nem besitzen, und je bekandter solches den Herr- schafften selbst, oder einigen von den Hof-Leuten ist, je weniger müssen wir Wesen davon machen; es kömmt schon die Zeit, daß uns andere darum befragen, und da haben wir alsdenn Gelegenheit durch einige wenige Worte einen großen Theil der Gelehrsamkeit zu erweisen; es läst sonst überaus pedantisch, wenn man mit seiner Erkänntniß prah- len will.
§. 18. Vor allen Dingen muß man auch darin- nen sein Naturell kennen, ob man seinen Leibes- und Gemüths-Kräfften nach vermögend sey, ein Glaß Wein zu vertragen, ohne sich auf die eine oder an- dere Weise Verdruß und Unheil über den Halß zu zu ziehen, und sich selbst noch besitze, wenn man ei- nige Gläser über Durst getruncken. Wer den Trunck nicht vertragen kan, handelt weit vernünff- tiger, wenn er von der Fürstlichen Herrschafft oder von den Hof-Leuten einige Reprochen in Nüch- ternheit anhöret, daß er sich nicht berauschen will, als in Trunckenheit solche Fehler begehet, die er in den folgenden schwerlich nnd fast gar nicht wieder auszuwetzen vermag. Es ist ein großer Jrrthum, wenn einige in den Gedancken stehen, als ob das Vollsauffen an den Höfen unvermeidlich wäre. Nun ist es zwar wahr, daß ein jeder, der ein Lieb- haber von Trunckenheit ist, an den Höfen gute Ge- legenheit findet, über den Durst zu trincken, und zwar an einem Hofe mehr als an dem andern; Man muß aber nicht glauben, als ob ein jeder an diesen
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Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
nem beſitzen, und je bekandter ſolches den Herr- ſchafften ſelbſt, oder einigen von den Hof-Leuten iſt, je weniger muͤſſen wir Weſen davon machen; es koͤmmt ſchon die Zeit, daß uns andere darum befragen, und da haben wir alsdenn Gelegenheit durch einige wenige Worte einen großen Theil der Gelehrſamkeit zu erweiſen; es laͤſt ſonſt uͤberaus pedantiſch, wenn man mit ſeiner Erkaͤnntniß prah- len will.
§. 18. Vor allen Dingen muß man auch darin- nen ſein Naturell kennen, ob man ſeinen Leibes- und Gemuͤths-Kraͤfften nach vermoͤgend ſey, ein Glaß Wein zu vertragen, ohne ſich auf die eine oder an- dere Weiſe Verdruß und Unheil uͤber den Halß zu zu ziehen, und ſich ſelbſt noch beſitze, wenn man ei- nige Glaͤſer uͤber Durſt getruncken. Wer den Trunck nicht vertragen kan, handelt weit vernuͤnff- tiger, wenn er von der Fuͤrſtlichen Herrſchafft oder von den Hof-Leuten einige Reprochen in Nuͤch- ternheit anhoͤret, daß er ſich nicht berauſchen will, als in Trunckenheit ſolche Fehler begehet, die er in den folgenden ſchwerlich nnd faſt gar nicht wieder auszuwetzen vermag. Es iſt ein großer Jrrthum, wenn einige in den Gedancken ſtehen, als ob das Vollſauffen an den Hoͤfen unvermeidlich waͤre. Nun iſt es zwar wahr, daß ein jeder, der ein Lieb- haber von Trunckenheit iſt, an den Hoͤfen gute Ge- legenheit findet, uͤber den Durſt zu trincken, und zwar an einem Hofe mehr als an dem andeꝛn; Man muß aber nicht glauben, als ob ein jeder an dieſen
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Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
nem beſitzen, und je bekandter ſolches den Herr-
ſchafften ſelbſt, oder einigen von den Hof-Leuten
iſt, je weniger muͤſſen wir Weſen davon machen;
es koͤmmt ſchon die Zeit, daß uns andere darum
befragen, und da haben wir alsdenn Gelegenheit
durch einige wenige Worte einen großen Theil der
Gelehrſamkeit zu erweiſen; es laͤſt ſonſt uͤberaus
pedantiſch, wenn man mit ſeiner Erkaͤnntniß prah-
len will.
§. 18. Vor allen Dingen muß man auch darin-
nen ſein Naturell kennen, ob man ſeinen Leibes- und
Gemuͤths-Kraͤfften nach vermoͤgend ſey, ein Glaß
Wein zu vertragen, ohne ſich auf die eine oder an-
dere Weiſe Verdruß und Unheil uͤber den Halß zu
zu ziehen, und ſich ſelbſt noch beſitze, wenn man ei-
nige Glaͤſer uͤber Durſt getruncken. Wer den
Trunck nicht vertragen kan, handelt weit vernuͤnff-
tiger, wenn er von der Fuͤrſtlichen Herrſchafft oder
von den Hof-Leuten einige Reprochen in Nuͤch-
ternheit anhoͤret, daß er ſich nicht berauſchen will,
als in Trunckenheit ſolche Fehler begehet, die er in
den folgenden ſchwerlich nnd faſt gar nicht wieder
auszuwetzen vermag. Es iſt ein großer Jrrthum,
wenn einige in den Gedancken ſtehen, als ob das
Vollſauffen an den Hoͤfen unvermeidlich waͤre.
Nun iſt es zwar wahr, daß ein jeder, der ein Lieb-
haber von Trunckenheit iſt, an den Hoͤfen gute Ge-
legenheit findet, uͤber den Durſt zu trincken, und
zwar an einem Hofe mehr als an dem andeꝛn; Man
muß aber nicht glauben, als ob ein jeder an dieſen
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/233>, abgerufen am 21.11.2024.
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