einen gantzen Sack voll Complimente ausschüttet, ist bey andern Fällen doch wohl unhöflich und ehr- geitzig.
§. 12. So muß man auch mit einigen Leuten, die entweder in Ansehung ihrer schlechten Auferzie- hung, die sie gehabt, oder der Gesellschafften, un- ter denen sie sich bißher befunden, keine Anleitung bekommen, wie ein förmlich Compliment einzu- richten, Gedult haben, und ihrer nicht spotten, son- dern vielmehr gedencken, daß die andern, wenn sie sich in unfern Umständen besinden, und den Unter- richt bekommen hätten, als wir, uns an Politesse gleichen, oder noch wohl gar übertreffen würden. Sie können deswegen doch wohl ihre besondern Verdienste haben. Manch tugendhafft Mädgen wird in grosse Confusion gesetzt, wenn sie auf ein Compliment ein Gegen-Compliment machen soll, und hingegen sind viele von denen, die sich hierbey treflich unter die Leute zu schicken wissen, und denen die Zunge ziemlich gelöst ist, die ärgsten Coquetten.
§. 13. Ein vernünfftiger Mensch wird auch in diesem Stück feine Leute, die er vor sich hat, beur- theilen und kennen lernen, und diejenigen, von denen er entweder vorher vermuthend ist, daß sie sich mit den Complimens nicht allzusehr behelffen können, oder bey denen er es in der Anrede selbst verspührt, nicht damit beunruhigen, sondern sich um ihnen ge- fällig zu werden, nach ihrer Schwäche zu richten wissen.
§. 14.
K 4
Von Complimens.
einen gantzen Sack voll Complimente ausſchuͤttet, iſt bey andern Faͤllen doch wohl unhoͤflich und ehr- geitzig.
§. 12. So muß man auch mit einigen Leuten, die entweder in Anſehung ihrer ſchlechten Auferzie- hung, die ſie gehabt, oder der Geſellſchafften, un- ter denen ſie ſich bißher befunden, keine Anleitung bekommen, wie ein foͤrmlich Compliment einzu- richten, Gedult haben, und ihrer nicht ſpotten, ſon- dern vielmehr gedencken, daß die andern, wenn ſie ſich in unfern Umſtaͤnden beſinden, und den Unter- richt bekommen haͤtten, als wir, uns an Politeſſe gleichen, oder noch wohl gar uͤbertreffen wuͤrden. Sie koͤnnen deswegen doch wohl ihre beſondern Verdienſte haben. Manch tugendhafft Maͤdgen wird in groſſe Confuſion geſetzt, wenn ſie auf ein Compliment ein Gegen-Compliment machen ſoll, und hingegen ſind viele von denen, die ſich hierbey treflich unter die Leute zu ſchicken wiſſen, und denen die Zunge ziemlich geloͤſt iſt, die aͤrgſten Coquetten.
§. 13. Ein vernuͤnfftiger Menſch wird auch in dieſem Stuͤck feine Leute, die er vor ſich hat, beur- theilen und kennen lernen, und diejenigen, von denen er entweder vorher vermuthend iſt, daß ſie ſich mit den Complimens nicht allzuſehr behelffen koͤnnen, oder bey denen er es in der Anrede ſelbſt verſpuͤhrt, nicht damit beunruhigen, ſondern ſich um ihnen ge- faͤllig zu werden, nach ihrer Schwaͤche zu richten wiſſen.
§. 14.
K 4
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Von Complimens.
einen gantzen Sack voll Complimente ausſchuͤttet,
iſt bey andern Faͤllen doch wohl unhoͤflich und ehr-
geitzig.
§. 12. So muß man auch mit einigen Leuten,
die entweder in Anſehung ihrer ſchlechten Auferzie-
hung, die ſie gehabt, oder der Geſellſchafften, un-
ter denen ſie ſich bißher befunden, keine Anleitung
bekommen, wie ein foͤrmlich Compliment einzu-
richten, Gedult haben, und ihrer nicht ſpotten, ſon-
dern vielmehr gedencken, daß die andern, wenn ſie
ſich in unfern Umſtaͤnden beſinden, und den Unter-
richt bekommen haͤtten, als wir, uns an Politeſſe
gleichen, oder noch wohl gar uͤbertreffen wuͤrden.
Sie koͤnnen deswegen doch wohl ihre beſondern
Verdienſte haben. Manch tugendhafft Maͤdgen
wird in groſſe Confuſion geſetzt, wenn ſie auf ein
Compliment ein Gegen-Compliment machen
ſoll, und hingegen ſind viele von denen, die ſich
hierbey treflich unter die Leute zu ſchicken wiſſen,
und denen die Zunge ziemlich geloͤſt iſt, die aͤrgſten
Coquetten.
§. 13. Ein vernuͤnfftiger Menſch wird auch in
dieſem Stuͤck feine Leute, die er vor ſich hat, beur-
theilen und kennen lernen, und diejenigen, von denen
er entweder vorher vermuthend iſt, daß ſie ſich mit
den Complimens nicht allzuſehr behelffen koͤnnen,
oder bey denen er es in der Anrede ſelbſt verſpuͤhrt,
nicht damit beunruhigen, ſondern ſich um ihnen ge-
faͤllig zu werden, nach ihrer Schwaͤche zu richten
wiſſen.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/171>, abgerufen am 24.11.2024.
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