Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.I. Theil. IV. Capitul. aber muß man bey dieser Freygebigkeit schon behut-samer seyn. Befindet man sich aber selbst an frem- den Orten, muß man allezeit den untersten Platz er- wehlen, denn sonst würde man vor sehr grob und einfältig angesehen seyn. Es werden sich schon Leute finden, die zu uns sagen werden, Freund rücke hinauf, und so werden wir denn mehr Ehre haben, als wenn wir selbst eine höhere Stelle eingenom- men hätten. Befindet man sich in Gesellschafften, wo noch Höhere vermuthet werden, so muß man niemahls die Ober-Stelle einnehmen, und ob man schon einer von den ersten mit wäre, sondern vor dem, der noch erwartet wird, und von höhern Stan- de und Character ist, einen Platz lassen. Es ist zwar die Schuldigkeit eines Wirths, daß er Sorge trage, und seinen Gästen von dem Vornehmern, der noch erwartet wird, Nachricht ertheile, und den Platz vor ihn aufhebe. Weil aber einige Wirthe darinnen unwissend oder nachläßig sind, so kan es nicht schaden, wenn man sich bißweilen bey einer und andern Gelegenheit, wo es mit guter Manier geschehen kan, selbst hiernach erkundiget. Es wird dem Höhern besser gefallen, wenn sein Platz bey Zeiten vor ihm aufgehoben wird, und unbesetzt bleibt, als wenn hernach, da ein jedes von seinem vo- rigen Stuhl rücken muß, eine Confusion wird; Es ist auch vor dem, der an der höchsten Stelle ge- sessen, keine große Ehre, wenn er wieder herunter rücken muß. §. 10. Ein junger Cavalier hat an den Höfen oder
I. Theil. IV. Capitul. aber muß man bey dieſer Freygebigkeit ſchon behut-ſamer ſeyn. Befindet man ſich aber ſelbſt an frem- den Orten, muß man allezeit den unterſten Platz er- wehlen, denn ſonſt wuͤrde man vor ſehr grob und einfaͤltig angeſehen ſeyn. Es werden ſich ſchon Leute finden, die zu uns ſagen werden, Freund ruͤcke hinauf, und ſo werden wir denn mehr Ehre haben, als wenn wir ſelbſt eine hoͤhere Stelle eingenom- men haͤtten. Befindet man ſich in Geſellſchafften, wo noch Hoͤhere vermuthet werden, ſo muß man niemahls die Ober-Stelle einnehmen, und ob man ſchon einer von den erſten mit waͤre, ſondern vor dem, der noch erwartet wird, und von hoͤhern Stan- de und Character iſt, einen Platz laſſen. Es iſt zwar die Schuldigkeit eines Wirths, daß er Sorge trage, und ſeinen Gaͤſten von dem Vornehmern, der noch erwartet wird, Nachricht ertheile, und den Platz vor ihn aufhebe. Weil aber einige Wirthe darinnen unwiſſend oder nachlaͤßig ſind, ſo kan es nicht ſchaden, wenn man ſich bißweilen bey einer und andern Gelegenheit, wo es mit guter Manier geſchehen kan, ſelbſt hiernach erkundiget. Es wird dem Hoͤhern beſſer gefallen, wenn ſein Platz bey Zeiten vor ihm aufgehoben wird, und unbeſetzt bleibt, als wenn hernach, da ein jedes von ſeinem vo- rigen Stuhl ruͤcken muß, eine Confuſion wird; Es iſt auch vor dem, der an der hoͤchſten Stelle ge- ſeſſen, keine große Ehre, wenn er wieder herunter ruͤcken muß. §. 10. Ein junger Cavalier hat an den Hoͤfen oder
