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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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entlehnt habe 1). Aber auf die Mysterien, und das was man
ihre "Lehre" nennen könnte, wirft (wie auch auf andere stark
hervortretende Erscheinungen des erregten religiösen Lebens
seiner Zeit 2) Heraklit nur vereinzelte Blicke, um sie mit seiner
eigenen Lehre, mehr unterlegend als auslegend, in Verbindung
zu setzen. Er zeigt, dass sie mit seiner Lehre, die ihm alle
Erscheinungen der Welt erklären zu können schien, sich in
Einklang setzen liessen 3); dass er umgekehrt seine Lehre mit

anathumiasis des feurigen Aethers [vgl. Sext. Emp. adv. Phys. 1, 73 nach
Posidonius]. Dies anathumian [und wieder feurig werden] nennt Her. osmas-
thai) kath aden. Soll man hieraus im Ernst schliessen, dass H. an einen
Hades nach homerischer Art geglaubt habe? ades ist metonymischer
Ausdruck für das Gegentheil des irdischen Lebens (so wird ades meto-
nymisch, als Gegensatz des phaos, verwendet bei dem heraklitisirenden
Pseudhippocr. de diaeta 1, 4 p. 632 Kühn). Für die Seelen bedeutet ades
die odos kato; und der Sinn des Ausspruches ist: nach dem Verschwinden
im Tode werden die Seelen, wenn sie den Weg abwärts durch Wasser
und Erde durchmessen haben, aufsteigend durch Wasser zuletzt, reines,
trockenes "Feuer" in sich einziehend, sich als "Seelen" ganz wiederfinden.
-- Aus dem unheilbar entstellten fr. 123 ist nichts Verständliches zu ge-
winnen. -- Deutliche und unzweideutige Aussprüche des H., die von
seinem Glauben an Unsterblichkeit der Einzelseelen Zeugniss geben, liegen
nicht vor; solcher Aussprüche aber würde es bedürfen, ehe man dem
Heraklit eine Vorstellung beimessen könnte, die mit seiner übrigen Lehre,
wie allgemein zugestanden wird, in unvereinbarem Gegensatz steht. Deut-
lich sagt er, dass die Seele im Tode zu Wasser werde, das heisst aber,
dass sie als Seele = Feuer, vergeht. Wenn sein Glaube dem der
Mystiker nahe gekommen wäre (wie die Neoplatoniker ihm zutrauen), so
müsste ihm der Tod, die Befreiung der Seele aus den Fesseln der Leiblich-
keit und dem Reiche der niederen Elemente, als ein völliges Aufgehen
der Seele in ihr eigenstes Element, das Feuer, gegolten haben. Aber
das Gegentheil lehrt er: die Seele vergeht, wird Wasser, Erde, dann
wieder Wasser und zuletzt wieder Seele (fr. 68). Nur insoweit ist sie
unvergänglich.
1) So Pfleiderer a. a. O. p. 209 u. ö.
2) Sibylle: fr. 12. Delphisches Orakel: 11. Kathartik: 130. Bakchisches
Wesen: 124.
3) outos Aides kai Dionusos: fr. 127 (und insofern, weil mit hera-
klitischer Philosophie vereinbar, sollen die Dionysosmysterien gelten dürfen.
Das muss der Sinn des Ausspruchs sein). Andrerseits Tadel der anierosti
von den Menschen begangener musteria: 125 (da deren wahren Gehalt
die Feiernden nicht erfassen).

entlehnt habe 1). Aber auf die Mysterien, und das was man
ihre „Lehre“ nennen könnte, wirft (wie auch auf andere stark
hervortretende Erscheinungen des erregten religiösen Lebens
seiner Zeit 2) Heraklit nur vereinzelte Blicke, um sie mit seiner
eigenen Lehre, mehr unterlegend als auslegend, in Verbindung
zu setzen. Er zeigt, dass sie mit seiner Lehre, die ihm alle
Erscheinungen der Welt erklären zu können schien, sich in
Einklang setzen liessen 3); dass er umgekehrt seine Lehre mit

