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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Nicht eigener innerer Drang trieb zu diesen Umgestaltungen
der alten Schullehre. Zweifeln und Einwendungen, die gegen
diese Lehre von aussen her, aus fremder Skepsis, erhoben waren,
wurde hier nachgegeben, indem man entweder die Partie ver-
loren gab, oder die Figuren des dialektischen Spiels verschob

Menschen thurathen in diesen eintreten, tractus extrinsecus, wie es bei
Cicero de div. 2, 119 heisst, in offenbarem Anschluss (wie Bonhöffer,
Epiktet 79 bemerkt) an eine mit ausdrücklicher Nennung auf Posidonius
zurückgeführte Ausführung in 1, 64, wo von den immortales animi, deren
die Luft voll sei, geredet wird. Aus ihrem praeexistenten Leben im Luft-
raum tritt die "Seele" in den Menschen. Die Menge der einzelnen
körperlosen Seelen, nicht nur die Eine unpersönliche Seelensubstanz der
Welt, war lebendig schon vor ihrer ensomatosis: der stoische Pantheis-
mus löst sich bedenklich auf in einen Pandämonismus. Dennoch hielt
Posidonius, im Gegensatz zu Panaetius, seinem Lehrer, an der Lehre von
der periodischen Auflösung alles Lebens in die Eine Seele der Welt, in
das Urfeuer fest (vgl. Doxogr. 388 a, 18; b, 19). Darnach kann er das
Leben der bestimmten einzelnen Seelendämonen jeder Weltperiode nicht
wohl anders als vom Beginn eben je ihrer Weltperiode haben beginnen
lassen. Und auch das Fortleben der Seelen nach der Trennung vom
Leibe kann sich ihm nicht über die nächste ekpurosis hinaus erstreckt
haben (ungenau also immortales animi, Cicero de div. 1, 64 nach Posi-
donius). Er wird also, die Leugnung der Fortdauer, wie sie Panaetius
aufgestellt hatte, wieder verwerfend, doch nicht weiter als bis zu der
bedingten Unsterblichkeitslehre der alten Stoa zurückgekehrt sein. Da-
bei könnte er mit Chrysipp und andern Stoikern, eine periodike palig-
genesia (M. Aurel 11, 1) nach dem Weltbrande, in der alles sich wieder-
holen und auch jeder einzelne Mensch der früheren Weltperiode an
gleicher Stelle wieder erstehen werde (Chrys. bei Lact. inst. 7, 23, 3 u. a.
Orphisch-pythagoreisches Phantasma: s. oben p. 416, 2) angenommen haben:
das ergäbe (da das Einzelleben doch abgebrochen und von seiner apoka-
tastasis durch lange Zeiträume geschieden wäre) noch nicht eine athanasia
des Einzelnen. -- Eine Reihe von metensomatoseis der Seele als Lehre des
Posidonius anzusetzen -- mit Heinze, Xenokr. 132 ff. -- ist doch kein
ausreichender Grund: wiewohl an sich eine solche Vorstellung auch bei
Festhalten an der schliesslichen ekpurosis nicht unausdenkbar wäre. Aber
die verdächtigen Berichte mancher doxographoi über stoische Lehre vom
metallismos psukhon speciell auf Posidonius zu beziehen, giebt uns die
Wiederkehr solcher Anschauung bei Plutarch noch kein Recht, der wohl
hier und da dem Posidonius sich anschliesst, niemals aber auf Einmischung
platonischer oder selbsterdachter Phantasien verzichtet, so dass den ein-
zelnen Zügen seiner buntgemischten Bilder einen bestimmten Ursprung
nachsagen zu wollen, bedenklich bleibt.

Nicht eigener innerer Drang trieb zu diesen Umgestaltungen
der alten Schullehre. Zweifeln und Einwendungen, die gegen
diese Lehre von aussen her, aus fremder Skepsis, erhoben waren,
wurde hier nachgegeben, indem man entweder die Partie ver-
loren gab, oder die Figuren des dialektischen Spiels verschob

