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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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erst aus pythagoreischer Quelle den Orphikern zugeflossen sein
müsste 1). Die Seelenwanderungslehre und deren Ausführung
braucht am wenigsten solchen Ursprung zu haben. Es mag
also selbständig ausgebildete orphische Lehre auf Pythagoras
und seine Anhänger in Unteritalien gewirkt haben, wie es viel-
leicht aus Unteritalien hinübergebrachte, fertig entwickelte
orphische Lehren waren, in die (etwa zur gleichen Zeit wie
Pythagoras in Kroton) Onomakritos, der Stifter orphischen
Sectenwesens zu Athen, eintrat. Anders kann man doch kaum
das Verhältniss der Orphiker hüben und drüben zu einander
sich deuten, wenn man erfährt, dass am Hofe der Pisi-
stratiden neben Onomakritos zwei aus Unteritalien herbei-

scher und pythagoreischer Besitz ununterscheidbar in einander über.
fr. 143 (Puthagoreios te kai Orphikos: Syrian) gehört in den von Proclus
mehrmals ausdrücklich so genannten eis ton arithmon Puthagoreios umnos
(die Reste s. bei Nauck, Jamblich. Vit. Pyth. p. 228 fr. III); fr. 147
(Lyd. de mens.) offenbar desgleichen (s. Nauck a. O. p. 234 fr. IX); das-
selbe ist mindestens sehr wahrscheinlich für fr. 144--146, 148--151; und
wohl auch was Orpheus von der Zwölfzahl sagt (bei Procl. ad Remp.
p. 20, 24 ff. Pitr.) stammt aus diesem umnos. Proclus aber (ad Remp.
p. 36, 30 ff. Pitr.) citirt aus dem umnos (fr. III Nauck) V. 2--5, da aber
theilt er sie einem eis ton arithmon Orphikos umnos zu. Dieser orphisch-
pythagoreische umnos hat jedenfalls mit der (rhapsodischen) Theogonie des
O. nichts zu thun. Dagegen aus der Theogonie entnommen sind die
Worte "tetrada tetrakeraton" die nach Procl. a. O. p. 36, 33 muriakis
in der Orphike theologia vorkamen, vermuthlich als Beiwort des Zagreus,
des keroen brephos (Nonn. Dion. 6, 165) (wiewohl was hier Proclus von
der Dionusiake [d. h. des Zagreus] theotes sagt, dass sie tetras estin, viel-
mehr vom orphischen Phanes, dem vieräugigen, behauptet wird durch
Hermias [fr. 64]).
1) Auf der andern Seite ist in den Gedanken orphischer Theologie
und Dichtung vieles unmittelbar altthrakischem Dionysosdienst entnommen,
was in Pythagoreischer Lehre völlig fehlt. Es hat darnach doch alle Wahr-
scheinlichkeit, dass auch solche Theologumena, die der Orphik mit dem
Pythagoreismus gemeinsam sind, in ihrer Wurzel aber auf den fanatischen
Dionysoscult zurückgingen oder am leichtesten aus ihm speculativ ent-
wickelt werden konnten, den Orphikern eben aus diesem gemeinsamen
Urquell der Mystik unmittelbar zugeflossen waren, nicht auf dem Umweg
über die pythagoreische Lehre. Die Orphik hält dem gemeinsamen Ur-
quell sich überall näher als der Pythagoreismus, und darf auch darum
für etwas älter als dieser und ohne seine Einwirkung entstanden gelten.

erst aus pythagoreischer Quelle den Orphikern zugeflossen sein
müsste 1). Die Seelenwanderungslehre und deren Ausführung
braucht am wenigsten solchen Ursprung zu haben. Es mag
also selbständig ausgebildete orphische Lehre auf Pythagoras
und seine Anhänger in Unteritalien gewirkt haben, wie es viel-
leicht aus Unteritalien hinübergebrachte, fertig entwickelte
orphische Lehren waren, in die (etwa zur gleichen Zeit wie
Pythagoras in Kroton) Onomakritos, der Stifter orphischen
Sectenwesens zu Athen, eintrat. Anders kann man doch kaum
das Verhältniss der Orphiker hüben und drüben zu einander
sich deuten, wenn man erfährt, dass am Hofe der Pisi-
stratiden neben Onomakritos zwei aus Unteritalien herbei-