ἀναϑυμίασις des feurigen Aethers [vgl. Sext. Emp. adv. Phys. 1, 73 nach
Posidonius]. Dies ἀναϑυμιᾶν [und wieder feurig werden] nennt Her. ὀσμᾶσ-
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Hades nach homerischer Art geglaubt habe? ᾅδης ist metonymischer
Ausdruck für das Gegentheil des irdischen Lebens (so wird ᾅδης meto-
nymisch, als Gegensatz des φάος, verwendet bei dem heraklitisirenden
Pseudhippocr. de diaeta 1, 4 p. 632 Kühn). Für die Seelen bedeutet ᾅδης
die ὁδὸς κάτω; und der Sinn des Ausspruches ist: nach dem Verschwinden
im Tode werden die Seelen, wenn sie den Weg abwärts durch Wasser
und Erde durchmessen haben, aufsteigend durch Wasser zuletzt, reines,
trockenes „Feuer“ in sich einziehend, sich als „Seelen“ ganz wiederfinden.
— Aus dem unheilbar entstellten fr. 123 ist nichts Verständliches zu ge-
winnen. — Deutliche und unzweideutige Aussprüche des H., die von
seinem Glauben an Unsterblichkeit der Einzelseelen Zeugniss geben, liegen
nicht vor; solcher Aussprüche aber würde es bedürfen, ehe man dem
Heraklit eine Vorstellung beimessen könnte, die mit seiner übrigen Lehre,
wie allgemein zugestanden wird, in unvereinbarem Gegensatz steht. Deut-
lich sagt er, dass die Seele im Tode zu Wasser werde, das heisst aber,
dass sie als Seele = Feuer, vergeht. Wenn sein Glaube dem der
Mystiker nahe gekommen wäre (wie die Neoplatoniker ihm zutrauen), so
müsste ihm der Tod, die Befreiung der Seele aus den Fesseln der Leiblich-
keit und dem Reiche der niederen Elemente, als ein völliges Aufgehen
der Seele in ihr eigenstes Element, das Feuer, gegolten haben. Aber
das Gegentheil lehrt er: die Seele vergeht, wird Wasser, Erde, dann
wieder Wasser und zuletzt wieder Seele (fr. 68). Nur insoweit ist sie
unvergänglich.
1) So Pfleiderer a. a. O. p. 209 u. ö.
2) Sibylle: fr. 12. Delphisches Orakel: 11. Kathartik: 130. Bakchisches
Wesen: 124.
3) ὡυτὸς Ἅιδης καὶ Διόνυσος: fr. 127 (und insofern, weil mit hera-
klitischer Philosophie vereinbar, sollen die Dionysosmysterien gelten dürfen.
Das muss der Sinn des Ausspruchs sein). Andrerseits Tadel der ἀνιερωστί
von den Menschen begangener μυστήρια: 125 (da deren wahren Gehalt
die Feiernden nicht erfassen).
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[444/0460] entlehnt habe 1). Aber auf die Mysterien, und das was man ihre „Lehre“ nennen könnte, wirft (wie auch auf andere stark hervortretende Erscheinungen des erregten religiösen Lebens seiner Zeit 2) Heraklit nur vereinzelte Blicke, um sie mit seiner eigenen Lehre, mehr unterlegend als auslegend, in Verbindung zu setzen. Er zeigt, dass sie mit seiner Lehre, die ihm alle Erscheinungen der Welt erklären zu können schien, sich in Einklang setzen liessen 3); dass er umgekehrt seine Lehre mit 2) 1) So Pfleiderer a. a. O. p. 209 u. ö. 2) Sibylle: fr. 12. Delphisches Orakel: 11. Kathartik: 130. Bakchisches Wesen: 124. 3) ὡυτὸς Ἅιδης καὶ Διόνυσος: fr. 127 (und insofern, weil mit hera- klitischer Philosophie vereinbar, sollen die Dionysosmysterien gelten dürfen. Das muss der Sinn des Ausspruchs sein). Andrerseits Tadel der ἀνιερωστί von den Menschen begangener μυστήρια: 125 (da deren wahren Gehalt die Feiernden nicht erfassen). 2) ἀναϑυμίασις des feurigen Aethers [vgl. Sext. Emp. adv. Phys. 1, 73 nach Posidonius]. Dies ἀναϑυμιᾶν [und wieder feurig werden] nennt Her. ὀσμᾶσ- ϑαι) καϑ̕ ᾅδην. Soll man hieraus im Ernst schliessen, dass H. an einen Hades nach homerischer Art geglaubt habe? ᾅδης ist metonymischer Ausdruck für das Gegentheil des irdischen Lebens (so wird ᾅδης meto- nymisch, als Gegensatz des φάος, verwendet bei dem heraklitisirenden Pseudhippocr. de diaeta 1, 4 p. 632 Kühn). Für die Seelen bedeutet ᾅδης die ὁδὸς κάτω; und der Sinn des Ausspruches ist: nach dem Verschwinden im Tode werden die Seelen, wenn sie den Weg abwärts durch Wasser und Erde durchmessen haben, aufsteigend durch Wasser zuletzt, reines, trockenes „Feuer“ in sich einziehend, sich als „Seelen“ ganz wiederfinden. — Aus dem unheilbar entstellten fr. 123 ist nichts Verständliches zu ge- winnen. — Deutliche und unzweideutige Aussprüche des H., die von seinem Glauben an Unsterblichkeit der Einzelseelen Zeugniss geben, liegen nicht vor; solcher Aussprüche aber würde es bedürfen, ehe man dem Heraklit eine Vorstellung beimessen könnte, die mit seiner übrigen Lehre, wie allgemein zugestanden wird, in unvereinbarem Gegensatz steht. Deut- lich sagt er, dass die Seele im Tode zu Wasser werde, das heisst aber, dass sie als Seele = Feuer, vergeht. Wenn sein Glaube dem der Mystiker nahe gekommen wäre (wie die Neoplatoniker ihm zutrauen), so müsste ihm der Tod, die Befreiung der Seele aus den Fesseln der Leiblich- keit und dem Reiche der niederen Elemente, als ein völliges Aufgehen der Seele in ihr eigenstes Element, das Feuer, gegolten haben. Aber das Gegentheil lehrt er: die Seele vergeht, wird Wasser, Erde, dann wieder Wasser und zuletzt wieder Seele (fr. 68). Nur insoweit ist sie unvergänglich.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/460>, abgerufen am 22.11.2024.