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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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mit dem materialistischen Pantheismus, der ihnen alle Erschei-
nungen des Lebens, des Seins und Werdens in der Welt er-
klärt. Die Gottheit ist das All und nichts ausserhalb des zur
Welt entfalteten Alls; das Weltall ist die Gottheit. Die Gott-
heit ist so Stoff als Form, Leben und Kraft der Welt. Sie
ist der Urstoff, das ätherische Feuer, der feurige "Hauch",
der sich erhält oder wandelt, in tausend Gestalten zur Welt
sich bildet. Sie ist auch die zwecksetzende und nach Zwecken
wirkende Kraft, die Vernunft und das Gesetz in dieser Welt.
Stoff, Geist und Formprincip zugleich entlässt, in wechselnden
Perioden, die Gottheit aus sich die Mannichfaltigkeit der Er-
scheinungen und nimmt alles Vielfache und Unterschiedene zu
der Einheit ihres feurigen Lebenshauches wieder zurück. So
ist denn in allem Gestalteten, in allem Lebendigen und Beweg-
ten Inhalt und einheitgebende Form der Gott; er ist und wirkt
als "Verhältniss" im Unorganischen, als "Natur" in den Pflan-
zen, als "unvernünftige Seele" in den übrigen Lebewesen, als
vernünftige und denkende Seele in den Menschen 1).

Die vernunftbegabte Menschenseele ist ein abgetrenntes
Stück der Gottheit 2), göttlich wie alles in der Welt, aber in

kos nous des Menschen, thurathen in diesen -- nicht örtlich und ohne Orts-
veränderung [p. 113 18 f] -- eingehend in dem einzelnen Act des noein
durch den nous ulikos, niemals aber ein morion kai dunamis tis tis emete-
ras psukhes: de an. p. 107--109; p. 90 Br.). Er ist khoristos und athanatos,
apathes u. s. w., die menschliche Seele aber, nichts anderes als das eidos
ihres soma, und von diesem akhoristos, vergeht, sammt ihrem nous ulikos,
völlig im Tode, sumphtheiretai to somati. de an. p. 21, 22 f., p. 90, 16 f.
Das seelische Individuum also vergeht; der unvergängliche nous hatte sich gar
nicht an die Individuen vertheilt. -- Wesentliche und ernsthafte Bedeutung
hat für das Ganze der Lehre das rein logisch erschlossene, nicht empfundene
Dogma von der Unvergänglichkeit des individuellen nous des Menschen
(und von einem solchen will doch Aristoteles selbst unzweifelhaft reden)
den Peripatetikern nie gehabt, so lange sie sich auf eigenem Boden er-
hielten. Zuletzt freilich verschlang auch sie der Strudel des Neoplatonismus.
1) exis, phusis, alogos psukhe, psukhe logno ekhousa kai dianoian (Plut.
virt. moral. 451 B. C. u. A. Durch alles dies und als dieses Alles diekei
o nous. Laert. D. 7, 138 f.)
2) Unsere Seele ein apospasma des empsukhos kosmos Laert. 7, 143.

mit dem materialistischen Pantheismus, der ihnen alle Erschei-
nungen des Lebens, des Seins und Werdens in der Welt er-
klärt. Die Gottheit ist das All und nichts ausserhalb des zur
Welt entfalteten Alls; das Weltall ist die Gottheit. Die Gott-
heit ist so Stoff als Form, Leben und Kraft der Welt. Sie
ist der Urstoff, das ätherische Feuer, der feurige „Hauch“,
der sich erhält oder wandelt, in tausend Gestalten zur Welt
sich bildet. Sie ist auch die zwecksetzende und nach Zwecken
wirkende Kraft, die Vernunft und das Gesetz in dieser Welt.
Stoff, Geist und Formprincip zugleich entlässt, in wechselnden
Perioden, die Gottheit aus sich die Mannichfaltigkeit der Er-
scheinungen und nimmt alles Vielfache und Unterschiedene zu
der Einheit ihres feurigen Lebenshauches wieder zurück. So
ist denn in allem Gestalteten, in allem Lebendigen und Beweg-
ten Inhalt und einheitgebende Form der Gott; er ist und wirkt
als „Verhältniss“ im Unorganischen, als „Natur“ in den Pflan-
zen, als „unvernünftige Seele“ in den übrigen Lebewesen, als
vernünftige und denkende Seele in den Menschen 1).

