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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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dem seligen Geschlecht der unterirdischen Götter zu stammen1).
Blitzstrahl, sagt sie in der einen Fassung der Verse, raubte
mir das Leben2). "Und so entflog ich dem Kreise, dem schmerz-
lichen, kummerbeschwerten." Hier herrscht rein orphischer
Glaube: aus dem "Kreise der Geburten"3) ist die Seele nun
endlich ausgeschieden: sie tritt, wie sie sagt, "mit hurtigen
Füssen in den ersehnten Bezirk"4); und schmiegt sich in den

1) kai gar egon umon genos olbion eukhomai eimen. So in allen drei
Fassungen.
2) alla me moir edamasse kai asteropeta keraunon (so [keraunon
Partic.] die Urform, auf welche die Verschreibungen der drei Exemplare
hinführen, hergestellt von O. Hofmann, in Collitz' Dialektinschr. 1654.
asterobleta 1; das könnte jedenfalls nur sein = asteropobleta, mag aber
nur irrthümlich dem asteropeta [= asteropetes homerisch] sich unter-
geschoben haben). So 1, 4. In Fassung 2 und 3: eite me moir edamass
eit asteropeta keraunon. Die Wahl zwischen natürlichem Tode, (dies
soll, wenn unterschieden von dem Blitztod, moira jedenfalls heissen) und
Tode durch Blitzstrahl hat doch der Verstorbene nicht; eines von beiden
(oder von mehreren) kann doch thatsächlich allein eingetreten sein. Man
hat offenbar in der Verlegenheit -- da doch Blitztod in Wirklichkeit
sehr selten eintritt -- den alten Vers so abgeändert, dass er allenfalls
auch auf einen, natürlichen Todes Verblichenen angewendet werden konnte.
Freilich ungeschickt genug. Ursprünglich kann -- wie noch in 1 -- nur
vom Blitztod die Rede gewesen sein, und es muss das ursprüngliche
Original der Verse sich wohl wirklich auf einen so ums Leben Gekommenen
bezogen haben. Dieser galt dann als schon durch die Art seines Todes
geweiht, als ieros nekros (wie der blitzerschlagene Kapaneus bei Eurip.
Suppl. 936 ff. heisst, der darum nicht mit verbrannt, sondern für sich
allein begraben werden soll, während sonst polloi oute kaiousin oute
katoruttousin [tous diobletous]: Plut. Symp. 4, 2, 3). S. oben p. 133 Anm.
Nur so verstanden hat die Angabe dieser eigenthümlichen Todesart hier
eine Beziehung: nun wird der also dem Leben Entrückte sicher theos
anti brotoio werden.
3) kuklos tes geneseos, rota fati etc. Lobeck, Agl. 798 ff.
4) imertou depeban stephanou posi karpalimoisi, Despoinas dupo kolpon
edun khthonias basileias: 1, 6. 7. Der stephanos soll wohl den heiligen Be-
zirk, den Umkreis des Reiches der Persephone bezeichnen, wie A. Dieterich,
de hymn. Orph. 35 wahrscheinlich vermuthet. -- Das upo kolpon edun
scheint einfach zu bedeuten: ich suche Schutz (als iketes) an ihrem mütter-
lichen Busen (oder Schoss). An die symbolischen Acte, durch die in
Mysterien die eheliche Verbindung mit der Göttin, auch die Geburt aus
der Göttin ausgedrückt wurde, denkt Dieterich p. 38 wohl ohne Grund.

dem seligen Geschlecht der unterirdischen Götter zu stammen1).
Blitzstrahl, sagt sie in der einen Fassung der Verse, raubte
mir das Leben2). „Und so entflog ich dem Kreise, dem schmerz-
lichen, kummerbeschwerten.“ Hier herrscht rein orphischer
Glaube: aus dem „Kreise der Geburten“3) ist die Seele nun
endlich ausgeschieden: sie tritt, wie sie sagt, „mit hurtigen
Füssen in den ersehnten Bezirk“4); und schmiegt sich in den

