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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Aber freilich, derselbe Philolaos, der die Seele als Har-
monie ihres Körpers kennt, redet auch von den Seelen als
selbständigen und unvergänglichen Wesen. Man kann im Zwei-
fel sein, ob sich diese unvereinbaren Aussagen eines und des-
selben Mannes überhaupt auf den gleichen Gegenstand be-
ziehen. Der konnte ja von der Einen Seele sehr mannich-
faltig reden, der innerhalb der Seele verschiedene Theile, von
denen verschiedenes galt, unterschied: wie das zuerst in der
pythagoreischen Schule geschehen ist 1).

reer und Pythagoristen) u. s. w., wie sie alte Zeugen uns bezeichnen, hat
von vornherein nichts Unglaubliches.
1) Die Theilung der Seele oder der dunameis der Seele in das logi-
kon und das alogon habe vor Plato Pythagoras gelehrt, wie man, autou
tou Puthagorou suggrammatos oudenos eis emas sozomenou -- aus den Schrif-
ten einiger seiner Anhänger entnehmen könne: Posidonius b. Galen de
Hipp. et Plat. dogm.
V (5, 478 vgl. 425 K.). Aus Posidonius offenbar
schöpft die gleiche Mittheilung Cicero Tusc. 4, 10. In der That zeigt das
Bruchstück aus Philolaos peri phuseos in Theol. Arithm p. 20. 21 eine
Eintheilung der arkhai tou zoou tou logikou (nous im Kopfe, anthropou
arkha -- psukha kai aisthesis im Herzen, zoou arkha -- Rizosis kai anaphusis
im Nabel, phutou arkha -- spermatos katabola und gennesis im aidoion,
xunapanton arkha), die auf den Gedanken, dass im höchsten Lebensorganis-
mus, auch alle andern niederen Organismen enthalten und verwendet
seien, hinausläuft, und im Gebiet des Seelischen eine Unterscheidung des
logikon (nach Denkkraft, nous, als specifisch menschlichem, und Sinnes-
wahrnehmung aisthesis, als auch den andern zoa eigen, gegliedert) von
dem alogon (Rizosis kai anaphusis, gleich dem aition tou trephesthai kai
auxesthai, dem phutikon, einem Theil des alogon tes psukhes: Aristot.
Eth. Nicom. 1102 a, 32 ff.) nach Wesen und "Sitz" im Menschen zeigt,
die wirklich einen Ansatz zu einer Theilung der Seele in logikon
und alogon darbietet, wie sie Posidonius noch bei anderen Pythagoreern
ausgeführt gefunden haben muss. Einen deutlichen Unterschied zwi-
schen phronein (xunienai) und aisthanesthai machte der pythagorisirende
Arzt Alkmaeon und zwar jedenfalls in einem anderen und tiefer schei-
denden Sinne. als Empedokles (den ihm Theophrast de sens. 25 ent-
gegensetzt), bei dem ja auch Denken und Wahrnehmung ausdrücklich ge-
schieden werden, das Denken (noein) aber auch nur ein somatikon ti
osper to aisthanesthai und insofern tauton mit diesem ist (Aristot. de an.
3, 3). Bei Alkmaeon muss also das xunienai nicht somatikon gewesen sein.
Diese Pythagoreer waren auf dem Wege, von der Seele im Ganzen eine
ohne Vermittlung sinnlicher Wahrnehmung denkende Seele, den nous,
abzusondern, und allein dieser, wie spätere Philosophie that, Göttlichkeit

Aber freilich, derselbe Philolaos, der die Seele als Har-
monie ihres Körpers kennt, redet auch von den Seelen als
selbständigen und unvergänglichen Wesen. Man kann im Zwei-
fel sein, ob sich diese unvereinbaren Aussagen eines und des-
selben Mannes überhaupt auf den gleichen Gegenstand be-
ziehen. Der konnte ja von der Einen Seele sehr mannich-
faltig reden, der innerhalb der Seele verschiedene Theile, von
denen verschiedenes galt, unterschied: wie das zuerst in der
pythagoreischen Schule geschehen ist 1).

