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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vow Range.
Schimpff und ihm zur Verantwortung gereichen
würde, wenn er seinem Bruder, der doch nur ein
Gräflicher Gärtner, und als ein Fremder über ihn
gehen wolte, bey dem Hinzutreten zum Heiligen
Altar die Vorhand und Ober-Stelle lassen solte?
Doch der Superintent halff ihm bald aus seinen
Gewissens-Scrupel, und verwieß ihm seine Thor-
heit.

§. 15. Ein vernünfftiger Mensch giebt zwar bey
dem Range und der Oberstelle überhaupt nach, so
viel sichs thun und verantworten lassen will, er er-
kennet aber über dieses, daß gewisse Personen und
Handlungen die in diesem Stück als privilegirte
anzusehen, insonderheit erfordern, daß man bey den-
selben nicht so scharff und rigoreus verfahre, son-
dern, so viel als möglich, weiche und nachgebe.
Hieher gehören alle diejenigen, denen man, aus ge-
wissen Betrachtungen, eine besondere Hochachtung
und Ehrerbietung schuldig. (I.) Denen Prie-
stern, ich verstehe aber hierunter solche, die nicht nur
Geistliche heissen sondern auch bey ihrem exempla-
ri
schen Lebens-Wandel sich als Geistlich-gesinnete
aufführen, und Vorbilder ihrer Heerde abgeben;
denn verhurte, oder versoffene, oder aufgeblasene,
und sonst Welt-gesinnete und lasterhaffte Pfaffen,
sind keiner Ehre würdig. Sind es diejenigen, die
wir aus besondern Vertrauen zu unsern Beicht-
Vätern erwehlet, so sind wir ihnen noch mehr Re-
spect
schuldig. Mit denen, die der grosse GOtt
seinen Augapffel zu nennen pflegt, muß man es nicht

so
H 3

Vow Range.
Schimpff und ihm zur Verantwortung gereichen
wuͤrde, wenn er ſeinem Bruder, der doch nur ein
Graͤflicher Gaͤrtner, und als ein Fremder uͤber ihn
gehen wolte, bey dem Hinzutreten zum Heiligen
Altar die Vorhand und Ober-Stelle laſſen ſolte?
Doch der Superintent halff ihm bald aus ſeinen
Gewiſſens-Scrupel, und verwieß ihm ſeine Thor-
heit.

§. 15. Ein vernuͤnfftiger Menſch giebt zwar bey
dem Range und der Oberſtelle uͤberhaupt nach, ſo
viel ſichs thun und verantworten laſſen will, er er-
kennet aber uͤber dieſes, daß gewiſſe Perſonen und
Handlungen die in dieſem Stuͤck als privilegirte
anzuſehen, inſonderheit erfordern, daß man bey den-
ſelben nicht ſo ſcharff und rigoreus verfahre, ſon-
dern, ſo viel als moͤglich, weiche und nachgebe.
Hieher gehoͤren alle diejenigen, denen man, aus ge-
wiſſen Betrachtungen, eine beſondere Hochachtung
und Ehrerbietung ſchuldig. (I.) Denen Prie-
ſtern, ich verſtehe aber hierunter ſolche, die nicht nur
Geiſtliche heiſſen ſondern auch bey ihrem exempla-
ri
ſchen Lebens-Wandel ſich als Geiſtlich-geſinnete
auffuͤhren, und Vorbilder ihrer Heerde abgeben;
denn verhurte, oder verſoffene, oder aufgeblaſene,
und ſonſt Welt-geſinnete und laſterhaffte Pfaffen,
ſind keiner Ehre wuͤrdig. Sind es diejenigen, die
wir aus beſondern Vertrauen zu unſern Beicht-
Vaͤtern erwehlet, ſo ſind wir ihnen noch mehr Re-
ſpect
ſchuldig. Mit denen, die der groſſe GOtt
ſeinen Augapffel zu nennen pflegt, muß man es nicht

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[117/0137] Vow Range. Schimpff und ihm zur Verantwortung gereichen wuͤrde, wenn er ſeinem Bruder, der doch nur ein Graͤflicher Gaͤrtner, und als ein Fremder uͤber ihn gehen wolte, bey dem Hinzutreten zum Heiligen Altar die Vorhand und Ober-Stelle laſſen ſolte? Doch der Superintent halff ihm bald aus ſeinen Gewiſſens-Scrupel, und verwieß ihm ſeine Thor- heit. §. 15. Ein vernuͤnfftiger Menſch giebt zwar bey dem Range und der Oberſtelle uͤberhaupt nach, ſo viel ſichs thun und verantworten laſſen will, er er- kennet aber uͤber dieſes, daß gewiſſe Perſonen und Handlungen die in dieſem Stuͤck als privilegirte anzuſehen, inſonderheit erfordern, daß man bey den- ſelben nicht ſo ſcharff und rigoreus verfahre, ſon- dern, ſo viel als moͤglich, weiche und nachgebe. Hieher gehoͤren alle diejenigen, denen man, aus ge- wiſſen Betrachtungen, eine beſondere Hochachtung und Ehrerbietung ſchuldig. (I.) Denen Prie- ſtern, ich verſtehe aber hierunter ſolche, die nicht nur Geiſtliche heiſſen ſondern auch bey ihrem exempla- riſchen Lebens-Wandel ſich als Geiſtlich-geſinnete auffuͤhren, und Vorbilder ihrer Heerde abgeben; denn verhurte, oder verſoffene, oder aufgeblaſene, und ſonſt Welt-geſinnete und laſterhaffte Pfaffen, ſind keiner Ehre wuͤrdig. Sind es diejenigen, die wir aus beſondern Vertrauen zu unſern Beicht- Vaͤtern erwehlet, ſo ſind wir ihnen noch mehr Re- ſpect ſchuldig. Mit denen, die der groſſe GOtt ſeinen Augapffel zu nennen pflegt, muß man es nicht ſo H 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/137>, abgerufen am 21.11.2024.