valier an andern Höfen weit mehr Ehre zu gewar- ten, der sich an einem großen Hofe eine Zeitlang arritirt gehabt, und daselbst wohl aufgenommen gewesen.
§. 3. Was vor Höfe, und wie viel deren ein junger Cavalier besehen soll, kan man überhaupt nicht sagen, sondern diese Regel muß er vor sich selbst finden, wenn er seinen Haupt-Entzweck, die künfftige Lebens-Art, die er sich zu erwehlen ge- denckt, vor den Augen hat; die Zeit, die er auf solche Touren wenden kan, überlegt, und vornemlich mit seinem Beutel vorher einen Uberschlag macht. Je mehr Höfe er besehen kan, je angenehmer wird es vor ihm seyn, und je mehr wird er sich qualificiren. Vor allen andern Höfen solten unsere Teutschen Passagierer den Hof des allerhöchsten Ober- Hauptes der Christenheit, der Römischen Käyser- lichen Majestät, zu Wien besuchen, und sich einige Monathe an demselben aufhalten. Es ist gewiß eine Schande, daß viele von unsern Teutschen Ca- valieren an fremden Höfen außer Teutschland vie- le tausend Thaler verthun, und hingegen den Hof ihres Käysers wohl niemahls besuchen.
§. 4. Es begebe sich einer nicht leichtlich an ei- nen solchen Hof, von dem man vorher versichert, daß entweder unser Bezeugen und unsere Umstän- de dem Hofe, oder die an dem Hofe eingeführte Observanz und Lebens-Art, unsern Umständen und Neigungen, nicht gemäß noch anständig seyn wer- den, denn sonst würde man schlechten Nutzen und
schlechte
Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
valier an andern Hoͤfen weit mehr Ehre zu gewar- ten, der ſich an einem großen Hofe eine Zeitlang arritirt gehabt, und daſelbſt wohl aufgenommen geweſen.
§. 3. Was vor Hoͤfe, und wie viel deren ein junger Cavalier beſehen ſoll, kan man uͤberhaupt nicht ſagen, ſondern dieſe Regel muß er vor ſich ſelbſt finden, wenn er ſeinen Haupt-Entzweck, die kuͤnfftige Lebens-Art, die er ſich zu erwehlen ge- denckt, vor den Augen hat; die Zeit, die er auf ſolche Touren wenden kan, uͤberlegt, und vornemlich mit ſeinem Beutel vorher einen Uberſchlag macht. Je mehr Hoͤfe er beſehen kan, je angenehmer wird es vor ihm ſeyn, und je mehr wird er ſich qualificiren. Vor allen andern Hoͤfen ſolten unſere Teutſchen Paſſagierer den Hof des allerhoͤchſten Ober- Hauptes der Chriſtenheit, der Roͤmiſchen Kaͤyſer- lichen Majeſtaͤt, zu Wien beſuchen, und ſich einige Monathe an demſelben aufhalten. Es iſt gewiß eine Schande, daß viele von unſern Teutſchen Ca- valieren an fremden Hoͤfen außer Teutſchland vie- le tauſend Thaler verthun, und hingegen den Hof ihres Kaͤyſers wohl niemahls beſuchen.
§. 4. Es begebe ſich einer nicht leichtlich an ei- nen ſolchen Hof, von dem man vorher verſichert, daß entweder unſer Bezeugen und unſere Umſtaͤn- de dem Hofe, oder die an dem Hofe eingefuͤhrte Obſervanz und Lebens-Art, unſern Umſtaͤnden und Neigungen, nicht gemaͤß noch anſtaͤndig ſeyn wer- den, denn ſonſt wuͤrde man ſchlechten Nutzen und
ſchlechte
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Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
valier an andern Hoͤfen weit mehr Ehre zu gewar-
ten, der ſich an einem großen Hofe eine Zeitlang
arritirt gehabt, und daſelbſt wohl aufgenommen
geweſen.
§. 3. Was vor Hoͤfe, und wie viel deren ein
junger Cavalier beſehen ſoll, kan man uͤberhaupt
nicht ſagen, ſondern dieſe Regel muß er vor ſich
ſelbſt finden, wenn er ſeinen Haupt-Entzweck, die
kuͤnfftige Lebens-Art, die er ſich zu erwehlen ge-
denckt, vor den Augen hat; die Zeit, die er auf ſolche
Touren wenden kan, uͤberlegt, und vornemlich mit
ſeinem Beutel vorher einen Uberſchlag macht. Je
mehr Hoͤfe er beſehen kan, je angenehmer wird es
vor ihm ſeyn, und je mehr wird er ſich qualificiren.
Vor allen andern Hoͤfen ſolten unſere Teutſchen
Paſſagierer den Hof des allerhoͤchſten Ober-
Hauptes der Chriſtenheit, der Roͤmiſchen Kaͤyſer-
lichen Majeſtaͤt, zu Wien beſuchen, und ſich einige
Monathe an demſelben aufhalten. Es iſt gewiß
eine Schande, daß viele von unſern Teutſchen Ca-
valieren an fremden Hoͤfen außer Teutſchland vie-
le tauſend Thaler verthun, und hingegen den Hof
ihres Kaͤyſers wohl niemahls beſuchen.
§. 4. Es begebe ſich einer nicht leichtlich an ei-
nen ſolchen Hof, von dem man vorher verſichert,
daß entweder unſer Bezeugen und unſere Umſtaͤn-
de dem Hofe, oder die an dem Hofe eingefuͤhrte
Obſervanz und Lebens-Art, unſern Umſtaͤnden und
Neigungen, nicht gemaͤß noch anſtaͤndig ſeyn wer-
den, denn ſonſt wuͤrde man ſchlechten Nutzen und
ſchlechte
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/223>, abgerufen am 09.11.2024.
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