Menschen ϑύραϑεν in diesen eintreten, tractus extrinsecus, wie es bei
Cicero de div. 2, 119 heisst, in offenbarem Anschluss (wie Bonhöffer,
Epiktet 79 bemerkt) an eine mit ausdrücklicher Nennung auf Posidonius
zurückgeführte Ausführung in 1, 64, wo von den immortales animi, deren
die Luft voll sei, geredet wird. Aus ihrem praeexistenten Leben im Luft-
raum tritt die „Seele“ in den Menschen. Die Menge der einzelnen
körperlosen Seelen, nicht nur die Eine unpersönliche Seelensubstanz der
Welt, war lebendig schon vor ihrer ἐνσωμάτωσις: der stoische Pantheis-
mus löst sich bedenklich auf in einen Pandämonismus. Dennoch hielt
Posidonius, im Gegensatz zu Panaetius, seinem Lehrer, an der Lehre von
der periodischen Auflösung alles Lebens in die Eine Seele der Welt, in
das Urfeuer fest (vgl. Doxogr. 388 a, 18; b, 19). Darnach kann er das
Leben der bestimmten einzelnen Seelendämonen jeder Weltperiode nicht
wohl anders als vom Beginn eben je ihrer Weltperiode haben beginnen
lassen. Und auch das Fortleben der Seelen nach der Trennung vom
Leibe kann sich ihm nicht über die nächste ἐκπύρωσις hinaus erstreckt
haben (ungenau also immortales animi, Cicero de div. 1, 64 nach Posi-
donius). Er wird also, die Leugnung der Fortdauer, wie sie Panaetius
aufgestellt hatte, wieder verwerfend, doch nicht weiter als bis zu der
bedingten Unsterblichkeitslehre der alten Stoa zurückgekehrt sein. Da-
bei könnte er mit Chrysipp und andern Stoikern, eine περιοδικὴ παλιγ-
γενεσία (M. Aurel 11, 1) nach dem Weltbrande, in der alles sich wieder-
holen und auch jeder einzelne Mensch der früheren Weltperiode an
gleicher Stelle wieder erstehen werde (Chrys. bei Lact. inst. 7, 23, 3 u. a.
Orphisch-pythagoreisches Phantasma: s. oben p. 416, 2) angenommen haben:
das ergäbe (da das Einzelleben doch abgebrochen und von seiner ἀποκα-
τάστασις durch lange Zeiträume geschieden wäre) noch nicht eine ἀϑανασία
des Einzelnen. — Eine Reihe von μετενσωματώσεις der Seele als Lehre des
Posidonius anzusetzen — mit Heinze, Xenokr. 132 ff. — ist doch kein
ausreichender Grund: wiewohl an sich eine solche Vorstellung auch bei
Festhalten an der schliesslichen ἐκπύρωσις nicht unausdenkbar wäre. Aber
die verdächtigen Berichte mancher δοξογράφοι über stoische Lehre vom
μεταλλισμὸς ψυχῶν speciell auf Posidonius zu beziehen, giebt uns die
Wiederkehr solcher Anschauung bei Plutarch noch kein Recht, der wohl
hier und da dem Posidonius sich anschliesst, niemals aber auf Einmischung
platonischer oder selbsterdachter Phantasien verzichtet, so dass den ein-
zelnen Zügen seiner buntgemischten Bilder einen bestimmten Ursprung
nachsagen zu wollen, bedenklich bleibt.
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[615/0631] Nicht eigener innerer Drang trieb zu diesen Umgestaltungen der alten Schullehre. Zweifeln und Einwendungen, die gegen diese Lehre von aussen her, aus fremder Skepsis, erhoben waren, wurde hier nachgegeben, indem man entweder die Partie ver- loren gab, oder die Figuren des dialektischen Spiels verschob 1) 1) Menschen ϑύραϑεν in diesen eintreten, tractus extrinsecus, wie es bei Cicero de div. 2, 119 heisst, in offenbarem Anschluss (wie Bonhöffer, Epiktet 79 bemerkt) an eine mit ausdrücklicher Nennung auf Posidonius zurückgeführte Ausführung in 1, 64, wo von den immortales animi, deren die Luft voll sei, geredet wird. Aus ihrem praeexistenten Leben im Luft- raum tritt die „Seele“ in den Menschen. Die Menge der einzelnen körperlosen Seelen, nicht nur die Eine unpersönliche Seelensubstanz der Welt, war lebendig schon vor ihrer ἐνσωμάτωσις: der stoische Pantheis- mus löst sich bedenklich auf in einen Pandämonismus. Dennoch hielt Posidonius, im Gegensatz zu Panaetius, seinem Lehrer, an der Lehre von der periodischen Auflösung alles Lebens in die Eine Seele der Welt, in das Urfeuer fest (vgl. Doxogr. 388 a, 18; b, 19). Darnach kann er das Leben der bestimmten einzelnen Seelendämonen jeder Weltperiode nicht wohl anders als vom Beginn eben je ihrer Weltperiode haben beginnen lassen. Und auch das Fortleben der Seelen nach der Trennung vom Leibe kann sich ihm nicht über die nächste ἐκπύρωσις hinaus erstreckt haben (ungenau also immortales animi, Cicero de div. 1, 64 nach Posi- donius). Er wird also, die Leugnung der Fortdauer, wie sie Panaetius aufgestellt hatte, wieder verwerfend, doch nicht weiter als bis zu der bedingten Unsterblichkeitslehre der alten Stoa zurückgekehrt sein. Da- bei könnte er mit Chrysipp und andern Stoikern, eine περιοδικὴ παλιγ- γενεσία (M. Aurel 11, 1) nach dem Weltbrande, in der alles sich wieder- holen und auch jeder einzelne Mensch der früheren Weltperiode an gleicher Stelle wieder erstehen werde (Chrys. bei Lact. inst. 7, 23, 3 u. a. Orphisch-pythagoreisches Phantasma: s. oben p. 416, 2) angenommen haben: das ergäbe (da das Einzelleben doch abgebrochen und von seiner ἀποκα- τάστασις durch lange Zeiträume geschieden wäre) noch nicht eine ἀϑανασία des Einzelnen. — Eine Reihe von μετενσωματώσεις der Seele als Lehre des Posidonius anzusetzen — mit Heinze, Xenokr. 132 ff. — ist doch kein ausreichender Grund: wiewohl an sich eine solche Vorstellung auch bei Festhalten an der schliesslichen ἐκπύρωσις nicht unausdenkbar wäre. Aber die verdächtigen Berichte mancher δοξογράφοι über stoische Lehre vom μεταλλισμὸς ψυχῶν speciell auf Posidonius zu beziehen, giebt uns die Wiederkehr solcher Anschauung bei Plutarch noch kein Recht, der wohl hier und da dem Posidonius sich anschliesst, niemals aber auf Einmischung platonischer oder selbsterdachter Phantasien verzichtet, so dass den ein- zelnen Zügen seiner buntgemischten Bilder einen bestimmten Ursprung nachsagen zu wollen, bedenklich bleibt.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/631>, abgerufen am 22.11.2024.