1) καὶ γὰρ ἐγὼν ὑμῶν γένος ὄλβιον εὔχομαι εἶμεν. So in allen drei
Fassungen.
2) ἀλλά με μοῖρ̕ ἐδάμασσε καὶ ἀστεροπῆτα κεραυνῶν (so [κεραυνῶν
Partic.] die Urform, auf welche die Verschreibungen der drei Exemplare
hinführen, hergestellt von O. Hofmann, in Collitz’ Dialektinschr. 1654.
ἀστεροβλῆτα 1; das könnte jedenfalls nur sein = ἀστεροποβλῆτα, mag aber
nur irrthümlich dem ἀστεροπῆτα [= ἀστεροπητής homerisch] sich unter-
geschoben haben). So 1, 4. In Fassung 2 und 3: εἴτε με μοῖρ̕ ἐδάμασσ̕
εἴτ̕ ἀστεροπῆτα κεραυνῶν. Die Wahl zwischen natürlichem Tode, (dies
soll, wenn unterschieden von dem Blitztod, μοῖρα jedenfalls heissen) und
Tode durch Blitzstrahl hat doch der Verstorbene nicht; eines von beiden
(oder von mehreren) kann doch thatsächlich allein eingetreten sein. Man
hat offenbar in der Verlegenheit — da doch Blitztod in Wirklichkeit
sehr selten eintritt — den alten Vers so abgeändert, dass er allenfalls
auch auf einen, natürlichen Todes Verblichenen angewendet werden konnte.
Freilich ungeschickt genug. Ursprünglich kann — wie noch in 1 — nur
vom Blitztod die Rede gewesen sein, und es muss das ursprüngliche
Original der Verse sich wohl wirklich auf einen so ums Leben Gekommenen
bezogen haben. Dieser galt dann als schon durch die Art seines Todes
geweiht, als ἱερὸς νεκρός (wie der blitzerschlagene Kapaneus bei Eurip.
Suppl. 936 ff. heisst, der darum nicht mit verbrannt, sondern für sich
allein begraben werden soll, während sonst πολλοὶ οὔτε καίουσιν οὔτε
κατορύττουσιν [τοῦς διοβλήτους]: Plut. Symp. 4, 2, 3). S. oben p. 133 Anm.
Nur so verstanden hat die Angabe dieser eigenthümlichen Todesart hier
eine Beziehung: nun wird der also dem Leben Entrückte sicher ϑεὸς
ἀντὶ βροτοῖο werden.
3) κύκλος τῆς γενέσεως, rota fati etc. Lobeck, Agl. 798 ff.
4) ἱμερτοῦ δ̕ἐπέβαν στεφάνου ποσὶ καρπαλίμοισι, Δεσποίνας δ̕ὑπὸ κόλπον
ἔδυν χϑονίας βασιλείας: 1, 6. 7. Der στέφανος soll wohl den heiligen Be-
zirk, den Umkreis des Reiches der Persephone bezeichnen, wie A. Dieterich,
de hymn. Orph. 35 wahrscheinlich vermuthet. — Das ὑπὸ κόλπον ἔδυν
scheint einfach zu bedeuten: ich suche Schutz (als ἱκέτης) an ihrem mütter-
lichen Busen (oder Schoss). An die symbolischen Acte, durch die in
Mysterien die eheliche Verbindung mit der Göttin, auch die Geburt aus
der Göttin ausgedrückt wurde, denkt Dieterich p. 38 wohl ohne Grund.
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[510/0526] dem seligen Geschlecht der unterirdischen Götter zu stammen 1). Blitzstrahl, sagt sie in der einen Fassung der Verse, raubte mir das Leben 2). „Und so entflog ich dem Kreise, dem schmerz- lichen, kummerbeschwerten.“ Hier herrscht rein orphischer Glaube: aus dem „Kreise der Geburten“ 3) ist die Seele nun endlich ausgeschieden: sie tritt, wie sie sagt, „mit hurtigen Füssen in den ersehnten Bezirk“ 4); und schmiegt sich in den 1) καὶ γὰρ ἐγὼν ὑμῶν γένος ὄλβιον εὔχομαι εἶμεν. So in allen drei Fassungen. 2) ἀλλά με μοῖρ̕ ἐδάμασσε καὶ ἀστεροπῆτα κεραυνῶν (so [κεραυνῶν Partic.] die Urform, auf welche die Verschreibungen der drei Exemplare hinführen, hergestellt von O. Hofmann, in Collitz’ Dialektinschr. 1654. ἀστεροβλῆτα 1; das könnte jedenfalls nur sein = ἀστεροποβλῆτα, mag aber nur irrthümlich dem ἀστεροπῆτα [= ἀστεροπητής homerisch] sich unter- geschoben haben). So 1, 4. In Fassung 2 und 3: εἴτε με μοῖρ̕ ἐδάμασσ̕ εἴτ̕ ἀστεροπῆτα κεραυνῶν. Die Wahl zwischen natürlichem Tode, (dies soll, wenn unterschieden von dem Blitztod, μοῖρα jedenfalls heissen) und Tode durch Blitzstrahl hat doch der Verstorbene nicht; eines von beiden (oder von mehreren) kann doch thatsächlich allein eingetreten sein. Man hat offenbar in der Verlegenheit — da doch Blitztod in Wirklichkeit sehr selten eintritt — den alten Vers so abgeändert, dass er allenfalls auch auf einen, natürlichen Todes Verblichenen angewendet werden konnte. Freilich ungeschickt genug. Ursprünglich kann — wie noch in 1 — nur vom Blitztod die Rede gewesen sein, und es muss das ursprüngliche Original der Verse sich wohl wirklich auf einen so ums Leben Gekommenen bezogen haben. Dieser galt dann als schon durch die Art seines Todes geweiht, als ἱερὸς νεκρός (wie der blitzerschlagene Kapaneus bei Eurip. Suppl. 936 ff. heisst, der darum nicht mit verbrannt, sondern für sich allein begraben werden soll, während sonst πολλοὶ οὔτε καίουσιν οὔτε κατορύττουσιν [τοῦς διοβλήτους]: Plut. Symp. 4, 2, 3). S. oben p. 133 Anm. Nur so verstanden hat die Angabe dieser eigenthümlichen Todesart hier eine Beziehung: nun wird der also dem Leben Entrückte sicher ϑεὸς ἀντὶ βροτοῖο werden. 3) κύκλος τῆς γενέσεως, rota fati etc. Lobeck, Agl. 798 ff. 4) ἱμερτοῦ δ̕ἐπέβαν στεφάνου ποσὶ καρπαλίμοισι, Δεσποίνας δ̕ὑπὸ κόλπον ἔδυν χϑονίας βασιλείας: 1, 6. 7. Der στέφανος soll wohl den heiligen Be- zirk, den Umkreis des Reiches der Persephone bezeichnen, wie A. Dieterich, de hymn. Orph. 35 wahrscheinlich vermuthet. — Das ὑπὸ κόλπον ἔδυν scheint einfach zu bedeuten: ich suche Schutz (als ἱκέτης) an ihrem mütter- lichen Busen (oder Schoss). An die symbolischen Acte, durch die in Mysterien die eheliche Verbindung mit der Göttin, auch die Geburt aus der Göttin ausgedrückt wurde, denkt Dieterich p. 38 wohl ohne Grund.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/526>, abgerufen am 22.11.2024.