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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.
die Feder nicht eben so gut seyn solte, als der Degen
nnd die Mousquete. Denen Printzen, Grafen,
und Edelleuten, und wenn es auch die Söhne der
grösten Ministres seyn solten, wird es vor eine Ehre
geachtet, wenn sie im Kriege von unten auf, und
von der Mousquete an avanciren, und hingegen
bey der Feder in Collegiis, wollen sie gleich Ober-
sten und Capitains, das ist, grosse Räthe, werden,
da doch mancher nicht capable ist, einen Copisten
abzugeben; hätte einer oder der andere von unten
auf gedienet, so könte er mit bestem Grunde die Sub-
altern
en corrigiren, und dürffte nicht von ihnen
lernen. Die Geringern folgen in den andern
Stücken so gerne den Sentimens der großen Her-
ren, und nehmen dieselben zu ihrer Richtschnur an,
und gleichwohl wollen sich viele vom Adel hierinnen
nicht nach ihnen conformiren. Käyser, Könige,
Chur-Fürsten, Fürsten machen hiebey nicht den
Unterscheid, den solche Leute zu machen pflegen, sie
belohnen öffters die Tugend und Verdienste ohne
Unterscheid des Standes, sie betrachten die gerin-
gern bürgerlichen Aemter, welche die von civilen
Stande mit Ehren begleidet, als Stuffen, die sie
auf die höchsten Stuffen der grösten adelichen
Chargen erheben. Viel bürgerliche Verrichtun-
gen legen den Grund-Stein zu Adelichen, Bürger-
lichen u. Gräflichen Dignitaeten. Wenn manche
doch in diesem Stück auf die sonst von ihnen so hoch-
geschätzte Ahnen, ein wenig zurücke sehen wolten!
Vor ein paar hundert Jahren schätzten sichs unsere

Ober-

Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
die Feder nicht eben ſo gut ſeyn ſolte, als der Degen
nnd die Mouſquete. Denen Printzen, Grafen,
und Edelleuten, und wenn es auch die Soͤhne der
groͤſten Miniſtres ſeyn ſolten, wird es vor eine Ehre
geachtet, wenn ſie im Kriege von unten auf, und
von der Mouſquete an avanciren, und hingegen
bey der Feder in Collegiis, wollen ſie gleich Ober-
ſten und Capitains, das iſt, groſſe Raͤthe, werden,
da doch mancher nicht capable iſt, einen Copiſten
abzugeben; haͤtte einer oder der andere von unten
auf gedienet, ſo koͤnte er mit beſtem Grunde die Sub-
altern
en corrigiren, und duͤrffte nicht von ihnen
lernen. Die Geringern folgen in den andern
Stuͤcken ſo gerne den Sentimens der großen Her-
ren, und nehmen dieſelben zu ihrer Richtſchnur an,
und gleichwohl wollen ſich viele vom Adel hierinnen
nicht nach ihnen conformiren. Kaͤyſer, Koͤnige,
Chur-Fuͤrſten, Fuͤrſten machen hiebey nicht den
Unterſcheid, den ſolche Leute zu machen pflegen, ſie
belohnen oͤffters die Tugend und Verdienſte ohne
Unterſcheid des Standes, ſie betrachten die gerin-
gern buͤrgerlichen Aemter, welche die von civilen
Stande mit Ehren begleidet, als Stuffen, die ſie
auf die hoͤchſten Stuffen der groͤſten adelichen
Chargen erheben. Viel buͤrgerliche Verrichtun-
gen legen den Grund-Stein zu Adelichen, Buͤrger-
lichen u. Graͤflichen Dignitæten. Wenn manche
doch in dieſem Stuͤck auf die ſonſt von ihnen ſo hoch-
geſchaͤtzte Ahnen, ein wenig zuruͤcke ſehen wolten!
Vor ein paar hundert Jahren ſchaͤtzten ſichs unſere

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[95/0115] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. die Feder nicht eben ſo gut ſeyn ſolte, als der Degen nnd die Mouſquete. Denen Printzen, Grafen, und Edelleuten, und wenn es auch die Soͤhne der groͤſten Miniſtres ſeyn ſolten, wird es vor eine Ehre geachtet, wenn ſie im Kriege von unten auf, und von der Mouſquete an avanciren, und hingegen bey der Feder in Collegiis, wollen ſie gleich Ober- ſten und Capitains, das iſt, groſſe Raͤthe, werden, da doch mancher nicht capable iſt, einen Copiſten abzugeben; haͤtte einer oder der andere von unten auf gedienet, ſo koͤnte er mit beſtem Grunde die Sub- alternen corrigiren, und duͤrffte nicht von ihnen lernen. Die Geringern folgen in den andern Stuͤcken ſo gerne den Sentimens der großen Her- ren, und nehmen dieſelben zu ihrer Richtſchnur an, und gleichwohl wollen ſich viele vom Adel hierinnen nicht nach ihnen conformiren. Kaͤyſer, Koͤnige, Chur-Fuͤrſten, Fuͤrſten machen hiebey nicht den Unterſcheid, den ſolche Leute zu machen pflegen, ſie belohnen oͤffters die Tugend und Verdienſte ohne Unterſcheid des Standes, ſie betrachten die gerin- gern buͤrgerlichen Aemter, welche die von civilen Stande mit Ehren begleidet, als Stuffen, die ſie auf die hoͤchſten Stuffen der groͤſten adelichen Chargen erheben. Viel buͤrgerliche Verrichtun- gen legen den Grund-Stein zu Adelichen, Buͤrger- lichen u. Graͤflichen Dignitæten. Wenn manche doch in dieſem Stuͤck auf die ſonſt von ihnen ſo hoch- geſchaͤtzte Ahnen, ein wenig zuruͤcke ſehen wolten! Vor ein paar hundert Jahren ſchaͤtzten ſichs unſere Ober-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/115>, abgerufen am 21.11.2024.