fällt in diese Welt, in der als bleibende Bestandtheile nur die drei Elemente und die zwei Kräfte der Liebe und des Hasses anzutreffen sind 1), herein aus einer andern Welt, der Welt der Geister und Götter, zu seinem Unheil, als in ein Fremdes; die Elemente werfen ihn einander zu, "und hassen ihn alle" (V. 35). Wohl tritt diese, mitten in feindlich fremder Um- gebung für sich allein lebende Seele nur in solche irdische Gebilde ein, die selbst schon Sinne, Empfindung und Wahr- nehmung, auch Verstand oder Denkkraft als Blüthe ihrer ma- teriellen Zusammenfügung haben; aber sie ist mit diesen seeli- schen Kräften so wenig identisch wie mit den Stoffmischungen und im besonderen, im Menschen, mit dem Herzblut. Sie be- steht unvermischt und unvermischbar neben dem Leibe und seinen Kräften, die allerdings erst mit ihr vereint Leben haben "was man so Leben nennt" (V. 117), von ihr getrennt der Vernichtung verfallen, aber nicht auch sie, die zu anderen Wohnplätzen weiter wandert, in die Vernichtung reissen.
In dieser eigenthümlich dualistischen Lehre spiegelt sich die zwiefache Sinnesrichtung des Empedokles wieder; er meinte wohl, in dieser Weise die Einsichten des Physiologen und des Theologen vereinigen zu können. Unter Griechen mag der Gedanke einer solcher Zwiespältigkeit des inneren Lebens weniger befremdlich erschienen sein als er uns erscheinen muss. Die Vorstellung einer "Seele", die als selbständiges, einheit- lich geschlossenes Geisteswesen in dem Leibe wohnt, der die geistigen Thätigkeiten des Wahrnehmens, Empfindens, Wol- lens und Denkens nicht von ihr empfängt, sondern durch seine eigene Kraft verrichtet -- diese Vorstellung stimmt ja im Grunde überein mit den Annahmen volksthümlicher Seelen- kunde, die in Homers Gedichten überall dargelegt oder voraus- gesetzt werden 2). Nur dass diese dichterisch-volksthümliche Ansicht nach den Eingebungen theologisch-philosophischer Spe-
1) v. 92.
2) S. oben p. 4 ff.
fällt in diese Welt, in der als bleibende Bestandtheile nur die drei Elemente und die zwei Kräfte der Liebe und des Hasses anzutreffen sind 1), herein aus einer andern Welt, der Welt der Geister und Götter, zu seinem Unheil, als in ein Fremdes; die Elemente werfen ihn einander zu, „und hassen ihn alle“ (V. 35). Wohl tritt diese, mitten in feindlich fremder Um- gebung für sich allein lebende Seele nur in solche irdische Gebilde ein, die selbst schon Sinne, Empfindung und Wahr- nehmung, auch Verstand oder Denkkraft als Blüthe ihrer ma- teriellen Zusammenfügung haben; aber sie ist mit diesen seeli- schen Kräften so wenig identisch wie mit den Stoffmischungen und im besonderen, im Menschen, mit dem Herzblut. Sie be- steht unvermischt und unvermischbar neben dem Leibe und seinen Kräften, die allerdings erst mit ihr vereint Leben haben „was man so Leben nennt“ (V. 117), von ihr getrennt der Vernichtung verfallen, aber nicht auch sie, die zu anderen Wohnplätzen weiter wandert, in die Vernichtung reissen.
In dieser eigenthümlich dualistischen Lehre spiegelt sich die zwiefache Sinnesrichtung des Empedokles wieder; er meinte wohl, in dieser Weise die Einsichten des Physiologen und des Theologen vereinigen zu können. Unter Griechen mag der Gedanke einer solcher Zwiespältigkeit des inneren Lebens weniger befremdlich erschienen sein als er uns erscheinen muss. Die Vorstellung einer „Seele“, die als selbständiges, einheit- lich geschlossenes Geisteswesen in dem Leibe wohnt, der die geistigen Thätigkeiten des Wahrnehmens, Empfindens, Wol- lens und Denkens nicht von ihr empfängt, sondern durch seine eigene Kraft verrichtet — diese Vorstellung stimmt ja im Grunde überein mit den Annahmen volksthümlicher Seelen- kunde, die in Homers Gedichten überall dargelegt oder voraus- gesetzt werden 2). Nur dass diese dichterisch-volksthümliche Ansicht nach den Eingebungen theologisch-philosophischer Spe-
1) v. 92.
2) S. oben p. 4 ff.
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fällt in diese Welt, in der als bleibende Bestandtheile nur die
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anzutreffen sind 1), herein aus einer andern Welt, der Welt der
Geister und Götter, zu seinem Unheil, als in ein Fremdes;
die Elemente werfen ihn einander zu, „und hassen ihn alle“
(V. 35). Wohl tritt diese, mitten in feindlich fremder Um-
gebung für sich allein lebende Seele nur in solche irdische
Gebilde ein, die selbst schon Sinne, Empfindung und Wahr-
nehmung, auch Verstand oder Denkkraft als Blüthe ihrer ma-
teriellen Zusammenfügung haben; aber sie ist mit diesen seeli-
schen Kräften so wenig identisch wie mit den Stoffmischungen
und im besonderen, im Menschen, mit dem Herzblut. Sie be-
steht unvermischt und unvermischbar neben dem Leibe und
seinen Kräften, die allerdings erst mit ihr vereint Leben haben
„was man so Leben nennt“ (V. 117), von ihr getrennt der
Vernichtung verfallen, aber nicht auch sie, die zu anderen
Wohnplätzen weiter wandert, in die Vernichtung reissen.
In dieser eigenthümlich dualistischen Lehre spiegelt sich
die zwiefache Sinnesrichtung des Empedokles wieder; er meinte
wohl, in dieser Weise die Einsichten des Physiologen und
des Theologen vereinigen zu können. Unter Griechen mag der
Gedanke einer solcher Zwiespältigkeit des inneren Lebens
weniger befremdlich erschienen sein als er uns erscheinen muss.
Die Vorstellung einer „Seele“, die als selbständiges, einheit-
lich geschlossenes Geisteswesen in dem Leibe wohnt, der die
geistigen Thätigkeiten des Wahrnehmens, Empfindens, Wol-
lens und Denkens nicht von ihr empfängt, sondern durch seine
eigene Kraft verrichtet — diese Vorstellung stimmt ja im
Grunde überein mit den Annahmen volksthümlicher Seelen-
kunde, die in Homers Gedichten überall dargelegt oder voraus-
gesetzt werden 2). Nur dass diese dichterisch-volksthümliche
Ansicht nach den Eingebungen theologisch-philosophischer Spe-
1) v. 92.
2) S. oben p. 4 ff.
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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