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="112"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/> aber muß man bey dieſer Freygebigkeit ſchon behut-<lb/> ſamer ſeyn. Befindet man ſich aber ſelbſt an frem-<lb/> den Orten, muß man allezeit den unterſten Platz er-<lb/> wehlen, denn ſonſt wuͤrde man vor ſehr grob und<lb/> einfaͤltig angeſehen ſeyn. Es werden ſich ſchon<lb/> Leute finden, die zu uns ſagen werden, Freund ruͤcke<lb/> hinauf, und ſo werden wir denn mehr Ehre haben,<lb/> als wenn wir ſelbſt eine hoͤhere Stelle eingenom-<lb/> men haͤtten. Befindet man ſich in Geſellſchafften,<lb/> wo noch Hoͤhere vermuthet werden, ſo muß man<lb/> niemahls die Ober-Stelle einnehmen, und ob man<lb/> ſchon einer von den erſten mit waͤre, ſondern vor<lb/> dem, der noch erwartet wird, und von hoͤhern Stan-<lb/> de und <hi rendition="#aq">Character</hi> iſt, einen Platz laſſen. Es iſt<lb/> zwar die Schuldigkeit eines Wirths, daß er Sorge<lb/> trage, und ſeinen Gaͤſten von dem Vornehmern, der<lb/> noch erwartet wird, Nachricht ertheile, und den<lb/> Platz vor ihn aufhebe. Weil aber einige Wirthe<lb/> darinnen unwiſſend oder nachlaͤßig ſind, ſo kan es<lb/> nicht ſchaden, wenn man ſich bißweilen bey einer<lb/> und andern Gelegenheit, wo es mit guter <hi rendition="#aq">Manier</hi><lb/> geſchehen kan, ſelbſt hiernach erkundiget. Es wird<lb/> dem Hoͤhern beſſer gefallen, wenn ſein Platz bey<lb/> Zeiten vor ihm aufgehoben wird, und unbeſetzt<lb/> bleibt, als wenn hernach, da ein jedes von ſeinem vo-<lb/> rigen Stuhl ruͤcken muß, eine <hi rendition="#aq">Confuſion</hi> wird;<lb/> Es iſt auch vor dem, der an der hoͤchſten Stelle ge-<lb/> ſeſſen, keine große Ehre, wenn er wieder herunter<lb/> ruͤcken muß.</p><lb/> <p>§. 10. Ein junger <hi rendition="#aq">Cavalier</hi> hat an den Hoͤfen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0132]
I. Theil. IV. Capitul.
aber muß man bey dieſer Freygebigkeit ſchon behut-
ſamer ſeyn. Befindet man ſich aber ſelbſt an frem-
den Orten, muß man allezeit den unterſten Platz er-
wehlen, denn ſonſt wuͤrde man vor ſehr grob und
einfaͤltig angeſehen ſeyn. Es werden ſich ſchon
Leute finden, die zu uns ſagen werden, Freund ruͤcke
hinauf, und ſo werden wir denn mehr Ehre haben,
als wenn wir ſelbſt eine hoͤhere Stelle eingenom-
men haͤtten. Befindet man ſich in Geſellſchafften,
wo noch Hoͤhere vermuthet werden, ſo muß man
niemahls die Ober-Stelle einnehmen, und ob man
ſchon einer von den erſten mit waͤre, ſondern vor
dem, der noch erwartet wird, und von hoͤhern Stan-
de und Character iſt, einen Platz laſſen. Es iſt
zwar die Schuldigkeit eines Wirths, daß er Sorge
trage, und ſeinen Gaͤſten von dem Vornehmern, der
noch erwartet wird, Nachricht ertheile, und den
Platz vor ihn aufhebe. Weil aber einige Wirthe
darinnen unwiſſend oder nachlaͤßig ſind, ſo kan es
nicht ſchaden, wenn man ſich bißweilen bey einer
und andern Gelegenheit, wo es mit guter Manier
geſchehen kan, ſelbſt hiernach erkundiget. Es wird
dem Hoͤhern beſſer gefallen, wenn ſein Platz bey
Zeiten vor ihm aufgehoben wird, und unbeſetzt
bleibt, als wenn hernach, da ein jedes von ſeinem vo-
rigen Stuhl ruͤcken muß, eine Confuſion wird;
Es iſt auch vor dem, der an der hoͤchſten Stelle ge-
ſeſſen, keine große Ehre, wenn er wieder herunter
ruͤcken muß.
§. 10. Ein junger Cavalier hat an den Hoͤfen
oder
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |