Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.Vorrede. sie dasjenige/ was ihnen zu beobachtennöthig/ geschwinde vor sich selbst finden und beurtheilen lernen/ und zum andern denen die von so schwachem Verstande/ und so einfältigen Naturell, daß sie/ aller Einleitung ungeachtet/ nicht die Ge- schicklichkeit haben/ die von andern ihnen vorgetragenen Regeln zu appliciren. Jene brauchen keine Regeln/ denn sie wissen sie schon selbst/ diesen helffen kei- ne Regeln/ wenn sie auch alle Ceremo- nien-Bücher durchstudirten/ und aus- wendig lernten/ so bleiben sie nach wie vor plump und ungeschickt. Jedoch ist auch gewiß/ daß die wenigsten jungen Leute diesen beyden Gattungen beyzu- zehlen. Die meisten haben eine mittel- mäßige Auferziehung genossen/ und sind von solchem Verstande/ daß sie zwar ohne Anleitung in dem Umgang mit der grossen Welt/ wider die Regeln des Wohlstandes manchen Fehler begehen/ hingegen aber die Regeln/ die ihnen von andern gelehrt werden/ gar wohl zu ap- pliciren lernen/ und sich bey einem schrifft- lichen oder mündlichen Unterricht bald zu
Vorrede. ſie dasjenige/ was ihnen zu beobachtennoͤthig/ geſchwinde vor ſich ſelbſt finden und beurtheilen lernen/ und zum andern denen die von ſo ſchwachem Verſtande/ und ſo einfaͤltigen Naturell, daß ſie/ aller Einleitung ungeachtet/ nicht die Ge- ſchicklichkeit haben/ die von andern ihnen vorgetragenen Regeln zu appliciren. Jene brauchen keine Regeln/ denn ſie wiſſen ſie ſchon ſelbſt/ dieſen helffen kei- ne Regeln/ wenn ſie auch alle Ceremo- nien-Buͤcher durchſtudirten/ und aus- wendig lernten/ ſo bleiben ſie nach wie vor plump und ungeſchickt. Jedoch iſt auch gewiß/ daß die wenigſten jungen Leute dieſen beyden Gattungen beyzu- zehlen. Die meiſten haben eine mittel- maͤßige Auferziehung genoſſen/ und ſind von ſolchem Verſtande/ daß ſie zwar ohne Anleitung in dem Umgang mit der groſſen Welt/ wider die Regeln des Wohlſtandes manchen Fehler begehen/ hingegen aber die Regeln/ die ihnen von andern gelehrt werden/ gar wohl zu ap- pliciren lernen/ und ſich bey einem ſchrifft- lichen oder muͤndlichen Unterricht bald zu
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Vorrede.
ſie dasjenige/ was ihnen zu beobachten
noͤthig/ geſchwinde vor ſich ſelbſt finden
und beurtheilen lernen/ und zum andern
denen die von ſo ſchwachem Verſtande/
und ſo einfaͤltigen Naturell, daß ſie/ aller
Einleitung ungeachtet/ nicht die Ge-
ſchicklichkeit haben/ die von andern ihnen
vorgetragenen Regeln zu appliciren.
Jene brauchen keine Regeln/ denn ſie
wiſſen ſie ſchon ſelbſt/ dieſen helffen kei-
ne Regeln/ wenn ſie auch alle Ceremo-
nien-Buͤcher durchſtudirten/ und aus-
wendig lernten/ ſo bleiben ſie nach wie
vor plump und ungeſchickt. Jedoch iſt
auch gewiß/ daß die wenigſten jungen
Leute dieſen beyden Gattungen beyzu-
zehlen. Die meiſten haben eine mittel-
maͤßige Auferziehung genoſſen/ und ſind
von ſolchem Verſtande/ daß ſie zwar
ohne Anleitung in dem Umgang mit der
groſſen Welt/ wider die Regeln des
Wohlſtandes manchen Fehler begehen/
hingegen aber die Regeln/ die ihnen von
andern gelehrt werden/ gar wohl zu ap-
pliciren lernen/ und ſich bey einem ſchrifft-
lichen oder muͤndlichen Unterricht bald
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