetion, um welches die
Nymphen Ulmen pflanzen: Il. 6, 419 ff. Eine Spur der auch später in
Uebung gebliebenen Sitte, Bäume, bisweilen ganze Haine um das Grab
zu pflanzen.
3) κτέρεα κτερεΐζειν, in der Formel: σῆμά τέ οἱ χεῦαι καὶ ἐπὶ κτέρεα
κτερεΐζειν, Od. 1, 291; 2, 222. Hier folgt das κτερεΐζειν erst nach der
Aufschüttung des Grabhügels, vermuthlich sollen also die κτέρεα auf oder
an dem Grabhügel verbrannt werden. Falsch ist gleichwohl die aus die-
sen Stellen gewonnene Regel der Schol. B. Il. T 212: προὐτίϑεσαν, εἶτα
ἔϑαπτον, εἶτα ἐτυμβοχόουν, εἶτα ἐκτερέϊζον. Jene Stellen beziehen sich
ja auf die Feier an einem leeren Grabe. Wo die Leiche zur Hand
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[23/0039] beginnt die Todtenklage 1). In diesen Gebräuchen, wie in den auf die Verbrennung folgenden sehr einfachen Beisetzungs- sitten (die Gebeine werden in einen Krug oder einen Kasten gesammelt und in einem Hügel vergraben, den ein Mal als Grabhügel bezeichnet 2]) wird man kaum einen leisesten Nach- klang an ehemals lebhafteren Cultus der Seele verspüren können. Wenn aber mit dem Elpenor, wie dessen Seele den Odysseus geheissen hat (Od. 11, 74), seine Waffen ver- brannt werden (Od. 12, 13), wenn auch Achill mit dem er- legten Feinde zugleich dessen Waffen auf dem Scheiterhaufen verbrennt (Il. 6, 418), so lässt sich wiederum das Rudiment alten Glaubens nicht verkennen, nach welchem die Seele in irgend einer geheimnissvollen Weise noch Gebrauch von dem gleich ihrer Leibeshülle verbrannten Geräth machen kann. Niemand zweifelt daran, dass, wo gleiche Sitte bei anderen Völkern sich findet, eben dies der Grund der Sitte sei; auch bei den Griechen hatte sie einst einen völlig zureichenden Grund, den sie freilich im homerischen Seelenglauben nicht mehr finden kann. Der Brauch, in diesen einzelnen Fällen genauer bezeichnet, stand übrigens in allgemeiner Uebung; mehrfach ist davon die Rede, wie zu einem vollständigen Be- gräbniss das Verbrennen der Habe des Todten gehöre 3). Wie 2) 1) Zusammengefasst sind die einzelnen Handlungen bis zur Klage, Il. 18, 343—355. 2] τύμβος und στήλη: Il. 16, 457. 675; 17, 434; 11, 371; Od. 12, 14. Ein aufgeschüttetes σῆμα als Grabstätte des Eetion, um welches die Nymphen Ulmen pflanzen: Il. 6, 419 ff. Eine Spur der auch später in Uebung gebliebenen Sitte, Bäume, bisweilen ganze Haine um das Grab zu pflanzen. 3) κτέρεα κτερεΐζειν, in der Formel: σῆμά τέ οἱ χεῦαι καὶ ἐπὶ κτέρεα κτερεΐζειν, Od. 1, 291; 2, 222. Hier folgt das κτερεΐζειν erst nach der Aufschüttung des Grabhügels, vermuthlich sollen also die κτέρεα auf oder an dem Grabhügel verbrannt werden. Falsch ist gleichwohl die aus die- sen Stellen gewonnene Regel der Schol. B. Il. T 212: προὐτίϑεσαν, εἶτα ἔϑαπτον, εἶτα ἐτυμβοχόουν, εἶτα ἐκτερέϊζον. Jene Stellen beziehen sich ja auf die Feier an einem leeren Grabe. Wo die Leiche zur Hand 2) völliges Abscheiden der „Seelen“ aus unserer Welt hat auch diese Sitte vorgeschrieben.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/39>, abgerufen am 21.11.2024.