scher und pythagoreischer Besitz ununterscheidbar in einander über.
fr. 143 (Πυϑαγορείως τε καὶ Ὀρφικῶς: Syrian) gehört in den von Proclus
mehrmals ausdrücklich so genannten εἰς τὸν ἀριϑμὸν Πυϑαγόρειος ὕμνος
(die Reste s. bei Nauck, Jamblich. Vit. Pyth. p. 228 fr. III); fr. 147
(Lyd. de mens.) offenbar desgleichen (s. Nauck a. O. p. 234 fr. IX); das-
selbe ist mindestens sehr wahrscheinlich für fr. 144—146, 148—151; und
wohl auch was Orpheus von der Zwölfzahl sagt (bei Procl. ad Remp.
p. 20, 24 ff. Pitr.) stammt aus diesem ὕμνος. Proclus aber (ad Remp.
p. 36, 30 ff. Pitr.) citirt aus dem ὕμνος (fr. III Nauck) V. 2—5, da aber
theilt er sie einem εἰς τὸν ἀριϑμὸν Ὀρφικὸς ὕμνος zu. Dieser orphisch-
pythagoreische ὕμνος hat jedenfalls mit der (rhapsodischen) Theogonie des
O. nichts zu thun. Dagegen aus der Theogonie entnommen sind die
Worte „τετράδα τετρακέρατον“ die nach Procl. a. O. p. 36, 33 μυριάκις
in der Ὀρφικὴ ϑεολογία vorkamen, vermuthlich als Beiwort des Zagreus,
des κερόεν βρέφος (Nonn. Dion. 6, 165) (wiewohl was hier Proclus von
der Διονυσιακὴ [d. h. des Zagreus] ϑεότης sagt, dass sie τετρὰς ἐστίν, viel-
mehr vom orphischen Phanes, dem vieräugigen, behauptet wird durch
Hermias [fr. 64]).
1) Auf der andern Seite ist in den Gedanken orphischer Theologie
und Dichtung vieles unmittelbar altthrakischem Dionysosdienst entnommen,
was in Pythagoreischer Lehre völlig fehlt. Es hat darnach doch alle Wahr-
scheinlichkeit, dass auch solche Theologumena, die der Orphik mit dem
Pythagoreismus gemeinsam sind, in ihrer Wurzel aber auf den fanatischen
Dionysoscult zurückgingen oder am leichtesten aus ihm speculativ ent-
wickelt werden konnten, den Orphikern eben aus diesem gemeinsamen
Urquell der Mystik unmittelbar zugeflossen waren, nicht auf dem Umweg
über die pythagoreische Lehre. Die Orphik hält dem gemeinsamen Ur-
quell sich überall näher als der Pythagoreismus, und darf auch darum
für etwas älter als dieser und ohne seine Einwirkung entstanden gelten.
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[400/0416] erst aus pythagoreischer Quelle den Orphikern zugeflossen sein müsste 1). Die Seelenwanderungslehre und deren Ausführung braucht am wenigsten solchen Ursprung zu haben. Es mag also selbständig ausgebildete orphische Lehre auf Pythagoras und seine Anhänger in Unteritalien gewirkt haben, wie es viel- leicht aus Unteritalien hinübergebrachte, fertig entwickelte orphische Lehren waren, in die (etwa zur gleichen Zeit wie Pythagoras in Kroton) Onomakritos, der Stifter orphischen Sectenwesens zu Athen, eintrat. Anders kann man doch kaum das Verhältniss der Orphiker hüben und drüben zu einander sich deuten, wenn man erfährt, dass am Hofe der Pisi- stratiden neben Onomakritos zwei aus Unteritalien herbei- 3) 1) Auf der andern Seite ist in den Gedanken orphischer Theologie und Dichtung vieles unmittelbar altthrakischem Dionysosdienst entnommen, was in Pythagoreischer Lehre völlig fehlt. Es hat darnach doch alle Wahr- scheinlichkeit, dass auch solche Theologumena, die der Orphik mit dem Pythagoreismus gemeinsam sind, in ihrer Wurzel aber auf den fanatischen Dionysoscult zurückgingen oder am leichtesten aus ihm speculativ ent- wickelt werden konnten, den Orphikern eben aus diesem gemeinsamen Urquell der Mystik unmittelbar zugeflossen waren, nicht auf dem Umweg über die pythagoreische Lehre. Die Orphik hält dem gemeinsamen Ur- quell sich überall näher als der Pythagoreismus, und darf auch darum für etwas älter als dieser und ohne seine Einwirkung entstanden gelten. 3) scher und pythagoreischer Besitz ununterscheidbar in einander über. fr. 143 (Πυϑαγορείως τε καὶ Ὀρφικῶς: Syrian) gehört in den von Proclus mehrmals ausdrücklich so genannten εἰς τὸν ἀριϑμὸν Πυϑαγόρειος ὕμνος (die Reste s. bei Nauck, Jamblich. Vit. Pyth. p. 228 fr. III); fr. 147 (Lyd. de mens.) offenbar desgleichen (s. Nauck a. O. p. 234 fr. IX); das- selbe ist mindestens sehr wahrscheinlich für fr. 144—146, 148—151; und wohl auch was Orpheus von der Zwölfzahl sagt (bei Procl. ad Remp. p. 20, 24 ff. Pitr.) stammt aus diesem ὕμνος. Proclus aber (ad Remp. p. 36, 30 ff. Pitr.) citirt aus dem ὕμνος (fr. III Nauck) V. 2—5, da aber theilt er sie einem εἰς τὸν ἀριϑμὸν Ὀρφικὸς ὕμνος zu. Dieser orphisch- pythagoreische ὕμνος hat jedenfalls mit der (rhapsodischen) Theogonie des O. nichts zu thun. Dagegen aus der Theogonie entnommen sind die Worte „τετράδα τετρακέρατον“ die nach Procl. a. O. p. 36, 33 μυριάκις in der Ὀρφικὴ ϑεολογία vorkamen, vermuthlich als Beiwort des Zagreus, des κερόεν βρέφος (Nonn. Dion. 6, 165) (wiewohl was hier Proclus von der Διονυσιακὴ [d. h. des Zagreus] ϑεότης sagt, dass sie τετρὰς ἐστίν, viel- mehr vom orphischen Phanes, dem vieräugigen, behauptet wird durch Hermias [fr. 64]).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/416>, abgerufen am 22.11.2024.