Die vernunftbegabte Menschenseele ist ein abgetrenntes
Stück der Gottheit 2), göttlich wie alles in der Welt, aber in

κὸς νοῦς des Menschen, ϑύραϑεν in diesen — nicht örtlich und ohne Orts-
veränderung [p. 113 18 f] — eingehend in dem einzelnen Act des νοεῖν
durch den νοῦς ὑλικός, niemals aber ein μόριον καὶ δύναμίς τις τις ἡμετέ-
ρας ψυχῆς: de an. p. 107—109; p. 90 Br.). Er ist χωριστός und ἀϑάνατος,
ἀπαϑής u. s. w., die menschliche Seele aber, nichts anderes als das εἶδος
ihres σῶμα, und von diesem ἀχώριστος, vergeht, sammt ihrem νοῦς ὑλικός,
völlig im Tode, συμφϑείρεται τῷ σώματι. de an. p. 21, 22 f., p. 90, 16 f.
Das seelische Individuum also vergeht; der unvergängliche νοῦς hatte sich gar
nicht an die Individuen vertheilt. — Wesentliche und ernsthafte Bedeutung
hat für das Ganze der Lehre das rein logisch erschlossene, nicht empfundene
Dogma von der Unvergänglichkeit des individuellen νοῦς des Menschen
(und von einem solchen will doch Aristoteles selbst unzweifelhaft reden)
den Peripatetikern nie gehabt, so lange sie sich auf eigenem Boden er-
hielten. Zuletzt freilich verschlang auch sie der Strudel des Neoplatonismus.
1) ἕξις, φύσις, ἄλογος ψυχή, ψυχὴ λόγνο ἔχουσα καὶ διάνοιαν (Plut.
virt. moral. 451 B. C. u. A. Durch alles dies und als dieses Alles διήκει
ὁ νοῦς. Laert. D. 7, 138 f.)
2) Unsere Seele ein ἀπόσπασμα des ἔμψυχος κόσμος Laert. 7, 143.
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[602/0618] mit dem materialistischen Pantheismus, der ihnen alle Erschei- nungen des Lebens, des Seins und Werdens in der Welt er- klärt. Die Gottheit ist das All und nichts ausserhalb des zur Welt entfalteten Alls; das Weltall ist die Gottheit. Die Gott- heit ist so Stoff als Form, Leben und Kraft der Welt. Sie ist der Urstoff, das ätherische Feuer, der feurige „Hauch“, der sich erhält oder wandelt, in tausend Gestalten zur Welt sich bildet. Sie ist auch die zwecksetzende und nach Zwecken wirkende Kraft, die Vernunft und das Gesetz in dieser Welt. Stoff, Geist und Formprincip zugleich entlässt, in wechselnden Perioden, die Gottheit aus sich die Mannichfaltigkeit der Er- scheinungen und nimmt alles Vielfache und Unterschiedene zu der Einheit ihres feurigen Lebenshauches wieder zurück. So ist denn in allem Gestalteten, in allem Lebendigen und Beweg- ten Inhalt und einheitgebende Form der Gott; er ist und wirkt als „Verhältniss“ im Unorganischen, als „Natur“ in den Pflan- zen, als „unvernünftige Seele“ in den übrigen Lebewesen, als vernünftige und denkende Seele in den Menschen 1). Die vernunftbegabte Menschenseele ist ein abgetrenntes Stück der Gottheit 2), göttlich wie alles in der Welt, aber in 1) 1) ἕξις, φύσις, ἄλογος ψυχή, ψυχὴ λόγνο ἔχουσα καὶ διάνοιαν (Plut. virt. moral. 451 B. C. u. A. Durch alles dies und als dieses Alles διήκει ὁ νοῦς. Laert. D. 7, 138 f.) 2) Unsere Seele ein ἀπόσπασμα des ἔμψυχος κόσμος Laert. 7, 143. 1) κὸς νοῦς des Menschen, ϑύραϑεν in diesen — nicht örtlich und ohne Orts- veränderung [p. 113 18 f] — eingehend in dem einzelnen Act des νοεῖν durch den νοῦς ὑλικός, niemals aber ein μόριον καὶ δύναμίς τις τις ἡμετέ- ρας ψυχῆς: de an. p. 107—109; p. 90 Br.). Er ist χωριστός und ἀϑάνατος, ἀπαϑής u. s. w., die menschliche Seele aber, nichts anderes als das εἶδος ihres σῶμα, und von diesem ἀχώριστος, vergeht, sammt ihrem νοῦς ὑλικός, völlig im Tode, συμφϑείρεται τῷ σώματι. de an. p. 21, 22 f., p. 90, 16 f. Das seelische Individuum also vergeht; der unvergängliche νοῦς hatte sich gar nicht an die Individuen vertheilt. — Wesentliche und ernsthafte Bedeutung hat für das Ganze der Lehre das rein logisch erschlossene, nicht empfundene Dogma von der Unvergänglichkeit des individuellen νοῦς des Menschen (und von einem solchen will doch Aristoteles selbst unzweifelhaft reden) den Peripatetikern nie gehabt, so lange sie sich auf eigenem Boden er- hielten. Zuletzt freilich verschlang auch sie der Strudel des Neoplatonismus.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/618>, abgerufen am 22.11.2024.