reer und Pythagoristen) u. s. w., wie sie alte Zeugen uns bezeichnen, hat
von vornherein nichts Unglaubliches.
1) Die Theilung der Seele oder der δυνάμεις der Seele in das λογι-
κόν und das ἄλογον habe vor Plato Pythagoras gelehrt, wie man, αὐτοῦ
τοῦ Πυϑαγόρου συγγράμματος οὐδενὸς εἰς ἡμᾶς σῳζομένου — aus den Schrif-
ten einiger seiner Anhänger entnehmen könne: Posidonius b. Galen de
Hipp. et Plat. dogm.
V (5, 478 vgl. 425 K.). Aus Posidonius offenbar
schöpft die gleiche Mittheilung Cicero Tusc. 4, 10. In der That zeigt das
Bruchstück aus Philolaos περὶ φύσεως in Theol. Arithm p. 20. 21 eine
Eintheilung der ἀρχαὶ τοῦ ζῷου τοῦ λογικοῦ (νοῦς im Kopfe, ἀνϑρώπου
ἀρχά — ψυχἀ καὶ αἴσϑησις im Herzen, ζῴου ἀρχά — ῥίζωσις καὶ ἀνάφυσις
im Nabel, φυτοῦ ἀρχά — σπέρματος καταβολά und γέννησις im αἰδοῖον,
ξυναπάντων ἀρχά), die auf den Gedanken, dass im höchsten Lebensorganis-
mus, auch alle andern niederen Organismen enthalten und verwendet
seien, hinausläuft, und im Gebiet des Seelischen eine Unterscheidung des
λογικόν (nach Denkkraft, νοῦς, als specifisch menschlichem, und Sinnes-
wahrnehmung αἴσϑησις, als auch den andern ζῶα eigen, gegliedert) von
dem ἄλογον (ῥίζωσις καὶ ἀνάφυσις, gleich dem αἴτιον τοῦ τρέφεσϑαι καὶ
αὔξεσϑαι, dem φυτικόν, einem Theil des ἄλογον τῆς ψυχῆς: Aristot.
Eth. Nicom. 1102 a, 32 ff.) nach Wesen und „Sitz“ im Menschen zeigt,
die wirklich einen Ansatz zu einer Theilung der Seele in λογικόν
und ἄλογον darbietet, wie sie Posidonius noch bei anderen Pythagoreern
ausgeführt gefunden haben muss. Einen deutlichen Unterschied zwi-
schen φρονεῖν (ξυνιέναι) und αἰσϑάνεσϑαι machte der pythagorisirende
Arzt Alkmaeon und zwar jedenfalls in einem anderen und tiefer schei-
denden Sinne. als Empedokles (den ihm Theophrast de sens. 25 ent-
gegensetzt), bei dem ja auch Denken und Wahrnehmung ausdrücklich ge-
schieden werden, das Denken (νοεῖν) aber auch nur ein σωματικόν τι
ὥσπερ τὸ αἰσϑάνεσϑαι und insofern ταὐτόν mit diesem ist (Aristot. de an.
3, 3). Bei Alkmaeon muss also das ξυνιέναι nicht σωματικόν gewesen sein.
Diese Pythagoreer waren auf dem Wege, von der Seele im Ganzen eine
ohne Vermittlung sinnlicher Wahrnehmung denkende Seele, den νοῦς,
abzusondern, und allein dieser, wie spätere Philosophie that, Göttlichkeit
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[464/0480] Aber freilich, derselbe Philolaos, der die Seele als Har- monie ihres Körpers kennt, redet auch von den Seelen als selbständigen und unvergänglichen Wesen. Man kann im Zwei- fel sein, ob sich diese unvereinbaren Aussagen eines und des- selben Mannes überhaupt auf den gleichen Gegenstand be- ziehen. Der konnte ja von der Einen Seele sehr mannich- faltig reden, der innerhalb der Seele verschiedene Theile, von denen verschiedenes galt, unterschied: wie das zuerst in der pythagoreischen Schule geschehen ist 1). 2) 1) Die Theilung der Seele oder der δυνάμεις der Seele in das λογι- κόν und das ἄλογον habe vor Plato Pythagoras gelehrt, wie man, αὐτοῦ τοῦ Πυϑαγόρου συγγράμματος οὐδενὸς εἰς ἡμᾶς σῳζομένου — aus den Schrif- ten einiger seiner Anhänger entnehmen könne: Posidonius b. Galen de Hipp. et Plat. dogm. V (5, 478 vgl. 425 K.). Aus Posidonius offenbar schöpft die gleiche Mittheilung Cicero Tusc. 4, 10. In der That zeigt das Bruchstück aus Philolaos περὶ φύσεως in Theol. Arithm p. 20. 21 eine Eintheilung der ἀρχαὶ τοῦ ζῷου τοῦ λογικοῦ (νοῦς im Kopfe, ἀνϑρώπου ἀρχά — ψυχἀ καὶ αἴσϑησις im Herzen, ζῴου ἀρχά — ῥίζωσις καὶ ἀνάφυσις im Nabel, φυτοῦ ἀρχά — σπέρματος καταβολά und γέννησις im αἰδοῖον, ξυναπάντων ἀρχά), die auf den Gedanken, dass im höchsten Lebensorganis- mus, auch alle andern niederen Organismen enthalten und verwendet seien, hinausläuft, und im Gebiet des Seelischen eine Unterscheidung des λογικόν (nach Denkkraft, νοῦς, als specifisch menschlichem, und Sinnes- wahrnehmung αἴσϑησις, als auch den andern ζῶα eigen, gegliedert) von dem ἄλογον (ῥίζωσις καὶ ἀνάφυσις, gleich dem αἴτιον τοῦ τρέφεσϑαι καὶ αὔξεσϑαι, dem φυτικόν, einem Theil des ἄλογον τῆς ψυχῆς: Aristot. Eth. Nicom. 1102 a, 32 ff.) nach Wesen und „Sitz“ im Menschen zeigt, die wirklich einen Ansatz zu einer Theilung der Seele in λογικόν und ἄλογον darbietet, wie sie Posidonius noch bei anderen Pythagoreern ausgeführt gefunden haben muss. Einen deutlichen Unterschied zwi- schen φρονεῖν (ξυνιέναι) und αἰσϑάνεσϑαι machte der pythagorisirende Arzt Alkmaeon und zwar jedenfalls in einem anderen und tiefer schei- denden Sinne. als Empedokles (den ihm Theophrast de sens. 25 ent- gegensetzt), bei dem ja auch Denken und Wahrnehmung ausdrücklich ge- schieden werden, das Denken (νοεῖν) aber auch nur ein σωματικόν τι ὥσπερ τὸ αἰσϑάνεσϑαι und insofern ταὐτόν mit diesem ist (Aristot. de an. 3, 3). Bei Alkmaeon muss also das ξυνιέναι nicht σωματικόν gewesen sein. Diese Pythagoreer waren auf dem Wege, von der Seele im Ganzen eine ohne Vermittlung sinnlicher Wahrnehmung denkende Seele, den νοῦς, abzusondern, und allein dieser, wie spätere Philosophie that, Göttlichkeit 2) reer und Pythagoristen) u. s. w., wie sie alte Zeugen uns bezeichnen, hat von vornherein nichts Unglaubliches.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/480>, abgerufen am 22.11.2024.